
Foto: stock.adobe.com/IRStone
Wer die Bedürfnisse und Wünsche von Kunden kennt, kann sein Angebot besser auf sie zuschneiden. Doch die übliche Differenzierung in Zielgruppen ist oft zu ungenau. Detaillierte Analysen liefern fiktive Kundenpersönlichkeiten, die sogenannten «Personas».
Ob Sinus-Milieus («Bürgerliche Mitte»), GfK-Ernährungscluster («Couch Potato») oder Shoppertypen («Handelsmarken-Käufer»): Moderne Zielgruppen-Zuordnungen versuchen der Komplexität von Menschen, deren Einstellungen und Werten gerecht zu werden. Doch auch mit acht, zehn oder mehr Segmentierungen bleiben diese Gruppen oft sehr heterogen – eine Mischung unterschiedlicher Kundentypen, die lediglich in bestimmten Merkmalen Schnittmengen haben.
Vom Einzelnen zur Gruppe
Den umgekehrten Weg geht die Personas-Methode. Sie schliesst vom Einzelfall auf die Gruppe. Dafür schafft der Händler eine fiktive Kundenpersönlichkeit, die viele, möglichst typische Merkmale von Kunden in einer Person vereint. «Personas detaillieren die Zielgruppen weiter», erklärt Heike Scholz, Digitalexpertin und Geschäftsführerin des Netzwerks Zukunft des Einkaufens. «Händlerinnen und Händler kreieren Prototypen ihrer Kundinnen und Kunden und versehen diese mit Namen, Bild, einer eigenen Agenda und Wertesystem – sie schlüpfen sozusagen in die Schuhe der Kund:innen.» Die Informationen stammten dabei aus Daten und Erfahrungen mit tatsächlichen Kunden, wobei natürlich «kein hundertprozentiges Abbild» entstehe, sondern ein Zusammenfluss plausibler Annahmen. «Aus dieser semi-fiktiven Konstruktion von Daten zu Person, Werten, Motivationen, Informationen über Kaufkontext und Kaufentscheidungsprozesse lassen sich dann Massnahmen ableiten, die im Marketing greifen», sagt Scholz.
Dauerhafter Prozess
Wichtig für die Erstellung von Personas ist, dass ein möglichst scharfes Bild entsteht. «Eigenschaften dürfen nicht zu schwammig bleiben oder Stereotype widerspiegeln», sagt Scholz. Besser sei, möglichst genau zu beschreiben und dann im Markt auszuprobieren, ob man richtig liege. «Falls nicht, muss die Persona angepasst werden.» Ohnehin sei eine Persona kein gleichbleibendes Konstrukt, allein schon weil sich Einstellungen und Kaufverhalten ständig ändern. «Im Idealfall ist die Persona-Erstellung ein dauerhafter Prozess, in welchem immer wieder Anpassungen vorgenommen werden», sagt Scholz. Verwendbare Daten für die Erstellung von Personas liegen meist schon im Unternehmen vor. Etwa aus Retail Analytics, Daten aus Warenwirtschaft oder Kundenkarten, Kundenbefragungen oder auch den Erfahrungen des Verkaufspersonals. Zudem rät Heike Scholz einen Blick in Social-Media-Accounts zu werfen. Über Posts oder Statistiken lasse sich dort einiges über die Struktur und die Einstellungen von Kunden erfahren.
Lebensstile ständig im Wandel
Anregungen zu Trends und Verhaltensweisen liefert das Lebensstil-Modell des Zukunftsinstituts. Im Trendmodell identifizieren die Forscher 18 Lebensstile, vom «Digital Creative», über den «Mainstreamer» bis zum «Forever Youngster». Auch hier gilt der Lebensstil als konstruierter Typus, bei dem «die Charakteristika idealtypisch zusammengestellt sind und nicht zwingend einen Menschen in der Realität abbilden». Hintergrund ist die Erkenntnis, dass Menschen je nach Kontext unterschiedliche Verhaltensweisen und Einstellungen zeigen, Lebensstile also situativ annehmen und ablegen. Zudem hat das Institut die Lebensstile zahlenmässig erfasst, was Unternehmen bei der Einschätzung des quantitativen Marktpotenzials unterstützt. Ergänzend findet sich eine Prognose über die künftige Entwicklung der Gruppengrösse – was hilft, Trends frühzeitig bei der Kundenanalyse und der Gestaltung von Personas zu adaptieren.
Buchtipp
Einfache Entwicklung von Personas im Handel
Einerseits ist die Entwicklung von Personas nicht trivial und dieser Prozess kann länger dauern. Andererseits ist es aber auch lösbar, wenn man es einfach angeht. Hierfür hat Heike Scholz ein Arbeitsbuch entwickelt, um entweder im Selbststudium oder auch im Team eigene Personas zu entwickeln. Dieses Arbeitsbuch richtet sich insbesondere, aber nicht nur, an kleine bis mittlere Händler*innen, die sich intensiv mit ihren derzeitigen und zukünftigen Kunden beschäftigen möchten.
Autor: Heike Scholz
Hardcover, 54 Seiten
Erschienen: Mai 2020
Preis: 34 Euro zzgl. Versand, erhältlich über Zukunft des Einkaufens (https://zukunftdeseinkaufens.de/buecher/arbeitsbuch-personas-handel)