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Das Wachstum schwächelt, der Konsument wird heterogener – der Kampf um den Kunden hat begonnen. Differenzierung lautet die Strategie, und dabei bietet das Sortiment beste Möglichkeiten.
Zum einen ist der FMCG-Markt stark fragmentiert. Sprich: Es gibt keine grossen, homogenen Konsumentengruppen mit ähnlichen, gleichbleibenden Bedürfnissen mehr, sondern immer mehr kleinere Zielgruppen mit teilweise auch (schnell) wechselnden Bedürfnissen. Zum anderen wird sich das Konsumklima in den kommenden Monaten und Jahren eintrüben. So skizziert Dr. Marc Knuff, Division Director Retail bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in der Studie «Die Fragmentierung des FMCG-Marktes» die allgemeine beziehungsweise kommende Entwicklung des Lebensmitteleinzelhandels. «Wir sehen schon heute in unserem Consumer Index einige Frühindikatoren, die für diese Eintrübung sprechen. Daher gehen wir auch davon aus, dass sich das Wachstum weiter abschwächen wird», erklärt der Marktforscher.
Damit stehen sowohl der Handel als auch die Markenartikler vor grossen Herausforderungen.
Marken zunehmend unter Druck
Das Ringen um Konsumenten, Shopper und Regalplätze erreicht damit eine neue Spitze. Doch was kann der LEH tun? Im Wettbewerb um die Kunden muss der Handel die eigenen Differenzierungsmerkmale deutlich herausstellen. Insbesondere beim Sortiment sieht Knuff attraktive Differenzierungsmöglichkeiten. Vollsortimenter und SB-Warenhäuser haben traditionell das grösste Sortiment. Von daher seien starke «Herstellermarken», «fantastische Handelsmarken», «innovative Start-ups» sowie «attraktive Exklusivmarken» elementar für eine Sortimentsstrategie. Allerdings wird das Spielfeld der Herstellermarken immer kleiner. Handelsmarken, Start-ups und Exklusivlistungen erhöhen den Druck auf die Hersteller, und somit stehen die Herstellermarken in einem zunehmend stärkeren Wettbewerb.
Vor diesem Hintergrund hat die GfK 2706 Kategorie-Marken aus 33 Kategorien analysiert. Um eine Marke zu klassifizieren zu können, wurden zwei Indikatoren des Erfolgs herangezogen: 1. Veränderung der Penetration als Indikator der «Weite der Marke»; 2. Veränderung der Bedarfsdeckung in der Kategorie über die Marke (Loyalität) als Indikator der «Tiefe der Marke». Das Ergebnis: Nur 19 Prozent der Herstellermarken in Deutschland sind Champion-Marken, aber 33 Prozent sind Burnout-Marken, bedingt durch die Stärke der Handelsmarken. Das bringt Druck auf den Markt – und die Preisspirale dreht sich weiter. Denn: Während Champion-Marken einen höheren Preisabstand zu den Handelsmarken haben, ist er bei den Burnout-Marken wesentlich geringer. Genau darin besteht auch die Gefahr. Wenn die Marke zu nah an der Handelsmarke platziert ist, dann wird die Vergleichbarkeit von Preis und Qualität mehr oder weniger aufgehoben.
Handelsmarken treiben Umsatz
Um allerdings zum Champion zu werden, braucht es laut dem Marktforschungsunternehmen zum einen Loyalität und zum anderen Penetration. Eine Listung beim Discounter wie etwa Aldi kann dazu beitragen, diese auszuweiten und damit zur Champion-Marke zu werden oder zu bleiben. Dadurch werden zwar viele Käufer hinzugewonnen – hier droht aber die Gefahr, dass sich diese neu hinzugewonnenen Konsumenten nicht besonders loyal zeigen. Eine Auslistung kann dazu führen, zu einer Burnout-Marke zu werden. Indes sind Sortimentserweiterungen durch neue Produktvarianten und Innovationen die Erfolgsfaktoren für Champions. Dies erhöht die Chance für Probierkäufe und treibt somit die Penetration. Vor allem Innovationen verschaffen den entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Aber: Qualität schlägt Quantität. «Lediglich Produkte, die beim Verbraucher auch Loyalität erzeugen, überleben dauerhaft im Markt. Eine Portfolio-Erneuerung durch die Abbildung von Konsumentenbedürfnissen und aktuellen Verbrauchertrends ist daher zwingend erforderlich», so Dr. Marc Knuff.
Während Herstellermarken kopiert werden können, bieten Handelsmarken, innovative Start-ups und attraktive Exklusivmarken nach Meinung des Experten Potenzial zur Differenzierung. Dabei sieht er vor allem in der Entwicklung der Handelsmarken einen wichtigen Treiber für den Gesamtumsatz in allen Einkaufsstätten. Ferner ist das Wachstum der Eigenmarken auch stark durch Mehrwert-Handelsmarken getrieben. Dazu merkt der Experte an: «Insbesondere bei seinen Eigenmarken sollte der Handel auf eine stringente und für den Shopper leicht verständliche Eigenmarken-Architektur achten. Zudem sollte er sein Augenmerk darauf legen, wie er neue Trends schnell in seinem Eigenmarken-Sortiment reflektiert.» Denn Händler, die schneller als andere bestimmte Trends aufnehmen, können langfristig einen höheren Marktanteil (als sie sonst bei FMCG haben) realisieren. So hat beispielsweise dm drogerie-markt im März 2018 die Exklusivmarke «Langhaarmädchen» auf den Markt gebracht. Der MARKANT Partner hat früh erkannt, dass der Anteil der Frauen mit langen Haaren wächst. Mit Produkten, abgestimmt für diesen speziellen Bedarf, präsentiert sich das Unternehmen somit nun auch als «Problemlöser».
Letztlich bieten auch Start-ups für den Handel Möglichkeiten zur Differenzierung. Denn aus Sicht des Handels haben die Markenartikelhersteller an Innovationskraft verloren. Hingegen werden immer mehr wichtige Innovationen von kleinen Start-ups getrieben. Und dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der jüngeren Generationen – sprich der Generation X und den Millennials – nach Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Vor allem aber sind Start-up-Käufer wertvolle Käufer. Denn: Der Ausgaben-Index je Haushalt im Bereich FMCG liegt bei den Start-up-Käufern bei 120. Sprich, diese Zielgruppe gibt 20 Prozent mehr für FMCG aus als die Nicht-Start-up-Käufer.
Exklusives revitalisiert Kategorie
Auch auf Exklusivmarken sollte der Handel sein Augenmerk lenken. Dabei stehen ihm zwei Wege offen: Zum einen kann er Top-Marken aus dem Ausland bei sich im Markt einführen. Zum anderen macht eine Zusammenarbeit mit Start-ups Sinn. Doch bei beidem ist ein gutes Trend-Scouting unabdingbar. Dass innovative Marken dabei zu einer Revitalisierung des Geschäfts beitragen können, zeigt folgendes Beispiel. Mitte 2017 hatte Rossmann die US-Kosmetikmarke Revlon exklusiv im deutschen Markt eingeführt. Das Ergebnis: Der MARKANT Partner verzeichnete bei Kosmetik im Vergleich zum Vorjahr ein Umsatzplus von 12 Prozent. Damit ist das Unternehmen stärker gewachsen als der Markt (+2,1 %). Auch den Marktanteil bei der Dekorativen Kosmetik konnte Rossmann auf 36,1 Prozent steigern (2017: 32,9 %).
Fazit: Die Konzepte und Layouts von Stores, die Markensprache und Preisstrategien sind kein Garant für Einzigartigkeit. Differenzierung und damit Profilierung lässt sich insbesondere mit dem Sortiment erreichen. Hierbei gilt es, auf Champion-Marken zu setzen, frühzeitig Trends zu erkennen und im Portfolio abzubilden, das Sortiment innovativ zu halten und das Thema Loyalität am POS voll auszuspielen