Wenn auch in Zukunft die Weltbevölkerung ernährt und der Lebensraum für künftige Generationen bewahrt werden soll, dann ist Vertical Farming ein wichtiger Baustein im Gesamtkonzept einer nachhaltigen Nahrungsmittelversorgung. Die Vorteile liegen dabei auf der Hand, doch die Erzeugungskosten sind hoch.
Die Idee von Vertical Farming ist nicht neu. Herausforderungen wie der Klimawandel haben diese weiter vorangetrieben. Hinzu kommt die wachsende Population der Weltbevölkerung. Laut der UNO leiden 738 Millionen Menschen an Hunger oder Unterernährung. Die Klimawandelanpassung und die Ernährungssicherheit der Bevölkerung mit ausreichend frischen und gesunden Nahrungsmitteln erfordern einen strukturellen Wandel der Landwirtschaft und eine nachhaltige, effiziente und bedarfsgerechte Pflanzenerzeugung und -nutzung. Hier setzen New Food Systems an. Denn durch neue Technologien kann laut Experten das Versorgungssystem revolutioniert werden, da sie eigenständiger und unabhängiger funktionieren als herkömmliche Anbaumethoden. Ziel der New Food Systems ist es, den Ertrag zu maximieren und zu sichern – ohne dabei ökologische und soziale Faktoren zu vernachlässigen.
Verbesserte LED-Beleuchtungssysteme
Zu den neusten technischen Entwicklungen im Bereich Indoor-Farming gehören laut dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT unter anderem verbesserte LED-Beleuchtungssysteme, die spezielle Lichtrezepte (Intensität und Wellenlänge) umsetzen können. «Dabei wird zum Beispiel an bedarfsgerechter Pflanzenbelichtung geforscht, um nur die Lichtmenge und -farbe an die Pflanze zu geben, die tatsächlich benötigt wird. Daneben sind Sensorsysteme zur Überwachung von Pflanzenwachstum, Umgebungsbedingungen und vor allem auch die Pflanzenqualität zu nennen», berichtet Dr.-Ing. Felix Thoma. Aktuell entwickelt das Institut zerstörungsfreie Messmethoden, um Qualitätsparameter der Pflanzen wie beispielsweise den Inhaltsstoffgehalt nicht-invasiv und in Echtzeit zu ermitteln.
Hohe Erzeugungskosten
Vertical Farming bringt viele Vorteile mit sich. Allerdings sind die Erzeugungskosten sehr hoch. In dem Kontext stellt sich die Frage nach der Rentabilität. Hierzu merkt Johann Waldherr, Business Development Manager Electronic Power & Lighting Solutions, Würth Elektronik an: «Es kommt immer auf die Region und den Use Case an. In Regionen wie Singapur oder Dubai, die vorwiegend Lebensmittel importieren und wo Energie günstiger ist als in Europa, können jetzt schon Lebensmittel in Indoor-Vertical-Farming-Systemen profitabel angebaut werden.» In Europa mit höheren Energiekosten lohne es sich, anwendungsspezifisch zu denken, interessant seien hier zum Beispiel Stecklingsvermehrung oder Algenkultivierung. Vertical Farming lohnt sich nach Ansicht des Geschäftsführers von Würth Elektronik eiSos Alexander Gerfer immer dann, wenn hochwertige Produkte, kurze Transportwege und wetterunabhängige Produktion im Vordergrund stehen. Das gilt zum Beispiel für Ballungsgebiete. «In Indoor-Vertical-Farmen, auf vielen Etagen übereinander, lassen sich auch mitten in dicht besiedelten Grossstädten beispielsweise Salate, Sprossen oder Kräuter anbauen, die schon Stunden nach der Ernte auf dem Teller sind. Das ist bereits heute rentabel», so Alexander Gerfer.
Reduktion des Energieverbrauchs
Eine Lösung, um die hohen Investitions- und Energiekosten im Vertical Farming in den Griff zu bekommen, sieht Dr.-Ing. Felix Thoma in einer Verbesserung der Anbausysteme, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Das könne durch den Einsatz von energiesparender Beleuchtungstechnologie, intelligenter Steuerung von Umgebungsbedingungen (z. B. bedarfsgerechter Belichtung) und verbesserte Materialien (z. B. Isolierung) erreicht werden. Zudem könnten erneuerbare Energiequellen wie Solarenergie in die Farmen integriert werden, um so die Stromkosten zu senken.
Insgesamt kommt es auch darauf an, die Ressourcen so effektiv wie möglich einzusetzen. So bietet Würth Elektronik pflanzenoptimierte LEDs an, die der Photosynthese in jeder Wachstumsphase genau die Wellenlänge liefern, die sie braucht – mit bis zu 70 Prozent geringerem Energieeinsatz als bei konventioneller Beleuchtung. «Wir entwickeln die Spektren so, dass ausgewählte Qualitätsparameter der Pflanze optimiert werden, zum Beispiel bessere Bewurzelung, mehr Sekundärstoffe oder mehr Biomasse. Zusätzlich wird es aus biologischer Sicht wichtig sein, die richtigen Pflanzensorten im Indoor Vertical Farming einzusetzen», erklärt Johann Waldherr. Ebenso wichtig ist die Sensorik vor Ort, die jederzeit für die richtige CO2-Anreicherung, Düngung, Temperatur und Bewässerung sorgt. «Die Beleuchtung kann noch so gut sein, wenn die anderen Parameter nicht passen, wächst die Pflanze nicht», so der Geschäftsführer von Würth Elektronik eiSos. Die Steuerung funktioniert dabei über einen Automationsrechner in der Cloud.
Formate mit Potenzial
Vertikale Farmen können in verschiedenen Formen existieren, darunter hochgestapelte Regalsysteme, vertikale Turmsysteme oder sogar unterirdische Anlagen. Allerdings hängt das Potenzial davon ab, wie effizient Ressourcen genutzt und qualitativ hochwertige Produkte produziert werden können. «Das Schliessen von Stoffkreisläufen ist hier ein wesentlicher Treiber. So entwickelte Fraunhofer UMSICHT beispielsweise mit dem Konzept inFARMING® eine gebäudeintegrierte Pflanzenproduktion, bei der im Gebäude anfallendes Abwasser, Wärme oder für die Pflanzen nötiges CO2 in das Gewächshaus auf dem Dach (umgesetzt im Altmarktgarten in Oberhausen) gespeist werden», sagt Dr. Felix Thoma. Im Verbundprojekt SUSKULT wird die Pflanzenkultivierung ebenfalls nah zum Verbraucher gebracht: Essenzielle Nährstoffe werden aus Abwasser von Kläranlagen rückgewonnen und direkt in der angrenzenden Indoor-Farm zur Verfügung gestellt.
Zukunft der Landwirtschaft
Vertikale Farmen sind eine vielversprechende Ergänzung zur herkömmlichen Landwirtschaft und können dazu beitragen, die Nahrungsmittelproduktion in städtischen Gebieten zu steigern – davon sind die Experten überzeugt. «Sie werden wahrscheinlich nicht die herkömmliche Landwirtschaft vollständig verdrängen oder ersetzen, da sie – zumindest aktuell – auf den Anbau von bestimmten Pflanzenarten wie Blattgemüse oder Kräutern spezialisiert sind», sagt Dr. Felix Thoma. Dem fügt der Geschäftsführer von Würth Elektronik eiSos Alexander Gerfer hinzu: «Massengüter wie Getreide werden wir auf absehbare Zeit wahrscheinlich weiter in konventioneller Landwirtschaft produzieren.» Vor dem Hintergrund des Klimawandels sei es notwendig, innovative Anbaukonzepte zur nachhaltigen und ressourcenschonenden Pflanzenkultivierung zu entwickeln und mithilfe intelligenter Sensorik zu optimieren. Eine wertvolle Ergänzung ist dabei Vertical Farming aber allemal.