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Kostenspirale, Inflation, Lieferproblematik, Preis- und Nachfrageschock - die Folgen der Krise werden auch in 2023 zu spüren sein. Wie sich die Fleischbranche aufstellen und welche Impulse sie am POS setzen will.
Die Inflation ist laut GfK derzeit die grösste Sorge der Deutschen und löst damit die Corona-Pandemie als Sorge Nr. 1 ab. Im Juli zeigten die Daten von GfK, dass 85 Prozent der einkommensschwächeren Haushalte vor allem die Steigerungen im Bereich Lebensmittel Sorgen bereiten. Dieses Thema beschäftigt auch rund 80 Prozent der Haushalte mit mittlerem Einkommen und immer noch 69 Prozent der Haushalte mit Einkommen über 5000 Euro netto. Unterschiede zeigen sich auch bei den Altersgruppen: Bei jüngeren Personen unter 30 Jahren machen sich zwei Drittel (66 %) Sorgen wegen steigender Lebensmittelkosten, ab 30 Jahren betrifft diese Sorge 83 Prozent der Bevölkerung.
Nachfrage nach Eigenmarken
Besonders stark zeigen sich laut GfK die Auswirkungen der Inflation bei Produkten des täglichen Bedarfs wie etwa bei Lebensmitteln. Diese verzeichneten in den Monaten Januar bis Mai insgesamt einen grossen Mengenrückgang. Der Grund: Die Konsumenten verzichten auf Genusskategorien wie Fleisch- und Wurstwaren (-8,2 %). Bei diesen schnelldrehenden Produkten passen Konsumenten ihre Strategien schnell an, indem sie weniger kaufen, auf Angebotspreise zurückgreifen oder von Herstellermarken auf günstigere Eigenmarken umsteigen. Dieses Verhalten spiegelt sich direkt im Markt wider. So ist im Einzelhandel in den ersten drei Monaten dieses Jahres der Anteil von Eigenmarken am Gesamtumsatz um 34,6 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal im Vorjahr gewachsen. Für 36 Prozent der Deutschen ist aktuell der Preis das wichtigste Kriterium bei der Kaufentscheidung.
Diese Entwicklung bestätigt auch die Rügenwalder Mühle: «Wir sehen aufgrund der zunehmenden Preissensitivität eine stärkere Nachfrage im Bereich Handelsmarken. Ausserdem rückt auch das Promotiongeschäft wieder verstärkt in den Fokus. Für Marken bedeutet das, dass wir den Verbrauchern einen echten Mehrwert bieten müssen. Für uns ist es daher wichtig, weiter wie gewohnt in die Marke sowie Qualität unserer Produkte zu investieren», sagt Michael Hähnel, CEO der Rügenwalder Mühle.
Weichen für die Zukunft
Die Herausforderungen sind und bleiben sowohl für den Handel als auch für die Industrie riesig. Neben den steigenden Energiekosten und der Sicherstellung der Energieversorgung sieht Wiesenhof vor allem in der Beschaffung von Verpackungsmaterial sowie in der Logistik eine grosse Herausforderung. «Die grösste Chance für uns sehen wir darin, uns weiterhin als verlässlichen Partner des Handels zu beweisen. Darauf kommt es an, und deshalb beschäftigen wir uns vorausschauend mit den zu erwartenden Szenarien», so Dr. Ingo Stryck, Geschäftsführer Marketing der PHW-Gruppe.
Aktuell gibt es eine Vielzahl von Unwägbarkeiten, die eine konkrete Planung so gut wie unmöglich machen. Die grosse Aufgabe und Herausforderung für Industrie und Handel wird es daher gleichermassen sein, sich auf verschiedenste Szenarien vorzubereiten, da viele Einflussfaktoren zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar sind, und die Weichen für eine nachhaltige Zukunft zu stellen. Dabei blickt The Family Butchers zuversichtlich in die Zukunft: «Die Chance besteht darin, dass sich die Lage im nächsten Jahr früher oder später entspannt, und der Fokus vom Krisenmodus wieder vermehrt auf die Entwicklung von Innovationen und anderen Trends gelenkt werden kann», sagt Roland Verdev, CEO The Family Butchers Germany. Auch die Campofrio Food Group Deutschland zeigt sich zuversichtlich und will in 2023 in Neuheiten und neue Konzepte sowohl im Snackbereich als auch in weiteren Kategorien investieren.
Trend
Fleischkonsum in Deutschland rückläufiger
Hinsichtlich des Konsumverhaltens von Fleisch zeigt sich, dass in Deutschland der Verbrauch von Schweinefleisch nach wie vor am grössten ist. Allerdings gibt es seit mehreren Jahren einen rückläufigen Trend, der auch 2021 zu verzeichnen war. Im Gegensatz zu Schweinefleisch nahm der Verbrauch von Hühnerfleisch in den vergangenen Jahren sukzessiv zu, im Jahr 2021 war er jedoch ebenfalls rückgängig.
Auch beim Rindfleisch war ein nachlassendes Konsumverhalten zu verzeichnen.Der Pro-Kopf-Verbrauch von Rindfleisch nahm um 0,9 kg gegenüber dem Vorjahr ab und lag 2021 bei 13,7 kg. Auch der Pro-Kopf-Verbrauch von Schweinefleisch entwickelte sich rückläufig: Mit einem Minus von 1,9 kg im Vergleich zum Vorjahr fiel er auf 42,9 kg. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Geflügelfleisch lag in 2021 mit 21,9 kg um 0,4 kg unter dem Wert aus 2020.
Weltweit war der Fleischverbrauch in Ländern wie den Vereinigten Staaten von Amerika, Argentinien und Australien mit über 110 kg/Kopf am höchsten. Dagegen lag der Verbrauchswert in Indien bei 4,1 kg/Kopf.
Quelle: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), Bericht zur Markt- und Versorgungslagemit Fleisch 2022
Die Top 10 der EU-Länder mit dem grössten Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch im Jahr 2021
- Spanien: 105,8 kg
- Dänemark: 103,8 kg
- Portugal: 101,3 kg
- Irland: 98,7 kg
- Frankreich: 89,0 kg
- Ungarn: 88,6 kg
- Polen: 88,4 kg
- Österreich: 88,3 kg
- Italien: 87,1 kg
- Tschechien: 84,8 kg
Quelle: Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum, Schwäbisch Gmünd, «Vieh und Fleisch – des Jahresheftes Agrarmärkte 2021»