Im Trend: Second Hand

Montag, 31. Juli 2023
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Schon seit Jahren steht das Segment nachhaltiger Neuwaren im Handel im Fokus. Gerade in Zeiten hoher Inflation wird für viele Verbraucher aber auch der Kauf und die Nutzung gebrauchter, reparierter oder geliehener Waren immer interessanter. Ein Überblick mit Daten und Fakten.

Wesentliche Treiber der Entwicklung hin zu gebrauchten Waren sind laut dem Handelsverband Deutschland (HDE) finanzielle Gründe, der Umweltschutz und auch der Wunsch nach einem individuellen, nachhaltigen Lebensstil. In Folge der steigenden Nachfrage nimmt die wirtschaftliche Bedeutung entsprechender Angebote deutlich zu. Besonders wachstumsstark ist das Marktsegment Second Hand. Immerhin 51 Prozent der deutschen Konsumenten kaufen Second Hand, 60 Prozent haben bereits im Jahr 2022 mehr Second Hand als früher gekauft, 49 Prozent planen für das laufende Jahr 2023 Mehrkäufe bei Gebrauchtwaren. Das sind Ergebnisse des HDE-Konsummonitors Nachhaltigkeit 2023 «Reduce, Reuse, Recycle, Repair», den der Verband kürzlich veröffentlicht hat. 

Steigendes Umsatzvolumen
Entsprechend positiv fällt die Prognose für den Second-Hand-Markt in diesem Jahr aus: Der Handelsverband rechnet für diesen Bereich für 2023 mit einem Wachstum um acht Prozent auf dann 15 Milliarden Euro. Das entspricht gut zwei Prozent des gesamten Umsatzvolumens im Einzelhandel. Treiber in diesem Marktsegment sind die Online-Angebote. Aber auch der überwiegend stationäre Branchenfachhandel ist hier aktiv. Die Kunden greifen bei Second Hand vor allem bei Fashion und Accessoires (65%), Spielwaren (48%) oder Elektronikprodukten (37%) zu. Der Hebel ist die Digitalisierung. Der überwiegend sta­tionäre Branchenfachhandel realisiert 9,2 Prozent des Umsatzvolumens mit Gebrauchtwaren. Angesichts eines durchschnittlichen, jährlichen Wachstums von 4,9 Prozent zwischen 2010 und 2022 offenbart sich Potenzial.

* Das sind Ergebnisse des HDE-Konsummonitors Nachhaltigkeit, bei dem das Handelsforschungsinstitut IFH KÖLN 1500 Verbraucher in Deutschland befragt hatte (Zeitraum fehlt). Ergänzt wurden diese Daten durch eine von Sellpy und Appinio durchgeführte Umfrage unter weiteren 1000 Konsumenten.

Veränderte Konsumeinstellungen
Die positive Entwicklung hat laut dem E-Commerce Benchmarkbericht 2023 von Packlink allerdings auch mit der veränderten Einstellung der Verbraucher zu Second Hand zu tun. Während der Begriff früher mit dem Stigma von Flohmarkt und verschlissenen Artikeln behaftet war, wird Second Hand immer mehr zum Trend im Wiederverkaufsbereich. Wiederverkaufsplattformen bieten nicht nur eine erschwingliche Option für Personen mit knapper Kasse, sondern kommen auch dem wachsenden Wunsch der Verbraucher entgegen, die Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren, da sie sich der Problematik des übermässigen Konsums immer stärker bewusst werden. Dies treibt das Wachstum von Online-Marktplätzen wie eBay und Vinted an, und schafft eine neue Art von Kreislaufwirtschaftsdiensten, die den Verbrauchern helfen, ihre Waren zu kaufen, zu recyceln und wiederzuverwenden. Die Fast-Fashion-Unternehmen Shein und PrettyLittleThing haben vor Kurzem ihre eigenen Peer-to-Peer-Plattformen für den Wiederverkauf ins Leben gerufen. Auch IKEA führt einen «Buyback & Resell»-Service ein, bei dem ungewollte Möbelstücke zurückgegeben und repariert werden können und so ein zweites Leben erhalten.

«Wir sehen ganz klar, wie sich die Wahrnehmung von Second Hand unter den Verbraucher ändert. Während der Begriff früher eine gewisse Minderwertigkeit implizierte und mit Flohmärkten assoziiert wurde, kommt er heute immer mehr in Mode», berichtet Tom Forbes, Chief Customer Officer bei Metapack. Re-Commerce-Plattformen bieten laut Forbes nicht nur eine bequeme Option für Verbraucher mit knappem Geldbeutel, sondern entsprechen auch dem wachsenden Wunsch, die Umwelt weniger zu belasten.  

Win-Win-Situation
Fakt ist: Angesichts der aktuell unsicheren Wirtschaft suchen die Verbraucher nach Alternativen – tatsächlich planen laut dem E-Commerce Benchmarkbericht 2023 von Packlink rund 70 Prozent der Deutschen, ihre Konsumgewohnheiten zu ändern, um die steigenden Kosten zu bewältigen. «Hier sehen wir einen weiteren starken Treiber für Second-Hand», erklärt Roland Buquet, Director Revenue Operations Europe bei Packlink. Weiter fügt er hinzu: «Für Unternehmen sind Re-Commerce-Konzepte nicht unbedingt direkte Umsatztreiber, sondern Strategien zur Kundengewinnung und -bindung. Recycling, Second-Hand und Wiederverwendung geben einer breiten Käuferschaft die Möglichkeit, das passende Produkt und Angebot auf einer vertrauenswürdigen Plattform zu finden und gleichzeitig den Geldbeutel und den Planeten zu schonen.»

Second-Hand-Shopping kann laut Packlink also eine Win-Win-Situation für Käufer, die E-Commerce-Branche und die Umwelt sein. Verkäufer bieten eine attraktive, bequeme Option für Verbraucher mit geringerer Kaufkraft, minimieren gleichzeitig die Auswirkungen auf die Umwelt und stärken durch das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum die Kundenbindung und das Vertrauen der Käufer. Dabei kommt dem Einzelhandel nach Auffassung des HDE an der Schnittstelle zwischen Herstellern und Endverbraucher eine besondere Rolle zu. «Durch seine Sortimentsgestaltung und Transparenz über die Lieferkette stellt sich der Einzelhandel den Kundenwünschen nach ökologischem, verantwortlichem und bezahlbarem Konsum und sorgt für die flächendeckende Verfügbarkeit der entsprechenden Waren», resümiert HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

News

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Vier Käuferprofile

Der Kauf von Gebrauchtwaren variiert je nach Verbrauchertyp und Konsumverhalten. Packlink hat dazu vier Käuferprofile ermittelt: Ein Grossteil der Befragten sieht sich hier als «Necessity Shoppers» (Bedarfskäufer) und wird nur dann einkaufen, wenn es notwendig ist (30%). «Postponers» (Aufschieber) werden versuchen, ihre inkäufe aufzuschieben (26%). «Value Hunters» (Schnäppchenjäger) werden zu billigeren Marken oder Händlern wechseln (14%). Etwas mehr als ein Viertel der befragten Verbraucher (29 %) gehören zur Gruppe der «Carry On Spenders» und ändern ihre Gewohnheiten nicht. Von den «Necessity Shoppers» planen 39 Prozent, verstärkt gebrauchte Waren zu kaufen. Bei den Aufschiebern steigt der Anteil auf 40 Prozent. Unter den Käufern, die ihr Verhalten gezielt als Reaktion auf steigende Preise ändern möchten, ist Re-Commerce am beliebtesten. Die Schnäppchenjäger suchen überraschenderweise seltener nach Second-Hand-Produkten (34%).

Quelle: Packlink / E-Commerce Benchmarkbericht 2023