Foto: stock.adobe.com/vaaseenaa
Alternativen zu tierischen Erzeugnissen boomen, doch die einzelnen Kategorien befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Grösstes Sortiment sind die Fleischersatz-produkte, während Seafood langsam an Fahrt aufnimmt.
Der Autohersteller VW hat die Currywurst aus der Kantine verbannt, die Stadt Freiburg streicht Fleisch aus Kitas und Grundschulen und bei Ikea sind vegetarische Mahlzeiten günstiger als die Varianten aus Fleisch: Die Ernährungswende ist im vollen Gange. Den Markt für pflanzliche Ersatzprodukte treiben allerdings nicht die 1,58 Millionen Veganer und 7,9 Millionen Vegetarier voran, sondern vor allem die 15 Millionen Flexitarier.
Auf Wachstumskurs
Der deutsche Markt für pflanzliche Alternativprodukte ist 2022 im LEH um elf Prozent auf 1,91 Milliarden Euro gewachsen, seit 2020 sogar um 42 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des gemeinnützigen Think Tanks Good Food Institute Europe (GFI Europe), der die Nielsen-IQ-Daten in 13 europäischen Kernmärkten ausgewertet hat. Im Vergleich ist Deutschland der mit Abstand grösste Markt für pflanzenbasierte Lebensmittel, gefolgt von Grossbritannien, Italien, Spanien und Frankreich. Beim Pro-Kopf-Umsatz liegt Deutschland mit 23 Euro auf Platz zwei nach den Niederlanden (23,50 Euro).
Fleisch als stärkste Kategorie
GFI Europe hat sich auch die Entwicklung verschiedener Lebensmittel-Kategorien angeschaut. Die Umsätze sind 2022 in neun der zehn untersuchten Kategorien gestiegen, allerdings auf sehr unterschiedlichem Niveau. Der Umsatz von pflanzlichen Fleischalternativen als der am weitesten entwickelten Kategorie ist um sieben Prozent auf 642,8 Millionen Euro gestiegen, der von den Desserts als der am wenigsten entwickelten Kategorie um 32 Prozent auf 26 Millionen Euro. Rückläufig waren nur die Joghurts, die vier Prozent verloren und 153 Millionen Euro eingebracht haben. Fisch und Meeresfrüchte auf pflanzlicher Basis fangen gerade erst an, ihr Potenzial auszuschöpfen: 2022 sind die Umsätze in diesem Bereich um 52 Prozent gestiegen.
Tierische Originale rückläufig
Ausserdem spannend: Während der Absatz pflanzlicher Milch- (+14 %), Fleisch- (+7 %) und Käsealternativen (+12 %) gestiegen ist, war der von den tierischen Originalen (Milch -6 %, Fleisch -3 %, Käse -5 %) im gleichen Zeitraum rückläufig. Allerdings waren pflanzliche Fleischalternativen weniger stark von der Inflation betroffen wie das Original. Während ihr durchschnittlicher Preis nur um ein Prozent gestiegen ist, wurde vorverpacktes konventionelles Fleisch um 15 Prozent teurer. Pflanzliche Fleischalternativen können deshalb den Geldbeutel entlasten. ProVeg setzt sich dafür ein, dass die klimafreundliche Option grundsätzlich für alle bezahlbar ist. Der Verein möchte mit der Kampagne «0 % fürs Klima» erreichen, dass der Mehrwertsteuersatz für alle pflanzlichen Lebensmittel auf null Prozent gesenkt wird.
Produkte haben treue Fans
Auch der Hersteller Endori hat Marktdaten von GfK- und NielsenIQ ausgewertet, Kunden-Fokusgruppen gebildet und Kunden bei ihren Shopping-Trips begleitet, sich dabei aber auf die gekühlten Fleisch-, Wurst- und Fisch-Ersatzprodukte konzentriert. Wichtigstes Ergebnis: Die Käuferreichweite steigt, 2022 hat bereits jeder Dritte diese Produkte gekauft. Sogar die Wiederkaufrate hat mittlerweile mehr als 70 Prozent erreicht. Die Produkte werden also nicht mehr nur von neugierigen, aber später wieder abspringenden Probierkäufern gekauft, sondern haben treue Fans gefunden.
Immer näher am Original
«Die Zeiten, in denen bei Fleischalternativen auf leckeren Geschmack und Genuss verzichtet werden musste, sind lange vorbei. Was nicht in Optik, Geruch, Geschmack und Konsistenz überzeugt, bleibt nicht lange am Markt», weiss Claudia Hauschild, Leiterin der Unternehmenskommunikation und des Nachhaltigkeitsmanagements bei der Rügenwalder Mühle. In dem Stimmungsbericht «Angerichtet», den das Unternehmen im Januar veröffentlicht hat, sagen 60 Prozent der Käufer, dass sich die Produkte mittlerweile geschmacklich gar nicht mehr beziehungsweise kaum noch vom Original unterscheiden. Allerdings kann ein Produkt trotzdem lecker sein: Einer Befragung von Epap zufolge, dem App-Anbieter für digitale Einkaufsbelege, bewerten 78 Prozent der Frauen den Geschmack von Fleischalternativen als gut und 62 Prozent der Männer.
Die Fleischesser überzeugen
«Um auch die Fleischesser zu überzeugen, ist es entscheidend, dass wir «besseres Fleisch als Tierfleisch» produzieren, also ein besseres Geschmackserlebnis und einen niedrigeren Preis bei geringerer Umweltbelastung und guten Zutaten bieten», sagt Vicky Kummer, Kommunikationschefin bei Planted Foods. «Wir kombinieren firmeneigene Strukturierungs- und Fermentierungstechnologien, um Fleisch aus Pflanzenproteinen zu produzieren. Wir fügen keine zusätzlichen Stoffe wie Methylcellulose oder andere Chemikalien hinzu, sondern lassen unsere firmeneigene Technologie das Mundgefühl und die faserige Textur erzeugen.» Besonders stolz ist das Unternehmen auf sein Planted.pulled, das aus Sonnenblumen, Hafer und Erbsen hergestellt ist und ihm einen hohen Proteingehalt verleiht.
Lieblinge nah am Markenkern
Bei Rügenwalder sind die beliebtesten Produkte oft dem Markenkern nahe. «Die Vegane Schinken Spicker und die Pommersche gehören natürlich dazu. Auf der anderen Seite ist unser Veganes Mühlen Mett sehr beliebt, weil es etwas Neues ist, was es vorher noch nicht so gegeben hat und Lust zum Ausprobieren macht», sagt Claudia Hauschild.
Key Insights für den europäischen Markt
- Der Einzelhandelsmarkt für pflanzliche Lebensmittel ist von 4,8 Mrd. Euro im Jahr 2020 auf 5,8 Mrd. Euro im Jahr 2022 gestiegen.
- Der Umsatz in Europa mit pflanzlichen Lebensmitteln stieg zwischen 2021 und 2022 um 6%.
- Die Zahl der verkauften pflanzenbasierten Produkte stieg zwischen 2021 und 2022 um 4%.
- Seit 2020 stiegen der Umsatz und die Zahl der verkauften pflanzlichen Produkte jeweils um 21%.
Quelle: Good Food Institute Europe
Key Insights für den deutschen Markt
- Fleisch auf pflanzlicher Basis ist die am weitesten entwickelte Kategorie im Plantbased-Bereich. Der Umsatz mit pflanzenbasiertem Fleisch betrug 2022 642,8 Millionen Euro, und die Kategorie verzeichnet weiterhin Wachstum.
- Der Umsatz mit pflanzlicher Milch nimmt weiter zu und belief sich im Jahr 2022 auf 552 Millionen Euro, was einem Wachstum von 43% zwischen 2020 und 2022 entspricht.
- Fast jede Kategorie im Plant-based-Bereich verzeichnete im Jahr 2022 ein Wachstum. Die am schnellsten wachsenden Kategorien waren pflanzlicher Fisch und Meeresfrüchte, pflanzliche Fertiggerichte, pflanzliche Sahne und Cremes und pflanzliche Desserts.
Quelle: Good Food Institute Europe