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Während die Nachfrage nach Frischkartoffeln kontinuierlich sinkt, sind veredelte Kartoffelprodukte wie Pommes, Gnocchi und Co. gefragt. Wie der Handel diese Chance nutzen kann und welche Produkte das größte Potenzial bieten.
Schlechte Zeiten für die Frischkartoffel: Während im Nachkriegsjahr 1949 jeder Deutsche rund 200 Kilogramm der gesunden Knolle im Jahr verspeiste, lag der Pro-Kopf-Verbrauch 2012 nur noch bei knapp 27 Kilogramm. Tendenz: weiter fallend. „Die Gründe für diesen Rückgang liegen im demografischen Wandel und insbesondere an den veränderten Verzehrgewohnheiten der Verbraucher“, erklärt Norbert Haase, Kommissarischer Leiter des Instituts für Sicherheit und Qualität bei Getreide des Bundesforschungsinstituts für Ernährung und Lebensmittel. Das einstige Grundnahrungsmittel ist dem Zeitgeist zum Opfer gefallen: Erwerbstätigkeit und Außer-Haus-Verzehr steigen, gerade im Alltag ist die schnelle Zubereitung von Gerichten gefragt. So bevorzugen laut Haushaltspanel der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) 55 Prozent der Haushalte eine einfache Zubereitung von Speisen. Gerade für junge Menschen spielt das Thema Kochen nur noch eine geringe Rolle. Das Schälen und Kochen von Kartoffeln als Beilage zu Fleisch-, Fisch- oder Gemüsegerichten gilt vielen als zu mühsam und zeitaufwendig.
Trend zur schnellen Küche
Von diesem Trend der schnellen Küche profitieren die veredelten Kartoffelprodukte wie Schupfnudeln, Knödel und Gnocchi aus dem Kühlregal oder Kartoffelspalten und Pommes aus der Tiefkühltruhe. Umsatz und Absatz mit diesen Warengruppen wachsen im Handel seit Jahren kontinuierlich. Vor allem Schupfnudeln, Gnocchi und Reibekuchenteig sind gefragt. So stieg nach Angaben der Marktforscher von IRI etwa der Umsatz mit Schupfnudeln im ersten Quartal 2015 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp neun Prozent auf rund 31 Millionen Euro. Gnocchi spülten im gleichen Zeitraum rund 40 Millionen in die Kassen des deutschen Lebensmittelhandels, rund vier Prozent mehr als im Vorjahr. „Veredelte Kartoffelprodukte dienen Verbrauchern als Basis für das Selberkochen ohne viel Aufwand“, begründet Eckhard Voth, Geschäftsführer von Henglein, das anhaltende Wachstum im Segment der convenienten Kartoffelprodukte. Die Kernzielgruppe seien Familien und Haushalte, in denen selbst gekocht werde: Das Kocherlebnis bleibe, aber mit minimiertem Zeiteinsatz. Aber auch Kartoffelpüree, das schnell zuzubereiten ist, soll laut Unilever großes Potenzial haben: „Hier setzen wir auf ein Revival, da es weiterhin, besonders bei Kindern, ein sehr beliebtes Produkt ist“. Wichtig beim Püree seien jedoch die verschiedenen Verpackungsgrößen, um allen Zielgruppen gerecht zu werden.
Convenience 2.0 ist gefragt
Diese Entwicklung zur schnellen, aber gesundheitsbewussten Ernährung unterstreicht auch Annemarie Huber, Marketing Manager Retail bei McCain: „Zeit wird immer mehr zum Luxusgut, gleichzeitig legen Verbraucher Wert auf ausgewogenes Essen.“ Die ideale Antwort darauf seien Produkte, die sich als „Convenience 2.0“ identifizieren lassen: Im Handumdrehen zubereitete Nahrungsmittel, die durch hohe Qualität, Natürlichkeit und Gesundheitsnutzen überzeugen. So finden sich zunehmend fettreduzierte – etwa Backofenpommes – oder vegane Varianten im Kartoffelprodukte-Sortiment. Wichtig ist auch der Geschmack: Dank schonender Herstellungsmethoden ist der Unterschied zur selbstgemachten Mahlzeit bei vielen Convenience-Kartoffelprodukten der neuen Generation immer weniger schmeckbar, was zur steigenden Akzeptanz bei Verbrauchern führt – genauso wie der Verzicht auf Geschmacksverstärker sowie Farb- oder Konservierungsstoffe.
Zielgruppen erreichen
Einen großen Vorteil bei der Vermarktung bietet zudem das Variantenreichtum der modernen Kartoffelprodukte: Sie können sowohl pur oder als Beilage, als Einlage für Suppen oder als Salatzutat verzehrt werden. Ob in der Pfanne oder im Kochtopf, salzig oder süß – ihre vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten erfüllen den Wunsch der Verbraucher nach Abwechslung. Ob Kunden zu Kartoffelprodukten greifen, richtet sich aber auch nach der Form der Darreichung. „Aufgrund der Zielgruppe bieten Verpackungsgrößen zwischen 400 und 1000 Gramm das größte Potenzial“, sagt Henglein-Geschäftsführer Eckhard Voth. Kleinere Singlepackungen seien weniger geeignet. Wichtig ist zudem die Verpackungsgestaltung: „Der Käufer muss das Produkt sehen können, die Verpackung muss dem Inhalt angemessen und praktisch zu handhaben sein.“ Diesen Bedürfnissen der Kunden kommen die Hersteller zum Beispiel durch transparente Sichtfenster oder wiederverschließbare Verpackungen entgegen. Abgebildete Rezepttipps unterstützen Verbraucher beim kreativen Zubereiten und bieten dem Handel erweiterte Absatzchancen. Immer wichtiger für den Erfolg der Produkte wird auch die Ökobilanz, etwa durch die Verwendung biologisch abbaubarer Verpackungsmaterialien.
Das auf „Convenience 2.0“ basierende Erfolgskonzept der veredelten Kartoffelprodukte könnte sogar der schwächelnden Frischkartoffel zu neuem Schwung verhelfen. „Conveniente Formate können hier Wachstumsimpulse bringen“, sagt etwa Christian Schmidt, Senior Manager Consumer Panels bei der GfK. Ein Beispiel seien bereits vorgekochte Kartoffeln oder Bratkartoffeln, die in Holland bereits auf dem Markt seien, hierzulande aber noch kaum angeboten würden. Auch Norbert Haase vom Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel sieht Chancen für die Frischkartoffel: „Wir beobachten eine zunehmende Diversifizierung. Alte Landsorten werden regional wieder nachgefragt, ebenso buntfleischige und buntschalige Sorten. Auch geschälte Kartoffeln gewinnen an Bedeutung.“