
Foto: R. Rosendahl
Verbraucher wünschen auch beim Einkauf eine gastronomische Versorgung. Wie der stationäre Handel seine Attraktivität mit Gastro-Angeboten erhöht und sich so von der Konkurrenz abhebt. Ein Interview mit Dr. Susanne Eichholz-Klein, Bereichsleiterin der IFH Retail Consultants am IFH Köln.
Rewe hat im Juni bereits ein Restaurant in Köln eröffnet. Unternehmen die Händler aus Ihrer Sicht genug, um das Einkaufserlebnis der Kunden zu erhöhen?
Der Lebensmitteleinzelhandel hat in den letzten Jahren sehr viel unternommen, um das Einkaufserlebnis für die Verbraucher zu erhöhen und das Profil der einzelnen Formate zu schärfen. Wir befinden uns aktuell in einem Trading-Up-Prozess. Insbesondere die Vollsortimenter überzeugen mit Mehrwertansätzen wie Frische, Convenience und Nachhaltigkeit. Das spiegelt sich beispielsweise in den hohen Wachstumsraten der selbstständigen Kaufleute des Rewe, Edeka- und Markant-Verbundes wider.
Gut der Hälfte der Kunden gefiele ein integrierter Backshop mit Sitzgelegenheiten im Supermarkt. Sind Gastro-Konzepte aus Ihrer Sicht eine Möglichkeit, mit der sich der stationäre Lebensmittelhandel gegenüber Online-Handel und Discount differenzieren kann?
Der Lebensmitteleinzelhandel kann sich sicherlich grundsätzlich mit Gastronomie-Konzepten profilieren. Backshops oder Fleischereien in den Vorkassenzonen von Vollsortimentern gehören an vielen Standorten ja auch bereits dazu. Wichtig dabei ist die Allianz von Produkten zum Sofortverzehr und der Möglichkeit, die Produkte auch mitzunehmen.
Welche Services halten Sie im Handel für sinnvoll?
Wichtig ist eine gegenseitige Attraktionssteigerung, d.h. das Angebot muss sowohl zur Zielgruppe als auch zum Gesamtkonzept passen. Modernere Konzepte wie Kaffee-Bars, Bistros, Wein-Bars oder Sushi-Bars liegen derzeit eher im Trend und werden vereinzelt auch bereits umgesetzt.
Worin liegt aus Ihrer Sicht die Herausforderung bei In-Store-Gastro?
Wichtig ist sicherlich eine gute Integration in den Laden mit einer optischen Trennung und einer angemessenen Gastronomie-Atmosphäre, die gleichzeitig zum Laden passt. Auf der anderen Seite dürfen durch die Gastronomie keine Störeffekte wie etwa Küchengerüche auftreten.
Sind die Zielgruppe vor allem Singles und Senioren?
Die Zielgruppe ist sicherlich breiter angelegt und erstreckt sich auch auf Familien, die beispielsweise am Wochenende gemeinsam einkaufen und dann direkt vor Ort auch essen gehen. Weitere Zielgruppen sind Berufstätige und andere Laufkundschaft direkt vor Ort.
Stellt der Gastro-Trend des Handels eine Gefahr für Gastronomie und Gaststätten dar?
Instore-Konzepte stellen auf die Versorgung zwischendurch ab und gehören damit zum weiten Feld der Convenience-Gastronomie, während die klassische Gastronomie stärker anlassbezogen aufgesucht wird und deutliche Spitzen an den Wochenenden verzeichnet. Hier wird – wenn überhaupt eine Verlagerung stattfindet – eher eine Verlagerung innerhalb der unterschiedlichen Convenience-Gastronomieformen vonstattengehen, also zum Beispiel vom Ernährungshandwerk, der Tankstelle oder dem Kiosk/Imbissbetrieb hin zum Lebensmitteleinzelhandel. Nichtsdestotrotz liegen die Wachstumsraten der Convenience-Gastronomie mit einem jährlichen Wachstum von 3,7 Prozent 2000-2013 deutlich über dem Gesamtwachstum der Gastronomie.
Worin liegt der Gastro-Trend aus Ihrer Sicht begründet?
Der Trend zum Außer-Haus-Verzehr hängt in erster Linie mit dem stetigen Auflösen des klassischen Mahlzeitenrhythmus in den Familien und Lebensgemeinschaften zusammen. Das Wachstum des Außer-Haus-Verzehrs fußt auf der Versorgung. Aber Versorgung bedeutet heute nicht nur Hunger stillen, sondern auch Erlebnis, Gesundheit, Familienorientierung und Lifestyle. In Zeiten, in denen Kochsendungen boomen, sind die Ansprüche der Verbraucher auch an die „Zwischendurchversorgung“ gewachsen. Verbraucher wollen quasi im Vorübergehen mit Essen versorgt werden – Essen wird einerseits zur Nebensächlichkeit und gleichzeitig möchten die Verbraucher ihr Essen auch genießen und verwöhnt werden. Im Zentrum steht dabei häufig nicht das Essen selbst, sondern das „Gemeinsame“, d.h. die Kommunikation untereinander, das zusammen Erleben und Genießen.
Wie ist Ihre Einschätzung: Gehen wir in 20 Jahren zum Essen in den Supermarkt?
Der Supermarkt als eine der Gastronomiealternativen wird weiter an Bedeutung zunehmen.