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Der Absatz von Wildfleisch profitiert von der stetig wachsenden Nachfrage des Konsumenten nach Natürlichkeit, Qualität, Regio- und Saisonalität. Dazu kommt, dass Wildbret ernährungsphysiologisch als äusserst wertvoll gilt.
Gemäss einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Deutschen Jagdverbands e.V. (DJV) halten 84 Prozent der Deutschen Wildbret für ein gesundes und natürliches Lebensmittel. Mehr als die Hälfte der Deutschen isst das Fleisch mindestens einmal pro Jahr. Schliesslich ist heimisches Wildfleisch besonders fettarm und reich an Eiweiss sowie Mineralstoffen. «Es gehört zu den ursprünglichsten Lebensmitteln überhaupt, sein ökologischer Fussabdruck ist vorteilhaft. Es eignet sich sogar für diätische Ernährung», so DJV-Pressesprecher und stv. Geschäftsführer Torsten Reinwald. Zudem lässt sich Wildbret vielfältig zubereiten: schmoren, garen, kurzbraten oder grillen. «Das grösser werdende Umweltbewusstsein und die öffentliche Kritik an der Massentierhaltung fördern gerade im ökologisch geprägten Lager die Akzeptanz von Wildfleisch aus freier Natur», sagt Karl Berger von Hochländer Wild. Auch wenn sich Wild nicht «Bio» nennen darf, profitiere es vom Bio-Trend.
Viel Luft nach oben
Dem LEH bietet das ein enormes Potenzial, wenn man allein auf den Marktanteil blickt. Auf Basis der Einkaufsmenge hat Wildfleisch laut «GfK Consumer Panel» einen Marktanteil von 0,6 Prozent an Rotfleisch gesamt (MAT April 2023). Und dieser Anteil hat sich in den letzten sechs Jahren kaum verändert. Im deutschen LEH wird Wildfleisch vor allem in Form von Gulasch (35 Prozent), Braten (18 Prozent) und Keule (18 Prozent) angeboten. Sonstige Fleischsorten sind neben Steaks und Filets/Medaillons auch der Rücken. «Die meisten Wildfleischprodukte sind vom Hirsch, gefolgt vom Reh und Wildschwein», so die GfK.
Thomas Maier, Geschäftsführer von Josef Maier, hat die Erfahrung gemacht, dass der Absatz von Hirschfleisch im Herbst für klassische Schmorgerichte am höchsten ist. Und: «Wir erkennen für sogenannte «Special Cuts» wie Rib Eye oder French Rack eine vermehrte Nachfrage aus der Grill- und BBQ-Szene. Produkte vom Wildschwein erfreuen sich gerade zum Start der Wildsaison, zubereitet in herbstlichen Rezepten, immer grösserer Beliebtheit. Beim Reh ist der edle Rücken zum Weihnachtsfest nach wie vor der ungeschlagene Klassiker.» Ein grosser Teil der im Einzelhandel verkauften Mengen wird ihm zufolge von Kunden im Alter von 40 plus gekauft. Wild-Steaks und -Bratwürste werden häufig von jüngeren Kunden nachgefragt. «Die Griller mussten lange davon überzeugt werden, dass sich Wild bestens für den Grill eignet. Jetzt, nach einer langen Überzeugungsphase, scheint mir, ist es angekommen», freut sich auch Karl Berger.
Eine gute Beratung
Dennoch scheint der Aufklärungsbedarf in Sachen Wildbret beim Verbraucher weiter enorm. «Wir stellen fest, dass es noch immer eine gewisse Hemmschwelle gibt und sich besonders jüngere Verbraucher nicht, oder nur bedingt, an Wildfleisch herantrauen. Barrieren sind hier sicher die Zubereitung», so Thomas Maier. Umso wichtiger ist, dass das Verkaufspersonal dem Kunden die Scheu nimmt und ihn für das Gelingen der Wildfleisch-Spezialität fundiert berät. «Manche Verbraucher glauben, dass Wild gleich Gatterwild ist», sagt Karl Berger. Auch hier gilt es also zu informieren und zu verdeutlichen, dass Wild nicht aufgrund der Kundennachfrage gejagt wird, sondern um den Wildbestand unter Kontrolle zu bekommen und zu halten. Schliesslich beeinträchtigen Überpopulationen sonst die natürliche Lebensweise, erhöhen die Übertragung ansteckender Krankheiten und fördern den Verbiss im Wald.
Dass in Supermärkten Importware als Wild angeboten wird, bei dem es sich eigentlich um Fleisch aus landwirtschaftlicher Gatterhaltung handelt, gibt auch Torsten Reinwald nochmals zu bedenken: «Insbesondere bei Hirschfleisch. Hier müssen Verbraucher genau hinschauen beim Einkauf. Wildbret ist ein regionales Produkt. Die verfügbare Menge schwankt von Jahr zu Jahr, da Wildtierbestände von natürlichen Faktoren wie Nahrungsverfügbarkeit und Wetter abhängen.» Zudem gibt es auch Schonzeiten. Folglich darf sich der Verbraucher nicht wundern, wenn er in Fleisch- und Wurstregal sowie Frischetheke nicht immer alles findet. Aber gerade das macht Wildfleisch ja so besonders und qualitativ hochwertig.
Interview
Das Unternehmen Di Gennaro bietet Kunden aus Handel und Gastronomie ein vielfältiges Angebot von italienischer Feinkost und italienischen Weinen. Ein Gespräch über Wildfleisch und dessen Potenzial für den LEH mit Sebastian Eglinski, Leitung Vertrieb Di Gennaro, und Tanja R. Böhm, Leitung Werbung und Unternehmenskommunikation Di Gennaro.
Wie kann der Handel Wildfleisch-Produkte clever positionieren, präsentieren und vermarkten?
Zur Einzigartigkeit des Wildfleisches gehören dessen natürlicher Geschmack, die sehr hohe Qualität und die nachhaltige Herkunft. Storytelling ist effektiv, um die Geschichte hinter dem Produkt zu erzählen und eine emotionale Verbindung herzustellen. Für die Konsumenten ist es wichtig, zu wissen, woher das Fleisch stammt. Durch Verkostungen und Events kann ein aussergewöhnliches Geschmackserlebnis vermittelt und Begeisterung für Wild geweckt werden. Informationen über die Herkunft, die Jagdmethoden und die positiven Auswirkungen des Wildfleischkonsums runden das Einkaufsstättenerlebnis ab. Eine hochwertige Präsentation solch erlesener und exquisiter Produkte kann zudem ein klares Zeichen in Richtung Klasse statt Masse setzen.
Welche Rolle kommt der Beratungskompetenz zu?
Die Beratungskompetenz der Mitarbeiter spielt eine entscheidende Rolle bei der Vermarktung von Wildfleischprodukten. Gut geschultes Personal wirkt kompetent und kann überzeugend auf Kunden zugehen. Es kann Empfehlungen geben und auf individuelle Vorlieben eingehen. Das erhöht die Kundenzufriedenheit, was massgeblich zum Verkaufserfolg beiträgt. Mit seiner «Scuola di Arte e Delizie» bietet Di Gennaro ein Schulungsformat, das spannende Wissensinhalte für eine gute und individuelle Beratung vermittelt.
Wein und Wild – das ist doch eine vielversprechende Paarung! Welches Potenzial bietet Wein dem Handel, wenn es um Wild geht?
Durch eine individuelle Beratung und die damit einhergehende passende Weinempfehlung kann dem Konsumenten ein ganzheitliches und vor allem regionaltypisch-kulinarisches Erlebnis angeboten werden. Dies kann zusätzlich durch Verkostungen und die gezielte Platzierung von Komplementärprodukten erfolgen, die Konsumenten klare Orientierung am Point of Sale bieten. Wissen ist auch hier ein Erfolgsfaktor. Deshalb unterstützen wir mit unseren Feinkost- und Weinfachberatern Kunden dabei, Umsatzpotenziale durch gezieltes Cross-Selling umzusetzen.
Welche Weine passen gut zu Wild?
Bei der Auswahl des passenden Weines spielen die Präferenzen des Konsumenten eine entscheidende Rolle. Favorisiert er einen Wein, der mit dem Wildgericht harmoniert – oder doch eher den geschmacklichen Kontrast? In der Toskana bevorzugt man beispielsweise gut strukturierte, tanninreiche Rotweine mit feiner Säure aus der Rebsorte Sangiovese als Gegengewicht zum kräftigen Wildschweinfleisch. Hierzu zählen Weine aus den DOC-Herkunftsgebieten Chianti Classico, Brunello di Montalcino oder Rosso di Montalcino. In der Emilia Romagna hingegen ist die typische und harmonische Wahl zu fetthaltigen Wildgerichten eintiefroter schäumender Lambrusco, der leicht gekühlt serviert wird und den Geschmack des Wilds unterstreicht. Es kann auch ein trockener Weisswein, mit einer angenehmen Säure, die richtige Wahl beispielsweise zu Wildschweinsalami sein. Es ist ratsam, verschiedene Weissweine zu probieren und herauszufinden, welcher am besten zum persönlichen Geschmack passt.