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Der Konsum von Trinkmilch geht zurück, was auf veränderte Konsumgewohnheiten zurückzuführen ist. Die Molkereien müssen sich neu aufstellen. Daher sind Konzepte für Regionalität und Nachhaltigkeit sowie Informationen besonders gefragt.
Sie zählt zu einem der Grundnahrungsmittel und steht bei nahezu jedem Verbraucher im Kühlschrank – die Milch. Allerdings ist der sozio-ökonomische Wandel im Milchbereich spürbar. Dennoch gilt es, die Debatte und in dem Kontext auch das Shopperverhalten, differenziert zu betrachten. Fakt ist: Die Absatzmengen von Milch im LEH sind laut Milchindustrie-Verband (MIV) niedriger als in den Jahren zuvor und bewegen sich jetzt eher auf dem Niveau von 2019. Hier die Zahlen exemplarisch: 2020 lag der Pro-Kopf-Verbrauch bei 50 Kilogramm, in 2021 bei 47 Kilogramm und in 2022 bei 46,1 Kilogramm. Damit sind in Deutschland 2022 rund 900 Gramm weniger Milch verbraucht worden als im Vorjahr. Am stabilsten war laut MIV der Verbrauch von Frischmilcherzeugnissen, der sich um 0,3 Prozent verringert hat. Buttermilch dürfte mit einem Mehrkonsum von 7,9 Prozent von dem heissen Sommer 2022 profitiert haben. Zulegen konnten auch die pflanzlichen Alternativen, jedoch nur um einen einstelligen Prozentsatz (7,3 %). Die Gründe für den sinkenden Konsum sind vielfältig. Oliver Bartelt, Global Head of Corporate Communications DMK Group berichtet: «Wir haben in 2022 eine nie dagewesene Inflation erlebt, die auf jedem einzelnen Einkaufszettel sichtbar wurde.» Das zog weitreichende Folgen nach sich. «Das Preisargument hat viele Verbraucher veranlasst, günstige Milch, Butter und Käse, anstatt Marken- und Mehrwertprodukte zu kaufen», so der MIV. Sprich: Die steigenden Preise führten zu rückläufigen Absätzen. Ferner ist laut Bartelt der Rückgang auf veränderte Konsumgewohnheiten zurückzuführen, die zu Verschiebungen innerhalb des Gesamtsortiments der Molkereiprodukte führen. «Milchreis oder Trinkkakao wurden früher selbst gekocht unter Einsatz von Trinkmilch. Diese Produkte werden heute überwiegend als ‹ready to consum› gekauft».
Zeitgemässe Konzepte
Die Herausforderung für die Branche ist gross. Zusätzliche Anforderungen an Tierwohl werden besonders regional für einen nochmal verstärkten Strukturwandel sorgen, prognostiziert der MIV. Daher arbeiten die Molkereien mit Hochdruck an Strategien, um einerseits das Angebot um Sorten wie Bio, laktosefrei, H-Milch, Weidemilch oder Barista-Milch zu erweitern, andererseits auch Hybridprodukte mit Haferdrink zu entwickeln und das Angebot kundenfreundlich in unterschiedlichen Grössen ins Regal zu bringen. Hafermilch gilt laut einer Studie von POSpulse als die beliebteste pflanzliche Alternative (74 %). Oder um Mischprodukte zu pushen: Ehrmann bietet mit «Foodie» eine Trinkmahlzeit an, die – auf Basis von Trinkmilch – 30 Gramm Protein sowie 26 Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe enthält.
Nachvollziehbare Mehrwerte
Ganz wichtig ist für alle Molkereien die Bemühung um USPs. Themen wie Regionalität und Nachhaltigkeit auch bei Verpackungsfragen werden gross gespielt. «Der grosse USP der Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land liegt in der doppelten Herkunftsgarantie. Der Rohstoff Milch kommt von den eigenen Mitgliedern entlang des nördlichen Alpenkamms, die Verarbeitung der Berchtesgadener-Land- Milchspezialitäten erfolgt ausschliesslich am einzigen Molkereistandort in Piding im Berchtesgadener Land», erläutert Florian Zielinski vom Verkauf.
Die Molkerei Berchtesgadener Land sei daneben der Trinkmilchspezialist in der Molkereibranche: Verschiedene Rohmilchqualitäten, Erhitzungsverfahren, Verpackungen und Gebindegrössen für unterschiedliche Kundengruppen würden angeboten. Erfasst und verarbeitet würden Bergbauern-Milch, konventionelle Milch aus dem Voralpenland sowie Bio-Alpenmilch in Demeter- und Naturland Naturland-Qualität. Die Milchmischgetränke (400 g Tetra Top in vier Sorten) lägen für 2023 im Sommerfokus und würden mit einem Info-Leporello ausgestattet. Die Molkerei setzt auf Mehrweg und hat eine neue Milchflaschenabfüllanlage in Betrieb genommen.
Bio-Heumilch und Hybride
Die eindeutige Herkunft aus dem Schwarzwald mit Nachhaltigkeit und neuen Trends zu verbinden ist die Strategie von Schwarzwaldmilch. «Dementsprechend reicht unser Sortiment von Weidemilch, Bio Milch und Bio Heumilch bis hin zu Schwarzwaldmilch Protein, Milch + Hafer sowie der lactosefreien Milch unter der Marke LAC lactosefrei», erläutert Moritz Collmar, Leitung PR und Marketing bei der Freiburger Molkerei. Seit 2018 gibt es Bio- Heumilch, seit 2021 die Protein-Linie und seit 2022 das erste Hybridprodukt auf dem deutschen Markt (50 % Milch, 50 % Haferdrink). «Dieses Jahr ergänzen wir ausserdem unsere Marke LAC lactosefrei um eine Bio-Linie.» Zum Thema Nachhaltigkeit gibt es ebenfalls Neues: «Aktuell implementieren wir den ZNU-Standard (für Nachhaltiges Wirtschaften der Universität Witten/Herdecke) und werden noch im Laufe dieses Jahres zertifiziert», so Collmar.
Für Baristas
Ausserdem gibt es noch Milchsorten für besondere Zwecke. Weihenstephan hat die Cappuccino-Fans im Blick und eine Barista-Milch (eine H-Milch mit 3 % Fett) auf den Markt gebracht. Ausserdem schliesst man sich nach Information von Nicole Kormann (Senior PR und Content Managerin) der bundesweiten Kampagne von «Too good to go» an und macht sich mit dem «Oft länger gut»- Label stark gegen Food Waste. Die Weihenstephan Frischmilch machte im Januar den Anfang, das weitere Portfolio soll laut Unternehmen folgen.