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54 Prozent der Deutschen können sich vorstellen, auf ihren Geldbeutel zu verzichten und stattdessen mit dem Handy zu bezahlen. Bis dahin gilt es jedoch für alle Beteiligten, noch jede Menge Hürden zu meistern.
Die Handtaschen der Damen und die Hosentaschen der Herren könnten in Zukunft leerer werden. Denn: Es geht der guten alten Geldbörse ans Leder. Laut einer Studie von ECC Köln und Goetzpartners können sich 54 Prozent der Deutschen schon heute vorstellen, mit dem Handy zu bezahlen. Über die Hälfte der Interessenten wäre sogar bereit, für die perfekte „digitale Börse“ (auch „Mobile Wallet“ genannt) Geld in die Hand zu nehmen. Die Bereitschaft ist demnach groß. Doch wie sieht es mit der tatsächlichen Praxis aus? „Bis mobiles Bezahlen auf der Fläche Alltag wird, liegt noch ein langer Weg vor uns“, sagt Ercan Kilic, Leiter des Strategieprojekts MobilCom bei GS1 Germany. Und das, obwohl diverse Pilotprojekte sowie neue Bezahl-Applikationen von Handel, Banken und Kreditkartenunternehmen zeigen, dass sich das Thema „Mobile Payment“ auf dem Vormarsch befindet.
Universalität ist gefragt
Das Problem: Viele Köche verderben den Brei; eine einheitliche Lösung ist derzeit nicht in Sicht. Die ist allerdings den Kunden wichtig: „Anbieter müssen gewährleisten, dass der Konsument mit seiner Mobile Wallet überall bezahlen kann“, so Marcus Worbs, Partner beim Beratungsunternehmen Goetzpartners. Statt eines derartigen universellen Angebots tummeln sich derzeit viele verschiedene Technologien – beispielsweise NFC (Near Field Communication), Barcodes, QR-Codes, cloudbasierte Lösungen oder Beacon BLE (Bluetooth Low Energy) – von vielen verschiedenen Anbietern auf dem Markt.
Handel steckt im Dilemma
„Es gibt bereits Kooperationen zwischen verschiedenen Marktteilnehmern“, sagt Worbs. Diese seien jedoch häufig instabil und noch nicht überzeugend, da zu viele verschiedene Interessen im Spiel wären. „Es müssen dringend nachhaltige, stabile Kooperationen zwischen Handel, Banken und Mobilfunkanbietern gefunden werden“, so der Berater. Das Dilemma für den Handel: Er steht vor der Herausforderung, die richtige Technologie auszuwählen, seine Systeme entsprechend umzurüsten und seine Mitarbeiter zu schulen. „Das hemmt derzeit die Marktdurchdringung“, so Kilic. Abgesehen davon steige „die Angst vor einem Preisdiktat und einer Marketingabhängigkeit von Dritten“, nicht nur hierzulande, sondern auch in den USA. Dort hätten sich die großen Händler aus diesem Grund in der Initiative MCX (Merchant Customer Exchange) zusammengeschlossen, sagt Horst Rüter, Experte für Zahlungssysteme und Mitglied der Geschäftsleitung beim EHI. „In diesem Geschäft kann es um Gebühren in Milliardenhöhe gehen. Daher ist es wichtig, die Weichen rechzeitig zu stellen.“
Viele Fragen sind zurzeit noch offen: Ist ein flächendeckendes, sicheres Zahlungsumfeld beispielsweise wirklich nur unter Einbeziehung von Telekommunikationsdienstleistern möglich? Und: Wer bezahlt deren Leistungen? Außerdem beschäftigt sich die Branche damit, welche Funktionen die digitale Börse bieten muss, damit der Kunde diese auch in der Praxis anderen Zahlungsmitteln vorziehen würde. „Der mobile Bezahlvorgang muss genauso schnell und einfach sein wie die Bezahlung mit Bargeld oder der EC-Karte“, so Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer beim IFH Köln. Bei den bisherigen Lösungen stünden jedoch umständliche Registrierungen und komplizierte Verfahren diesem Anspruch im Weg. Ebenfalls wichtig für die Kunden: das Thema Sicherheit. „Für 70 Prozent der von uns befragten Kunden ist Sicherheit das wichtigste Thema für die Wahl einer Mobile-Wallet-Lösung“, sagt Worbs von Goetzpartners.
Erste Pilotprojekte starten
Außerdem wünschen sich Konsumenten von einer digitalen Börse – neben der Bezahlung am POS und in Online-Shops – auch die Speicherung von Karten, Tickets, Coupons und Dokumenten (siehe Grafik unten). Vorteil: „Händler können über die gespeicherten Daten ihre Kunden besser kennenlernen und personalisierte Angebote entwickeln“, erläutert Hudetz. Trotz aller ungeklärten Fragen starten einige Händler bereits mit ersten Gehversuchen, darunter das Schweizer Baumarktunternehmen Jumbo. Kunden, die im Besitz einer Manor- und Jumbo-Kundenkarte sind, können mit der sogenannten „Jumbo Card App“ bezahlen. Das Unternehmen erhofft sich dadurch einen entscheidenden technologischen Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern. „Wenn wir bereits in die zweite Phase starten, werden andere erst testen müssen, was funktioniert und was nicht“, so Massimo Moretti, Leiter der Medienstelle bei Jumbo. Die App konnte 2013 pannenfrei an den Start gehen, bislang sei die Anzahl der Nutzer jedoch „eher bescheiden“. „Erstaunt hat uns vor allem, dass die meisten Nutzer über 45 Jahre alt sind“, sagt Moretti. Auch Bartels-Langness befindet sich derzeit in der Programmierungs- und Testphase einer Mobile-Payment-Lösung. Aussagen über erste Erfahrungen wollen die Kieler im Moment jedoch noch nicht treffen. Vom Alltag also alles noch weit entfernt, aber immerhin ein Anfang. „Ich gehe davon aus, dass Mobile Wallets innerhalb der nächsten fünf Jahre einen festen Platz im Zahlungsverkehr einnehmen werden“, so Worbs optimistisch.