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Linsen bedienen gleich mehrere aktuelle Food-Trends. Das macht sie für Verbraucher und damit für den Handel besonders attraktiv. Das Wertschöpfungspotenzial ist hoch.
Linsen gelten als kulinarische Wiederentdeckung. Nicht nur die Gastronomie setzt auf die Hülsenfrüchte, auch die Verbraucher greifen verstärkt zu Linsen. So heißt es etwa bei Seeberger: „Früher galten sie als Arme-Leute-Essen, heute werden Linsen als Alleskönner unter den Hülsenfrüchten gesehen.“ Die Global Foods Trading GmbH (GFT) ergänzt: „Vor allem seit Beginn des Vollwert-Trends gelangen Linsen wieder zu neuen Ehren und längst sogar bei Meisterköchen in den Topf.“
Umsatzwachstum bei 12 Prozent
Dieser Trend macht sich auch in den Marktzahlen bemerkbar: Laut einer Erhebung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) beträgt das Umsatzwachstum von Linsen im Handel aktuell zwölf Prozent. „Damit haben sie das Wachstumstempo von sieben Prozent der vergangenen vier Jahre noch einmal deutlich gesteigert und stellen ein zunehmend interessantes Potenzial für den Handel dar“, teilt die GfK mit. Das gelte sowohl für Linsen in der Konserve, die derzeit mit 15 Prozent sogar noch kräftiger zulegten, als auch für „frische“ Linsen. Diese verzeichneten einen momentanen Zugewinn von zehn Prozent.
Dass es nicht mehr nur die deftigen Eintöpfe sind, für die deutsche Verbraucher Linsen verwenden, das liest sich an weiteren Erhebungsdaten der GfK ab und erschließt für den Handel interessante Chancen, die es zu nutzen gilt. So seien es neuere, innovative Sorten, die den Trend machten. „Besonders die roten (geschälten) Linsen haben aufgrund ihrer Convenience-Eigenschaften mit einem jährlichen Wachstum von rund 17 Prozent in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt und haben Tellerlinsen als umsatzstärkste Sorte überholt.“ Auch die kleineren, besonders für Salate geeigneten Beluga- und Berglinsen entwickelten sich umsatzmäßig hervorragend. Das zeigen auch die Zahlen von Nielsen, die für Beluga- und Berglinsen ein Umsatzwachstum von bis zu 17,4 Prozent im vergangenen Jahr ausweisen. „Beide bieten zudem aufgrund ihres deutlich höheren Preises gute Wertschöpfungspotenziale für den Handel“, ergänzt die GfK.
Linsen interessant für Sportler, Vegetarier und Gesundheitsbewusste
Die gestiegenen Zahlen machen sich bei den Lieferanten bereits bemerkbar: So verzeichnet etwa das Unternehmen Bak Kardesler eine „Steigerung der Umsatzzahlen bei Hülsenfrüchten beziehungsweise Linsen“. Den Grund für die Entwicklung sehen Bak Kardesler und andere Unternehmen im derzeitigen Fitness-Trend sowie im Trend zu gesunder, biologisch geprägter, veganer und vegetarischer Lebensweise. Für Veganer und Vegetarier stellen Linsen einen wichtigen Fleischersatz dar, weil ihr Proteingehalt laut Alb-Gold Teigwaren so hoch ist wie bei keinem anderen pflanzlichen Lebensmittel, teils sogar über dem von Fleisch liegt.
Linsen gelten zudem als wichtige Nährstoff- und Vitaminquellen sowie als cholesterinsenkend. Für Allergiker sind sie attraktiv, weil sie glutenfrei sind. All das fasst GFT wie folgt zusammen: „Linsen zählen zu den vielseitigsten Lebensmitteln, die gleich mehreren aktuellen Food-Trends eine kulinarische Basis bieten.“ So erreicht der Handel mit seinem Linsen-Sortiment derzeit eine breit gefächerte Zielgruppe. Zum einen werden laut Alb-Gold Teigwaren diejenigen angesprochen, die Linsen seit ihrer Kindheit kennen und vor allem mit einheimischen, traditionellen Gerichten in Verbindung bringen. Zum anderen sind es die jungen, bewussten Esser, für die Anbieter wie Bonduelle oder Alb-Gold Teigwaren moderne Rezeptideen auf der Homepage bereithalten – etwa einen Sommersalat mit Linsen oder Dorade im Salzmantel mit Alblinsen-Radieschen-Vinaigrette.
Linsen "Made in Germany"
Bei der Vermarktung bietet es sich aber nicht nur an, mit modernen Rezeptideen Impulse zu setzen, um den Abverkauf zu fördern. Ebenso wichtig ist es bei Linsen, auf die Attribute „bio“ und „regional“ zu achten. Wie mehrere Anbieter beobachten, spielen die Siegel eine große Rolle bei der Kaufentscheidung der Kunden. „Vor allem dann, wenn es sich um Produkte handelt, die nicht aus regionalen Gefilden stammen, wird das Bio-Label schnell zum entscheidenden Kriterium bei der Produktwahl“, heißt es bei Biozentrale.
Zwar sind sie eine Seltenheit, aber Linsen aus der Region – aus Deutschland – gibt es tatsächlich. Hauptlieferant ist die Öko-Erzeugergemeinschaft Alb-Leisa. Daneben pflanzen etwa Bauern in Bayern und Brandenburg Linsen an, wie den Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu entnehmen ist. Laut Statistiken und laut Woldemar Mammel, Gründer von Alb-Leisa, werden immer mehr Linsen in Deutschland angebaut. Dennoch schätzt Mammel, dass deutsche Erzeuger bislang erst 0,5 bis ein Prozent des Linsen-Bedarfs der Deutschen abdecken. Der Rest, rund 20.000 bis 25.000 Tonnen, würden vor allem aus Kanada, Indien, der Türkei, Australien und den USA importiert.
Vertrauen und Transparenz spielen große Rolle
Die Dimensionen macht Mammel am eigenen Beispiel klar: „Auf der Schwäbischen Alb bewirtschaften wir rund 250 bis 300 Hektar. Das ist in Kanada ein kleiner Durchschnittsacker.“ Durch fehlende Synergieeffekte bei Infrastruktur und Logistik sei der deutsche Linsenanbau im globalen Vergleich recht teuer. Demgegenüber stellt Mammel die qualitativen Vorteile, die Linsen aus Deutschland mit sich bringen: Etwa seien sie alle, ob Bio oder nicht, weniger belastet vom Unkrautbekämpfungsmittel Glyphosat als Linsen aus anderen Ländern. „Bei Linsen aus dem Ausland weiß man oft gar nicht, wie stark belastet sie sind.“ Ein weiteres Argument für den Verzehr deutscher Linsen hat Dr. Joachim Raupp vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg parat: „Man kann davon ausgehen, dass sie Gentechnik-frei angebaut worden sind“, sagt der Experte für Pflanzenbau und Körnerleguminosen. Ferner sind sich beide Experten einig, dass durch den Kauf von heimischen Linsen die Region gefördert und die Transportwege kurz gehalten werden. Zudem versorge die Pflanze die heimischen Ackerböden auf natürliche Weise mit dem wichtigen Dünger Stickstoff. Dies wiederum liefert dem Handel entscheidende Argumente für den erfolgreichen Verkauf heimischer Linsen. Denn Transparenz und Nachhaltigkeit sind für den Verbraucher mittlerweile entscheidende Kaufargumente.
Dem fügt Mammel hinzu: „Wenn wir dem Verbraucher die Gründe für die Kosten und die Vorteile heimischer Linsen klarmachen, sind sie meist bereit, den Preis zu zahlen.“ Das lässt sich auch an den Nielsen-Zahlen ablesen: Zwar ist im vergangenen Jahr der Absatz von Linsen leicht zurückgegangen, der Umsatz aber dennoch gestiegen. Dementsprechend spielt die richtige Präsentation der Linsen eine wichtige Rolle. Alb-Gold etwa rät zu einer „aktiven Vermarktung mit Fokus auf gesunder, zukunftsorientierter Ernährung“. Die Biozentrale empfiehlt, den Verbrauchern Hilfestellung zu bieten – sei es durch Rezepte oder Zubereitungsanleitungen. „Häufig kennen die Verbraucher die genauen Geschmacksunterschiede gar nicht und sollten deshalb auch darüber informiert werden“, teilt Bonduelle mit. Themenwelten und Blockplatzierungen, etwa unter den Aspekten bio, vegan oder glutenfrei, seien ebenfalls ein guter Weg. In Verkostungen sieht Bak Kardesler ein probates Mittel, um den Konsumenten Linsen näherzubringen.
Last but not least lässt sich mit Linsen aber noch weiterer wichtiger Trend bedienen – der Convenience-Trend, auf den die Hersteller bereits reagiert haben: So bietet etwa GFT zwei Fertiggerichte mit Linsen sowie Chips aus Linsenmehl an. Bonduelle ist mit Linsen in der Dose erfolgreich, die „schon fertig gegart sind und direkt verzehrt werden können.“ Rila hat unter der Marke Rinatura Linsenbratlinge auf den Markt gebracht und Alb-Gold Teigwaren Dinkelmaultaschen mit Linsenfüllung aus Alblinsen.
Interview
Woldemar Mammel, Gründer der Öko-Erzeugergemeinschaft Alb-Leisa, über die Qualitätsvorteile deutscher Linsen.
Herr Mammel, welche Gründe gibt es für die Verbraucher, deutsche Linsen zu kaufen?
Selbst nicht biologisch erzeugte Linsen sind hierzulande wenig belastet vom Unkrautbekämpfungsmittel Glyphosat, da seine Verwendung in Deutschland kurz vor der Ernte nicht mehr erlaubt ist. Bei Linsen aus dem Ausland weiß man oft nicht, wie stark belastet sie sind. Außerdem werden durch den Kauf heimischer Linsen die Transportwege kurz gehalten und die Region gefördert. Die Linsenpflanze spielt auch für den Erhalt der landwirtschaftlich genutzten Flächen eine große Rolle: Sie versorgt die Böden auf natürliche Weise mit dem wichtigen Dünger Stickstoff. Damit sind Linsen in der so genannten Fruchtfolge sehr nützlich. Fruchtfolge bedeutet, dass man auf einem Acker über die Jahre hinweg sich abwechselnde Feldfrüchte anbauen sollte, damit der Boden nicht ausgelaugt und damit unfruchtbar wird.
Wie preissensibel sind die Verbraucher in Bezug auf Linsen?
Wenn wir dem Verbraucher die Gründe für die im weltweiten Vergleich höheren Kosten und die Vorteile heimischer Linsen klarmachen, sind sie meist bereit, den Preis zu zahlen. Tatsächlich können wir nicht so viele Linsen liefern wie bei uns angefragt werden.
Hauptexportländer sind Kanada, Indien und die Türkei, gefolgt von Australien und den USA. In Europa ist Spanien das größte Anbaugebiet, gefolgt von Frankreich und Russland, wobei die drei Länder als Exporteure aber keine so große Rolle spielen wie die bereits genannten. Frankreich ist übrigens für seine Puy Linsen weltberühmt, die in der Region Puy de Dôme in der Auvergne angebaut werden. Auch werden Linsen in Südamerika und vereinzelt auf kleinen Mittelmeerinseln, zum Beispiel in Italien oder Griechenland, angebaut.
Welche Sorten bauen Sie auf der Schwäbischen Alb an?
Seit Gründung der Erzeugergemeinschaft 1985 bauen wir die so genannte Green French an. Dabei handelt es sich um eine dunkelgrün marmorierte Linse.
Seit 2011 bauen wir die Linsen an, die traditionell in den vergangenen Jahrhunderten auf der Schwäbischen Alb angebaut wurden, aber deren Samen lange Zeit verschollen waren: Es handelt sich dabei um die Späth-Linse Nr. 1 und die Späth-Linse Nr. 2, die wir in der Wawilow-Saatgutbank in St. Petersburg wiederentdeckt haben. Alle drei Sorten verkaufen wir als Vollkorn-Linsen, also nur ungeschält, denn der Geschmack sitzt vor allem in der Schale. Dies entspricht auch der deutschen Linsentradition. Die ungeschälten Linsen haben später die Türken mitgebracht und damit unsere Essgewohnheiten beeinflusst.
Was sind die ackerbaulichen Besonderheiten von Linsen?
Die Linse ist eine recht anspruchslose Pflanze, deswegen wächst sie auch auf kargen Böden wie den Böden hier auf der Schwäbischen Alb. Grundsätzlich stammen Linsen aber wohl ursprünglich aus dem Mittelmeerraum oder Kleinasien. Sie brauchen sommertrockenes Klima, das macht den Linsenanbau zum Risiko. Ist es hier zu nass, kann es zu großen Ernteausfällen kommen.
Linsen werden bei uns in Deutschland gemeinsam mit einer Stützfrucht angebaut, weil sie sonst bei der Nässe, die hier manchmal herrscht, knicken würden. Dies ist aber eine ackerbauliche Besonderheit in unserem Land, in anderen Ländern werden sie als Monokultur angebaut. Als Stützfrucht eignen sich etwa Gerste oder Hafer, da sie in etwa zur gleichen Zeit reif sind wie Linsen. Die Pflanzen werden gemeinsam abgeerntet und recht energieintensiv getrocknet. Danach werden die Körner der zwei verschiedenen Pflanzen in einem recht aufwendigen Verfahren voneinander getrennt. In Kanada oder den USA wird oft die chemische Trocknung vorgezogen: Hierbei besprühen die Bauern die Linsen auf dem Feld sieben bis 14 Tage vor der Ernte mit Glyphosat. Die Pflanzen sterben ab und sind dann bereits bei der Ernte trocken.