Noch nie wurden weniger Zigaretten konsumiert wie heute. Dennoch erfreuen sich Rauchen und Dampfen nach wie vor grosser Beliebtheit. Das zeigte nicht nur die InterTabac in Dortmund im September 2023, sondern verdeutlicht auch ein Blick auf die Produktkategorien.
Die InterTabac in Dortmund im September 2023 zeigte erneut, dass Rauchen und Dampfen nach wie vor beliebt ist – so eine Beobachtung des Bundesverbandes der Tabakwirtschaft. «Um die Zukunft der Branche ist mir daher nicht bange», sagt Jan Mücke, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse. Spricht Mücke jedoch über maschinell hergestellte Zigaretten, bildet sich auf seiner Stirn eine kleine Sorgenfalte. Seit 1991 ist die Stückzahl, die in Deutschland versteuert wird, laut Statistischem Bundesamt um 55 Prozent gesunken: von 146,5 auf 65,8 Milliarden. «Das verdeutlicht, dass noch nie weniger Zigaretten geraucht wurden als heute.» 2022 musste das wichtigste Segment der Branche sogar einen «historisch einmaligen Rückgang von 8,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr» hinnehmen. Die Statistiker führen dies auf die Erhöhung der Tabaksteuer zum 1. Januar 2022 zurück. Aktuell verzeichnet das nach wie vor wichtigste Segment der Tabakbranche zwar ein geringfügiges Absatzplus gegenüber dem Vorjahr, dennoch erwartet Mücke in 2023 einen leichten Rückgang. Echte Innovationen, die für einen Wachstumsschub sorgen könnten, hatte selbst die InterTabac nicht zu bieten. Schliesslich sind Fertig-Zigaretten inzwischen voll ausgereift. Bei den Grosspackungen gibt es aber immer wieder Neuheiten, wie das 9XL-Format (80 Stück) der Marke «L&M» von Philip Morris. Dass die Zahl der preisbewussten Kunden gestiegen ist, zeigt auch das Feinschnitt-Segment. Die 25 080 Tonnen, die 2022 in Deutschland versteuert wurden, belegen ein konstantes Niveau.
Vielfalt ist Trumpf
Gleichzeitig gibt es viele Konsumenten, die sich mit billigeren Produkten aus anderen Ländern eindecken. Zum Beispiel während des Urlaubs, aber auch illegal durch geschmuggelte oder gefälschte Ware. In 2022 war fast jede sechste Zigarette nicht in Deutschland versteuert, die in der Bundesrepublik geraucht wurde. In Bundesländern, die an Polen grenzen, liegt dieser Anteil aktuell teilweise sogar über 40 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Studie. Die Untersuchung basiert auf dem Sammeln von jährlich 12 000 leeren Zigarettenschachteln, die anschliessend von einem Marktforschungsinstitut ausgewertet werden.
Bauchschmerzen bereiten der Branche ausserdem einige Themen, die derzeit auf politischer Ebene diskutiert werden. «Die EU will ein «rauchfreies Europa» realisieren und die Rauchquote bis 2040 auf weniger als fünf Prozent senken», sagt Jan Mücke. Sollte die Tabakprodukt-Richtlinie geändert werden, sei es mit der Vielfalt vorbei.
Regulierungsmassnahmen machen auch der Zigarren- und Zigarillo-Branche zu schaffen. Bis 20. Mai 2024 ist auch sie gezwungen, das Track-and-Trace-System umzusetzen. Das heisst, alle Produkte müssen nachverfolgbar sein. Bodo Mehrlein, Geschäftsführer des Bundesverbands der Zigarrenindustrie (BdZ) kritisiert die EU-Vorgabe als «Bürokratiemonster, das extremen Aufwand erfordert, der in keinem Verhältnis zum Nutzen steht.» Das Segment sei weder von signifikanter Schmuggeltätigkeit betroffen noch gebe es ein Jugendschutzproblem.
Auch der Absatzrückgang von 8,9 Prozent macht Mehrlein keine Sorgen. Das Minus sei weitgehend aufs Niedrigpreis-Segment zurückzuführen. «Traditionelle Zigarren und Zigarillos sind nach wie vor Renner.» Das gilt besonders für hochwertige Ware. Ausserdem spiegelt sich die tatsächliche Entwicklung nicht immer in der offiziellen Statistik wider. Vor Erhöhung der Mindeststeuer zum Jahresbeginn 2022 hätten zum Beispiel Konsumenten Vorratskäufe getätigt. Auch die Zahlen der ersten drei Quartale 2023 mit einem leichten Minus von 2,7 Prozent zeigen, dass der Markt recht stabil ist.
E-Zigarette auf Achterbahnkurs
Die Entwicklung der E-Zigaretten gleicht dagegen einer Achterbahnfahrt. Von 2012 bis 2018 haben sich die Umsätze fast versiebenfacht – von 80 auf 550 Millionen Euro (Quelle: Verband des eZigarettenhandels/VdeH). Anschliessend ging es beinahe ungebremst ebenso rasant bergab. Der Tiefpunkt wurde im Corona-Jahr 2021 erreicht. Mit 280 Millionen Euro. Momentan ist die Branche aber quicklebendiger denn je. In 2022 hat sich der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Mit 600 Millionen Euro wurde ein neuer Höchstwert erreicht. Zu verdanken war das vor allem den Einweg-E-Zigaretten. Die Produkte, die zuvor kaum eine Rolle gespielt hatten, lösten urplötzlich einen regelrechten Hype aus. «Die sogenannten Disposables haben uns das vergangene Jahr gerettet», so Torsten Löffler, Präsident des Bundesverbands des Tabakwaren-Einzelhandels. Laut dem Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG) lag der Anteil der Produkte bei 40 Prozent. Der Umsatzzuwachs bei E-Zigaretten liegt auch daran, dass die Vielfalt weiter steigt. Ein Beispiel dafür ist Dinner Lady: Kaum war das 2016 in England gegründete Unternehmen auf dem Markt, gingen seine Produkte schon durch die Decke. Seitdem wurden die E-Liquids der Firma, die inzwischen auch in Deutschland unterwegs ist, mehrfach ausgezeichnet. Vor allem die Dessert-Linie steht bei Konsumenten hoch im Kurs. Auf der InterTabac wurde unter dem Motto «Taste the good Times» die jüngste Innovation präsentiert: das neue FUYL POD System, ein wieder aufladbarer Mehrweg-Vaporizer in Diamantschliff-Form. «Das Produkt eignet sich ideal für den Convenience-Bereich, weil die Pods mit unserem erstklassigem E-Liquid vorgefüllt sind», sagt Marketing-Manager Rico Winkel. Die Geschmacksvarianten reichen von Klassikern bis hin zu exotischen Aromen wie Spearmint Menthol oder Red Thunder. Wie stark die Produkte von Dinner Lady inzwischen auch in Deutschland nachgefragt werden, macht Helgi Jonsson deutlich. «Seit kurzem sind unsere Produkte auch in den Vitrinen von Circle K zu sehen», sagt der Chief Commercial Officer von Dinner Lady DACH. Zuvor waren diese bereits zum Beispiel bei HEM gelistet.
«Aktuell sehen wir bei Einweg-Geräten einen rückläufigen Trend», sagt VdeH-Geschäftsführer Oliver Pohland. Stattdessen nehmen vorbefüllte, geschlossene Pod-Systeme einen immer stärkeren Anteil ein. Das sind einfache, wiederaufladbare Mehrweg-Geräte. BfTG-Vorstand Dustin Dahlmann geht davon aus, »dass Disposables über kurz oder lang vom Markt verschwinden werden». Das dürfte spätestens 2027 der Fall sein, weil die Wegwerf-Produkte in derzeitiger Form gegen die neue EU-Batterieverordnung verstossen würden. Im laufenden Jahr rechnet die Branche mit einem Rekordumsatz von mindestens 800 Millionen Euro. Ob sich der positive Trend fortsetzen wird, hängt davon ab, inwieweit die Politik weitere Regulierungsmassnahmen beschliesst.
Diffuse Gesetze
Während die E-Zigarette zwei gute Jahre erlebt hat, musste die Shisha-Kategorie einen drastischen Einbruch hinnehmen. 2022 wurden lediglich 963 Tonnen Wasserpfeifentabak verkauft. Im Vorjahr waren es noch 6914 Tonnen. Dies negative Entwicklung setzte sich in den ersten drei Quartalen 2023 fort. «Das heisst nicht, dass weniger Shisha konsumiert wird», betont Folke Rega, Geschäftsführer des Bundesverbands Wasserpfeifentabak. «Das sehen wir an den konstanten Verkaufszahlen der Shisha-Kohle. Gleichzeitig hat beim Tabak der Schwarzmarkt massiv zugenommen.» Zurückzuführen sei der legale Absatzrückgang auf die Mengenbegrenzung. Seit Juli 2023 dürfen in Deutschland nur noch Packungen mit maximal 25 Gramm Inhalt verkauft werden. Zuvor waren im Handel Dosen mit 200 Gramm die gängige Grösse. Mit dieser Änderung wollte der Gesetzgeber vor allem Shisha-Bars treffen und Steuerhinterzieher in die Schranken weisen. Folglich benötigten die Hersteller neue Maschinen. Aufgrund der Corona-Pandemie und enormer Probleme der Lieferanten stand die Produktion monatelang still. Mittlerweile ist die Umstellung vollzogen, hat aber zu erheblichen Preissteigerungen geführt, zumal 2022 auch die Steuer erhöht wurde. «Die Kunden müssen inzwischen 68 Prozent mehr pro Kilogramm bezahlen», sagt Rega. «Bis Ende 2024 können es sogar 100 Prozent werden.» Deshalb befürchtet er, dass die illegale Beschaffung weiter zunimmt. Skeptisch betrachtet er auch die sogenannte Zwei-Komponenten-Lösung, die mittlerweile auf den Markt gekommen ist. Diese basiert auf der Mischung von aromatisiertem Rauchtabak mit dem Feuchthaltemittel Glycerin/Molasse. «Wer diese zwei Produkte kombiniert, kann seinen Shisha-Tabak zum selben Preis wie früher selbst herstellen.» Obwohl die Generalzolldirektion für diese Lösung grünes Licht gegeben hat, ist Vorsicht geboten. Denn wenn der Konsument Shisha-Tabak produziert, wird er laut der Behörde zum «Steuerschuldner» und müsse eine Steuererklärung abgeben.
Neuer Tabakerhitzer «Ploom»
In Bezug auf Tabakerhitzer, für die es nach wie vor keine statistischen Zahlen gibt, ist die Gesetzeslage ebenfalls diffus. Seit Oktober sind zwar Tabak-Sticks verboten, die «charakteristische Aromen» enthalten. Was damit genau gemeint ist, wird aber nicht gesagt. Jörg Zangen, Sales Director von Philip Morris Germany, bleibt gelassen. «Für unser deutsches Sortiment ergeben sich aktuell keine Änderungen.» Ein anderes Signal kommt von JTI: Zum Jahresende 2024 will das Unternehmen den Tabakerhitzer «Ploom» in über 20 Märkten einführen, darunter auch in Deutschland. «Unser Ziel ist es, den Verbrauchern mehr Wahlmöglichkeiten zu bieten», so JTI. «Daher investieren wir in die Erweiterung unseres Angebots in dieser Kategorie, die durch technologische Fortschritte angetrieben wird.»