Mehr Zeit für den Job

Dienstag, 07. März 2017
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Papierkram hält vom eigentlichen Job ab - und kostet die Wirtschaft 99 Milliarden Euro pro Jahr, haben Experten berechnet. Sie fordern ein Umdenken in der Personalführung. 

Keine Zeit für den eigentlichen Job? Fast jeder kennt diese unbefriedigende Situation: Papierkram muss erledigt werden, Abläufe werden immer komplexer, für die Kernaufgaben bleibt viel zu wenig Zeit. Welche Folgen das hat, zeigt die aktuelle Work.Engaged-Studie der Workforce-Management Beratung Kronos. Danach verbringen Beschäftigte in Deutschland 2,8 Stunden pro Woche mit überflüssigen Verwaltungsaufgaben. Wenn man vom durchschnittlichen Jahresgehalt in Deutschland ausgeht, kostet diese „verschwendete“ Zeit jedes Unternehmen knapp 2300 Euro pro Mitarbeiter und Jahr – oder 99 Milliarden Euro für die gesamte deutsche Wirtschaft. Ein weiteres Problem: Weil Mitarbeiter sich zu wenig auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, sinken Zufriedenheit und Motivation, was die Produktivität zusätzlich bremst. Laut Studie schätzen sich knapp zwei Drittel der Beschäftigten als wenig produktiv ein. 60 Prozent wollen sich wieder mehr auf ihre eigentliche Aufgaben konzentrieren, 52 Prozent wünschen sich mehr Zeit für die Planung strategischer Themen  – was vor allem für Führungskräfte wichtig ist.

Moderne EDV kann helfen 

Die gute Nachricht: Das hohe Pensum an administrativen Aufgaben ist keine Kröte, die geschluckt werden muss, sondern lässt sich sehr wohl reduzieren. Zum einen durch den Einsatz moderner EDV, zum anderen durch einen verstärkten Fokus auf Motivation und Engagement der Mitarbeiter. „Unternehmen müssen Ressourcen und Budget in die Hand nehmen, um ihren Leuten ein erfüllendes, weniger komplexes, dafür transparentes Arbeitsumfeld zu bieten, das sich wirklich lohnt“, so ein Fazit der Work.Engaged-Studie. Entscheidend für diesen Prozess seien folgende Fragen: Worauf legen die Mitarbeiter am meisten Wert? Welche Technologien, Weiterbildungen und Prozesse können sie erfolgreich unterstützen? Was verbessert die Work-Life-Balance? Was die Leistungsbeurteilung – für den Mitarbeiter genauso wie für die Führungskraft? „Noch werben Firmen lieber neue Mitarbeiter an, anstatt sich um die Top-Talente zu kümmern, die bereits an Board sind“, erklärt Ralf Lommel, General Manager Kronos Continental Europe. „Ein Umdenken, gerade im Führungsbereich, ist angesagt.“

Freiraum für die wichtigen Dinge

Für einen einfacheren Arbeitsalltag und mehr Mitarbeiterengagement setzen die Workforce-Manager von Kronos in acht Bereichen an. Zuerst gehe es darum, manuelle Verwaltungsaufgaben zu eliminieren, erklärt Lommel, etwa die Erfassung von Anwesenheitszeiten, Urlaubstagen oder Überstunden. Mit moderner EDV lassen sich diese Prozesse automatisieren, was Mitarbeiter und Vorgesetzte entlastet. Dadurch verschaffe man, Punkt zwei, Führungskräften auch den nötigen Freiraum, um ihre Mitarbeiter zu coachen oder neue Initiativen zu entwickeln. Wichtig sei zudem Vorschriften elektronisch gestützt zu standardisieren. Abwesenheiten oder Schichteinteilungen würden so fair über alle Abteilungen erfasst und alle Mitarbeiter gleich behandelt: ein großer Pluspunkt für die Arbeitszufriedenheit. Weitere Bereiche zielen auf eine bessere Einsatzplanung: „Es ist frustrierend ständig für kranke Kollegen einzuspringen und zusätzlichem Stress ausgesetzt zu sein“, sagt Ralf Lommel. Computergestützte Personaleinsatzplanung könne helfen Mitarbeiter optimal einzusetzen und ungeplante Abwesenheiten aufzufangen. Genauso wichtig ist aber auch die Motivation. Unternehmen sollten etwa Beschäftigten einen klaren Karrierepfad bieten und die Wirkung jedes Einzelnen auf den Unternehmenserfolg sichtbar machen. „Tools wie Dashboards oder andere Online-Informationen können dafür sorgen, dass Mitarbeiter die Zusammenhänge zwischen der Unternehmensleistung insgesamt und ihrer eigenen Leistung besser verstehen“, sagt Lommel.

Emotionale Verbundenheit schaffen 

Motivierend wirke sich zudem aus, wenn die tägliche Arbeit mit mehr Verantwortung und Kompetenzen ausgestattet ist. Sogenannte „Self-Service-Tools“ können hier den benötigten Freiraum schaffen, etwa indem über Mobilgeräte bevorzugte Schichten und Verfügbarkeiten kommuniziert werden. Worforce-Management-Experte Lommel: „Lassen Sie Ihren Mitarbeitern mehr Freiräume und geben Sie ihnen ein Mitspracherecht. So können Sie eine emotionale Verbundenheit schaffen, die Loyalität und Engagement fördert.“ Voraussetzung dafür ist allerdings eine Kultur des Vertrauens. Eine Ressource, die in deutschen Unternehmen bislang viel zu wenig genutzt wird, wie eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young zeigt: Danach vertrauen nur 47 Prozent der deutschen Beschäftigten ihrem Vorgesetzten, knapp ein Drittel macht lediglich Dienst nach Vorschrift. 

Mangelndes Vertrauen als Leistungsbremse

„Fehlt das Vertrauen halten Mitarbeiter und Vorgesetzte im schlimmsten Fall Leistungen zurück“, warnt Martin Beims, geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Aretas. Verhindern lasse sich das durch eine Unternehmenskultur und Führungsstil, die auf den drei psychologischen Grundlagen des Vertrauens basieren: selbst Vertrauen schenken, eine klare Ausdrucksweise und Authentizität. Damit Vertrauen dauerhaft bestehen bleibe, sollte etwa ein gemeinsames Verständnis über zu erreichende Ziele und die dafür notwendigen Schritte vorhanden sein, erklärt Beims. „Noch wichtiger ist jedoch, dass Entscheidungen nachvollziehbar und plausibel sind und mit dem gemeinsam vereinbarten Weg übereinstimmen.“

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Interview

Wie moderne EDV und gute Führung die Produktivität steigern können, erklärt Ralf Lommel, General Manager Continental Europe bei der Workforce-Management Beratung Kronos.

Herr Lommel, wo genau lassen sich mit moderner Software Produktivitätslücken schließen?
Besonders im Bereich der Personaleinsatzplanung und Zeiterfassung können moderne Technologien große Unterschiede machen, die letzten Endes positiven Einfluss auf die Produktivität haben. Das Ziel ist, die richtigen Leute, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu haben. Das kann wiederum durch die richtige Technologie automatisiert werden.

Wie könnte eine solche Lösung für den Handel aussehen?
Ein Händler mit mehreren Filialen kann etwa sein Personal mit Hilfe eines zentralen Systems viel leichter sinnvoll planen und darüber auch sicherstellen, dass die Mitarbeiter dort eingesetzt werden, wo sie den besten Job machen können. Eine Analyse der vielen verfügbaren Unternehmens- und Personaldaten hilft ihm dabei, die tatsächlich nötige Anzahl an Arbeitskräften zu bestimmen. So zeigt sich etwa, ob an einem Standort eventuell zu viele Mitarbeiter im Einsatz sind, während es an einem anderen möglicherweise an Personal mangelt, Stoßzeiten lassen sich besser bewältigen. Unternehmen mit ausgewiesenem Kundenservice können ihren Kunden einen verbindlichen Termin für ihr Anliegen bieten und für genau diesen Zeitpunkt entsprechend Personal einplanen – das zahlt auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter genauso ein wie auf die der Kunden.

Wie engagiert jemand arbeitet, liegt oft auch am Vorgesetzten. Wie lässt sich Führung verbessern?
Selbstbestimmteres Arbeiten, ob zu Hause oder unterwegs, spielt eine zunehmend wichtige Rolle. Künftig ist eine veränderte Führungskultur gefordert: Vertrauen statt Kontrolle. Vor allem Konzerne stehen vor der enormen, strukturellen Herausforderung, Führungskräfte und Mitarbeiter gleichermaßen für eine flexible Arbeitskultur fit zu machen. Diese notwendige „Immunkur“ verschreiben sich Firmen zu selten. Dabei können Teams bereits heute Personaleinsatzplanung wie Schichtwechsel oder Vertretungen mit modernsten Workforce-Management-Tools eigenständig über ihr Smartphone oder ihr Tablet koordinieren – und so das Immunsystem ihrer Unternehmenskultur stärken. Gleichzeitig ist es wichtig, Führungskräften von Beginn an die richtigen Skills, Tools und Technologien an die Hand zu geben, um mit den Mitarbeitern die richtige Beziehung aufzubauen, Talente zu fördern und Visionen umzusetzen. Viele Millennials bekleiden zum ersten Mal eine Führungsposition im mittleren Management. Es gilt, den Führungsnachwuchs über Manager-Onboarding-Programme einzubinden und über Mitarbeiterbefragungen zu überprüfen, ob Führungsstil und Unternehmenskultur auch wirklich in Einklang sind.

Die Realität sieht bislang anders aus, wie auch Ihre Studie zeigt: In vielen Unternehmen sind Zahlen wichtiger als der Mensch dahinter. Ist eine mitarbeiterorientierte Kultur überhaupt vereinbar mit großen Unternehmen?
Ganz klar: ja! Natürlich wird das komplexe Mensch-Maschine-Konstrukt schon mal „zurechtgebogen“, um den ständig steigenden Anforderungen und Ansprüchen im Markt standzuhalten. Zumal viele Unternehmen immer noch nicht so recht wissen, wie Mitarbeiterengagement und damit Motivation wirklich gelebt werden könnte. Den Wert der Mitarbeiter zu erkennen, ist jedoch eine klare Win-Win-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen, im Mittelstand und in Konzernen erst recht. Letztendlich ist es doch so, dass die Zahlen, auf die die Unternehmensleitung so viel Wert legt, entscheidend von motivierten und engagierten Mitarbeitern abhängen. Die Zahlen sind das Resultat von Produktivität und Mitarbeiterengagement. Wenn die Organisation davon überzeugt ist, dass motivierte Mitarbeiter Grundvoraussetzung für den unternehmerischen Erfolg sind, dann setzt sie genau an dieser Stelle an und ermöglicht es den Mitarbeitern, über die entsprechenden Tools, Technologien sowie den Führungsstil des Managements, Einfluss zu nehmen und ihr Engagement zu zeigen. Und genau dann werden die Unternehmenszahlen sich auch in die richtige Richtung entwickeln.