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Seit Jahrhunderten wird Kaffee nach Deutschland importiert und hier geröstet. Er ist nicht nur ein wichtiges Handelsgut, sondern auch Lieblingsgetränk der Deutschen. Doch der Markt steht vor grossen Herausforderungen.
Kaffee steht bei den Deutschen nach wie vor hoch im Kurs. Umgerechnet auf die gestiegene Einwohnerzahl ist der jährliche Pro-Kopf-Konsum im vergangenen Jahr zwar leicht zurückgegangen, doch liegt er nach den Zahlen des Deutschen Kaffeeverbandes (DKV) mit 167 Litern immer noch bei etwa vier Tassen pro Kopf und Tag. «Trotz Inflation und preissensiblem Konsumverhalten haben die Bundesbürger mehr Röstkaffee gekauft und getrunken als je zuvor», erklärt DKV-Hauptgeschäftsführer Holger Preibisch.
Mit fast 480 000 Tonnen lag der Absatz an Röstkaffee 2022 auf einem Rekordhoch. Stärkster Absatzkanal war der Ausser-Haus-Markt, in dem der Konsum nach zwei Jahren Corona-Flaute um 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist. Gleichzeitig war die zu Hause getrunkene Menge mit einem Minus von fünf Prozent leicht rückläufig. Zu Hause verschiebt sich der Trend von Pads, Kapseln und gemahlenem Röstkaffee seit Jahren in Richtung «ganze Bohne». Nachdem diese im vergangenen Jahr erneut um etwa acht Prozent zugelegt hat, sind die Segmente «gemahlener Röstkaffee» und «ganze Bohne» erstmals mit je 44 Prozent Marktanteil nahezu gleichauf.
Müllberge durch Kapseln
Pads und Kapseln halten zusammen noch einen Anteil am Röstkaffee-Markt von knapp elf Prozent – Tendenz langsam abnehmend. Gerade das Erfolgsrezept der Kapseln stellte sich als grösstes Problem heraus: Die Aluminiumverpackung, die den Kaffee vor Luft, Licht und Feuchtigkeit schützt und die Aromen über lange Zeit konserviert, verbraucht in der Herstellung viel Energie und verursacht riesige Müllberge. «Weltweit beläuft sich die Menge an Abfall durch Kaffeekapseln auf 100 000 Tonnen pro Jahr, dies entspricht 62 Milliarden Kapseln. Nur zirka 30 Prozent davon werden recycelt», sagt Delica-Geschäftsführer Xerxes Shahparast. Delica geht mit dem neuen Einportionssystem CoffeeB deshalb einen neuen Weg. Der Kaffee ist zu einem vollständig kompostierbaren Ball gepresst, der von einer Alginat-Schutzschicht ummantelt ist.
Kompostierbare Kapseln
Mit dem Konzept wäre Delica bereits für die neue Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (EU-VerpackVO, PPWR) gewappnet, deren Entwurf die EU-Kommission im November 2022 veröffentlicht hat. Er sieht vor, dass keine wiederverwertbaren Kaffeesystem-Einzelportionen mehr auf den Markt gebracht werden dürfen. Künftig sollen sie kompostierbar sein, damit sie zusammen mit dem Inhalt im Bioabfall entsorgt werden können. Das haben die Hersteller auf der Agenda. «Bis 2030 wollen wir all unsere Verpackungen recycelbar, kompostierbar oder wiederverwendbar machen. Dabei sind wir auf einem guten Weg: 78 Prozent unserer Verpackungen weltweit erfüllen dieses Ziel schon jetzt», sagt Dirk Friedrichs, Unternehmenssprecher bei Jacobs Douwe Egbert. Auch Nestlé hat mit Nescafé Dolce Gusto Neo bereits einen Kaffeebereiter, der auf heimkompostierbare Kapseln auf Papierbasis setzt. Er wurde zunächst in der Schweiz und in Frankreich getestet und soll sukzessive auch in andere europäische Märkte eingeführt werden.
Herausforderungen meistern
Das sind nicht die einzigen Herausforderungen, denen sich die Hersteller künftig stellen müssen. Das EU-Parlament hat ausserdem ein neues Gesetz zur Bekämpfung der weltweiten Entwaldung angenommen, nach dem Kaffee nur noch in der EU verkauft werden soll, wenn dafür nach 2020 keine Wälder gerodet wurden. Auch der Klimawandel setzt den hitzeempfindlichen Pflanzen immer mehr zu. Insbesondere die beliebte Arabica-Bohne, die 59 Prozent der Kaffeeproduktion ausmacht und nur in fünf Regionen weltweit wächst, ist in Gefahr. Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat verschiedene Zukunftsszenarien simuliert und festgestellt, dass die wichtigen Anbauregionen Brasilien, Vietnam, Indonesien und Kolumbien einen erheblichen Flächenrückgang verzeichnen werden. Herausforderungen, an denen die Hersteller mit Hochdruck arbeiten – damit die Deutschen auch künftig nicht auf ihr Lieblingsgetränk verzichten müssen.
Markt
Röstkaffeemarkt 2022: Marktanteile der Segmente bei der Zubereitung zu Hause
- Ganze Bohne: 44,2 %
- Gemahlener Röstkaffee: 44,9 %
- Kaffeekapseln: 4,8 %
- Kaffeepads: 6,1 %
Quelle: Deutscher Kaffeeverband
Kaffeezubereitung zu Hause
Verbreitung von Kaffeemaschinen in Haushalten, in %
- Filterkaffeemaschinen: 42 % (2021: 46 %)
- Kaffeevollautomaten: 33 % (2021: 31 %)
Quelle: Deutscher Kaffeeverband
Fairtrade-Kaffee
Kaffee erzielte 2022 unter den Fairtrade-Sortimenten den grössten Gesamtbruttoumsatz in Deutschland, gefolgt von Kakao und Bananen/Südfrüchten. Während der Absatz von Fairtrade-Kaffee um 1,5 Prozent auf über 24 000 Tonnen zurückging, aber dennoch über dem Vor-Pandemie-Niveau von 2019 lag, gaben die deutschen Verbraucher dafür 30,4 % mehr aus als im Vorjahr. Der Umsatz mit Fairtrade-Kaffee belief sich im vergangenen Jahr auf rund 705 Millionen Euro. Im deutlichen Umsatzplus spiegeln sich die stark gestiegenen Kaffeepreise wider. Der Tchibo-Kaffeereport von 2022 zeigt, dass nur 6 % der Deutschen immer nachhaltigen Kaffee trinken, weitere 33 Prozent immerhin regelmässig. Das Hauptargument: zu teuer.