Raus aus dem Trott

Donnerstag, 06. Oktober 2016
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Die Arbeitswelt tickt heute anders als noch vor 20 Jahren. Wer auch in Zukunft erfolgreich sein will, muss dies verstehen: Es geht nicht um Jung oder Alt, sondern um unterschiedliche Werte in Bezug auf Arbeit und Führung. Dr. Steffi Burkhart, Autorin, Speakerin und Expertin Generation Y, über die Herausforderungen, die Generation Y als Mitarbeiter zu gewinnen und was dafür nötig ist.

Frau Burkhart, was ist in einer zunehmend digitalisierten und globalisierten Welt notwendig, um als Arbeitgeber attraktiv für den Nachwuchs zu sein?
Es ist wichtig, am Puls der Zeit zu sein. Es gilt, den Menschen, die Mitarbeiter viel mehr in den Mittelpunkt zu stellen als in der Vergangenheit.  

Was sind die Erfolgsfaktoren für einen gelungenen Übergang in die neue Arbeitswelt?
Sich wirklich auf den Wandel einzulassen. Das fängt aber nicht erst bei den anderen an, sondern bei sich selbst. Dies vergessen viele, ob Vorstände, Führungskräfte oder Mitarbeiter.

Warum sollten sich die Unternehmen vor diesem Kontext auf eine Machtverschiebung hin zum Bewerbermarkt einstellen?
Die Babybommer, die heute 50- bis Mitte 60-Jährigen, gehen in den nächsten Jahren in Rente. Dann werden viele Arbeitsplätze frei, vor allem auch Entscheider-Positionen. Unternehmen sollten sich auf diese Herausforderung gut vorbereiten. Eine Hauruck-Aktion sollte das nicht werden, sonst enden wir in einer ähnlichen Negativspirale wie in der Vergangenheit. Dort wurden beste Mitarbeiter in Teams in Führungspositionen befördert. Dann waren sie Führungskraft von heute auf morgen, ohne genau zu wissen, was sich dadurch wirklich verändert. Das Resultat: Viele unzufriedene Mitarbeiter.

Neben Entscheiderpositionen werden auch andere Arbeitsplätze frei. Was bedeutet dies für Unternehmen?
Prognosen der Bundesagentur für Arbeit gehen davon aus, dass wir bis zum Jahr 2025/2030 etwa drei bis vier Millionen Arbeitsplätze nicht mehr nachbesetzen können, da zu wenige junge Menschen nachkommen. Dann sprechen wir nicht mehr von einen „Kampf um Talente“, sondern „Kampf um Mitarbeiter“. Der Nachwuchs wird dann dorthin gehen, wo es ihm am besten gefällt, wo er die beste Unternehmens- und Führungskultur vorfindet und sich auch am besten entwickeln kann.

Wie tickt die Generation Y im Bezug auf Arbeit?
Das Next-Practice-Institut hat eine Studie zum Wertesystem der Generation Y in Bezug auf Arbeit durchgeführt. Als Ergebnis kam heraus: Diese Generation ist in zwei komplett gegensätzliche Lager gespalten. Die eine Hälfte ist sehr freiheitsliebend, strebt nach Autonomie, flachen Hierarchien, will sich vernetzen, versteht Arbeit als persönlichen Lernweg, will experimentieren, und verhält sich lieber unkonventionell. Auf der anderen Seite gibt es die „Sicherheitsgruppe“, die eher nach traditionellen Werten und Mustern lebt. Sie strebt nach Strukturen, Jobsicherheit, Zielsicherheit, Karrieremöglichkeiten und befürwortet klare Hierarchien.

Welches Fazit ziehen Sie daraus?
Generation Y besteht nicht nur – wie oft behauptet – aus der ersten Gruppe. Umso wichtiger ist es, bei der Ansprache junger Menschen darauf zu achten, wer vor einem steht. „Du kannst dich hier selbst verwirklichen und deine Zeit frei einteilen“ wirkt auf den einen super motivierend und schreckt den anderen ab. Letzterer lässt sich eher motivieren über klare Strukturen, Vorgaben und Zielsetzungen.

Welche Hürden begegnen der Generation Y auf dem heutigen Arbeitsmarkt?
Das ist ganz unterschiedlich und ist von Person zu Person abhängig. Häufig sagen junge Leute, sie fühlen sich von dem stark hierarchischen Denken und Handeln eingeschränkt und fühlen sich von Aussagen wie „Das haben wir schon immer so gemacht oder „Das haben wir vor zehn Jahren mal probiert und es hat damals schon nicht funktioniert“ ausgebremst und demotiviert. Oft wird auch die digitale Ausstattung oder das fehlende digitale Verständnis älterer Kollegen oder Chefs kritisiert. Bei größeren Organisationen klagen junge Menschen häufiger auch über eine mangelnde Vernetzung über Abteilungen und Standorte hinweg.

Was können Unternehmen tun, um das Denken und Handeln junger Mitarbeiter besser verstehen zu können?
Um das Denken und Handeln junger Menschen nachvollziehen zu können, müssen wir auch verstehen, welche gesellschaftlichen Trends auf uns wirken. Sie beeinflussen junge Menschen und werden von der Jugend selbst auch beeinflusst. Demnach sind junge Menschen ein wichtiger Treiber für den Kulturwandel, den wir aktuell in der Gesellschaft und Arbeitswelt durchlaufen.

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Info

Trends wie Konnektivität, Individualismus und Konsum beeinflusst die Generation Y und werden von der Jugend selbst auch beeinflusst.

Konnektivität
Digital vernetzt zu sein, ist aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Wir sind 24/7 online und automatisch über digitale Medien mit anderen vernetzt. Wir leben digital! Und damit sind Digital Natives Vorreiter des digitalen Wandels und treiben die zunehmen Dynamik und Komplexität mit an. Junge Menschen erwarten in der Arbeitswelt eine netzwerkartige Informations- und Kommunikationsarchitektur. Stark hierarchische Strukturen mit einer top-down Steuerung werden von Digital Natives abgelehnt.

Individualismus
Wir leben in einer Zeit der Multioptionalität, das ist Fluch und Segen zugleich. Segen deshalb, weil wir so viele Freiheiten haben, unser Leben selbst zu gestalten, wie nie zuvor. Selbstverwirklichung ist auch für viele junge Menschen ein strebsames Ziel. Und in einer Zeit, in das Modell der Arbeitsplatzsicherheit immer mehr bröckelt, ist ein wichtiger Sicherheitsanker im Leben junger Menschen die persönliche Weiterentwicklung. Stillstand ist Gift. Deshalb wollen vor allem gute junge Leute den Arbeitsplatz wechseln, wenn sie nicht gut geführt, gefördert und entwickelt werden. Die Kehrseite: Wir beobachten bei vielen jungen Menschen, dass etwa 30 Prozent der Studenten in den öffentlichen Dienst wollen. Sie fühlen sich in Zeiten hoher Flexibilität unsicher und orientierungslos fühlen.  

Female-Shift
Frauen sind heute sehr selbstbewusst und haben in einigen Ausbildungen ihre männlichen Kollegen überholt. Immer mehr Frauen wollen Karriere machen und streben Führungspositionen an. Dadurch lösen sich auch geschlechterspezifische Rollenbilder und Karrierepläne auf. Das traditionelle Rollenverständnis zwischen Mann und Frau wird zum Randmodell. Leider sind Frauen in Führungsetagen immer noch Seltenheit. Ein Umdenken in Entscheider-Positionen wäre wünschenswert und vor allem zeitgemäß. 

Der Y-Konsum
Junge Menschen sind anspruchsvoll. In einer digital vernetzten Welt fordern sie passgenaue Dienstleistungen, die zu jeder Zeit erreichbar ist. Sie fordern mehr Ehrlichkeit und mehr Service. Unser Leben wird zur Gestaltungsaufgabe. Umso relevanter werden Meta-Services, die uns bei der Gestaltung unterstützen. Es findet ein Wechsel statt vom Zielgruppenansatz hin zu einem situativen Konsum. Das wird die Welt der Dienstleistungen und Produkte komplett verändern. Für Anbieter bedeutet das: Sie müssen ihre Kunden gut kennen, mit ihnen kommunizieren, sie als Co-Producer teilhaben lassen und sie unterstützen. 

Ewiges Lernen
„Mach Abi, geh zur Uni, dann hast du einen sicheren Job fürs Leben“, diese Aussage hat mir der heutigen Realität nichts mehr zu tun. Die Internationalisierung ökonomischer Beziehungen fördert den Wettbewerb und somit den Leistungsanspruch an Erwerbstätige. Darüber hinaus führt die zunehmende Automatisierung von Arbeitsabläufen zu einem Rückgang von Routinetätigkeiten und steigern die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften. Lebenslanges Lernen wird zu einem wichtigen Teil nachrückender Generationen, um in einem zunehmend unsicheren Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben.

Bio-psycho-soziale Führung
Unabhängig von Generationen fühlen sich Erwerbstätige nicht ausreichend wertgeschätzt und ernst genommen. Die Motivation lässt zu wünschen übrig. Im Gegenteil, Mitarbeiter fühlen sich ausgelaugt – die Effizienzzitrone in Unternehmen ist ausgequetscht. Der Wunsch nach mehr Lob, Anerkennung und Mitspracherecht steigt. Vor allem die Digital Natives setzen das von Führungskräften voraus. Sie wollen gefördert und entwickelt werden und erwarten eine Kommunikation auf Augenhöhe. Überlegen Sie sich als Führungskraft, wie Sie auf die Grundbedürfnisse Ihrer Mitarbeiter mehr einzahlen: Eigene Kompetenzen einbringen, mehr Selbstbestimmung und ein aktiver guter Austausch zu anderen.

Quelle: Steffi Burkhart, Expertin für die Generation Y

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