Foto: girocard
Die bargeldlosen Umsätze im deutschen Handel legen weiter zu. Der allergrösste Teil davon wird mit der girocard beglichen, die jetzt noch leistungsstärker werden soll.
Die Deutschen haben ihr Bezahlverhalten in den Corona-Jahren deutlich verändert und sind nach der Pandemie grösstenteils dabeigeblieben. Sie zahlen immer noch am liebsten mit Karte, und der Bargeldanteil sinkt weiter. Wie sich die Zahlungsgewohnheiten im Detail verschieben und was das für die Systemwahl des Handels bedeutet, zeigt die diesjährige EHI-Studie «Zahlungssysteme im Einzelhandel 2023». Nach den aussergewöhnlichen Zuwächsen in den Pandemie-Jahren normalisieren sich die Anteilsverschiebungen vom Bargeld zur Karte wieder. Aber: «Eine Trendumkehr zurück zu mehr Cash zeichnet sich nicht ab», stellt Horst Rüter, Mitglied der Geschäftsleitung und Zahlungsexperte im EHI, klar.
Karten legen weiter zu
Rund 465 Milliarden Euro hat der Handel 2022 umgesetzt, das ist – inflationsbedingt und bei wieder durchgehend geöffneten Geschäften – ein Plus von acht Prozent (+35 Mrd. Euro) im Vergleich zum Krisenjahr 2021. Bei den Zahlungsarten legte die Kartenzahlung weiter zu. Um 0,9 Prozentpunkte konnte sie ihren Anteil auf 59,7 Prozent ausbauen. Bargeld hingegen ging um einen Prozentpunkt auf 37,5 Prozent zurück. Der Rest des Payment-Kuchens entfällt mit 2,8 Prozent auf Rechnungs- und Finanzkauf sowie Gutscheine und Gutscheinkarten. Bei den Zahlungsmitteln liegt die girocard, bereinigt um Cash-Back-Umsätze (Barauszahlungen des Handels an den Kunden), mit einem Umsatz von 194,7 Milliarden Euro im stationären Einzelhandel (ohne Kfz, Mineralöl, Apotheken, Versand/E-Commerce) ganz klar vorn und kommt damit auf einen Anteil von 41,9 Prozent. Deutlich zulegen, wenn auch noch auf kleinem Niveau, können die neuen internationalen Debit-Karten – Visa Debit und Debit Mastercard –, die vor allem von Direktbanken ausgegeben werden. Ihre Umsätze haben 2022 einen signifikanten Sprung gemacht und ihren Anteil am Handelsumsatz von 0,8 Prozent (3,44 Mrd. Euro) 2021 auf 2,9 Prozent (13,5 Mrd. Euro) fast vervierfacht. «Es ist zu berücksichtigen», betont das EHI, «dass diese neuen Karten ganz im Gegensatz zur girocard nur dort akzeptiert werden, wo auch der Einsatz von Visa- beziehungsweise Mastercard-Kreditkarten möglich ist». Das schliesst nach Einschätzung des EHI 150 000 bis 200 000 Kassen vor allem im mittelständischen Handel aus. Ein Grund, dass zahlreiche Händler die internationalen Karten nicht akzeptieren, sind die im Vergleich zur girocard erheblich höheren Gebühren zu ihren Lasten.
Verband kritisiert Kosten
Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) sieht den Vormarsch der globalen Debitkarten kritisch. «Händlerinnen und Händler beklagen sich zunehmend über steigende Kosten für Kartenzahlungen. Das ist zu grossen Teilen auf die wachsende Zahl an globalen Debitkarten zurückzuführen, für die vergleichsweise hohe betragsabhängige Entgelte zu zahlen sind», sagt Ulrich Binnebössel, HDE-Abteilungsleiter Zahlungsverkehr. Der HDE setzt sich deshalb für eine verpflichtende sogenannte «Co-Badge»-Lösung ein. Danach müssten die Kreditinstitute zwei unabhängige Zahlverfahren auf eine Karte bringen. «Das ermöglicht dem Händler, in Absprache mit dem Karteninhaber die für den jeweiligen Geschäftsvorfall günstigere Zahlungsart zu nutzen», so Binnebössel. Die vom HDE favorisierte Kartenlösung ist die girocard, die von mehr als einer Million Terminals akzeptiert wird. Sie ist mit der gesetzlichen Deckelung auf 0,2 Prozent Entgelt auch kostengünstig für den Handel. Die girocard steht aber vor einigen grundlegenden Änderungen. So können Banken und Sparkassen seit dem 1. Juli 2023 keine neuen girocards mit der von Mastercard seit nunmehr 30 Jahren bereit- gestellten Maestro-Funktion mehr ausgeben, weil Mastercard diese auslaufen lässt. Die Maestro-Funktion wird im Ausland zum Bezahlen und Geldabheben am Automaten benötigt, während im deutschen Handel die girocard-Funktionen zählen. Alle Karten mit Maestro-Funktion behalten aber ihre Gültigkeit bis zum Ablauf der Karte. Viele Banken haben ihren Kunden Karten, die 2023 und 2024 ablaufen, bereits durch neue ersetzt, die mit Maestro bis maximal Ende 2027 genutzt werden können. Andere Banken geben jetzt auch neue girocards mit alternativen Co-Badge-Lösungen wie zum Beispiel V-Card heraus.
girocard 4.0 will Händler begeistern
Interessant für Verbraucher und Handel gleichermassen wird aber eine neue Generation der girocard, die die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) und ihr Gemeinschaftsunternehmen Euro Kartensysteme GmbH (EKS) austüfteln und voraussichtlich Anfang 2024 vorstellen werden. Inzwischen hat deren gemeinsame Informationsplattform «girocard.eu» erste Details der sogenannten «girocard 4.0» veröffentlicht. «Im Rahmen einer innovativen Produkt-Roadmap steht nun die Entwicklung zahlreicher neuer Funktionen für die girocard auf dem Plan – passgenau zugeschnitten auf die Bedürfnisse von Handel und Kundschaft in Deutschland», heisst es bei girocard.eu.
Mobile legt weiter zu
Wie in den Vorjahren ist der Anteil mobiler Bezahlvorgänge via Smartphone oder Smartwatch auch im vergangenen Jahr deutlich gestiegen, wie die EHI-Studie ausweist. Mittlerweile werden 5,4 Prozent aller kartengestützten Bezahlvorgänge mit digital im Smartphone hinterlegter Karte abgewickelt, in den meisten Fällen über Apple Pay, Google Pay oder die Apps der Sparkassen- und Genossenschaftsbanken. Ein Jahr zuvor waren es noch knapp drei Prozent. Das kontaktlose Bezahlen mit der Karte hat aber noch einen grossen Vorsprung. 71,1 Prozent aller Kartenzahlungsvorgänge werden damit bequem kontaktlos und bei Beträgen unterhalb von 50 Euro auch schnell ohne PIN-Eingabe erledigt. In nur noch weniger als einem Viertel der Zahlvorgänge (23,5 %) wird die Karte noch ins Terminal gesteckt.
Kunden schätzen Cash-Back
Der Handel zahlt auf dem Wege des sogenannten «Cash-Back»-Verfahrens auch immer mehr Bargeld an seine Kundschaft aus. Fast 90 Prozent der Lebensmittel- und Drogeriemärkte des EHI-Panels bieten Bargeldauszahlungen an, fast alle über die girocard-Funktionalität. Mittlerweile gehen 12,3 Prozent des vereinnahmten Bargelds an den auszahlenden Kassen des Einzelhandels wieder retour an die Kunden. Die Auszahlungen summierten sich 2022 auf ein Volumen von 10,32 Milliarden Euro. Für diesen Service musste der Handel laut EHI im vergangenen Jahr 13,7 Millionen Euro Gebühren an die Deutsche Kreditwirtschaft überweisen. 0,134 Prozent vom Auszahlungsbetrag beträgt die durchschnittliche Gebühr, die Banken beim Handel für diese Dienstleistung erheben, von der sie selbst profitieren. «Ein Service, der die Banken entlastet und den massiven Abbau von Geldautomaten kompensiert», kommentiert das EHI dieses Modell.