E-Commerce am Handgelenk

Mittwoch, 27. Januar 2016
Foto: Fotolia (Oleksiy Mark)

Intelligente Kleidungsstücke, so genannte Wearables, gelten als der nächste große mobile Trend nach dem Smartphone-Boom. Für den Handel ist die neue Technologie gleich doppelt interessant.

Smartuhren, Datenbrillen, Fitnessarmbänder oder Schrittzähler in der Schuhsohle: Durch Mini-Computer, die in Kleidung integriert werden, rückt die digitale Datentechnik inzwischen hautnah an den Körper heran. Laut der Studie „Wearables: Nutzer und Nutzungspläne“ der Marktforscher von Fittkau & Maaß besitzen zwar erst sechs Prozent der deutschen Internetnutzer ein Wearable, wie die Elektronik zum Anziehen genannt wird. Doch ihre Verbreitung wird nach Ansicht von Experten in den nächsten Jahren stark zunehmen. So prognostizieren etwa die Marktanalysten von International Data Corporation, dass sich die Zahl der weltweit ausgelieferten Wearables bis 2019 auf rund 156 Millionen Geräte mehr als verdoppeln wird. Auch für den deutschen Markt zeichnet sich ein deutlicher Zuwachs ab. „Schon heute planen 16 Prozent der Internetnutzer konkret die Anschaffung eines oder mehrerer Wearables“, sagt Saskia Müller, Leiterin der E-Commerce Messe Internet World.

Potenzial für den Einkauf

Aktuell verwenden Wearable-Nutzer ihre Geräte vor allem zum Messen und Auswerten von Gesundheits- und Fitnessdaten sowie als Navigations- und Kommunikationsgerät, wie die Wearable-Studie zeigt. Doch auch als Einkaufsbegleiter erscheinen die Geräte attraktiv: Mehr als jeder dritte Wearable-Besitzer möchte sein Gerät zum Einkaufen oder zur Information über Schlussverkäufe und Sonderangebote einsetzen. Bei den Verbrauchern, die den Kauf eines Wearables planen, wollen je nach Gerät sogar bis zu fünfzig Prozent der Befragten Smartuhr, Datenbrille oder Fitnessarmband für mobiles Shopping verwenden.

Für den Handel ergeben sich daraus interessante E-Commerce-Strategien. Die intelligenten Kleidungsstücke könnten in Zukunft etwa die Funktion des Smartphones als Verkaufs- und Informationskanal übernehmen. Anders als beim Smartphone lassen sich jedoch virtuelle Einkaufserlebnisse in einer völlig neuen Dimension schaffen. „Die Touristik-Branche testet diese Anwendungen bereits“, erklärt Saskia Müller. „Konsumenten, die sich etwa für eine Kreuzfahrt interessieren, können sich mit einer Datenbrille vorab ein detailliertes Bild des Schiffes oder sogar ganzer Orte machen.“

Maßgeschneiderte Angebote

Die Nutzung von Wearables bietet zudem erhebliches Optimierungspotenzial für die Kundenkommunikation. Mit ihrer Hilfe lassen sich etwa genauere Kundenprofile gewinnen – eine Anwendungsmöglichkeit, von der auch der stationäre Handel profitiert. Da die Mini-Computer oft den ganzen Tag am Körper getragen werden, zeichnen sie eine Fülle von Daten auf, die viel über das Verhalten und die Präferenzen von Kunden verraten. „Uhren tracken etwa Berührungen oder Brillen scannen Dinge, die man sich ansieht“, sagt Internet-Expertin Müller. Wer diese Daten richtig nutze, könne für Kunden individuelle, maßgeschneiderte Angebote entwickeln, die eine deutlich höhere Response-Quote als Massenwerbung erzielen.

Klare Datenstrategie erforderlich

Voraussetzung für dieses Big-Data-Marketing ist eine klare Datenstrategie der Unternehmen. „Nur wer die Geräte sinnvoll mit Daten füttern kann, bleibt im Geschäft“, sagt Müller. „Dafür müssen sie jedoch in eine Struktur gebracht werden.“ Für den Handel bedeutet das möglichst rasch entsprechende Systeme zu schaffen, die Daten nicht nur sammeln, sondern auch sinnvoll miteinander verknüpfen, natürlich unter Beachtung der Bestimmungen zum Datenschutz.

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Interview

Saskia Müller, Leiterin der Internet World Messe, über das Potenzial von Wearables für den Handel.

Frau Müller, welche E-Commerce-Anwendungen sind mit Wearables künftig denkbar?
Die Technologie steht sicher noch am Anfang, aber schon heute lässt sich sagen: Konsumenten werden sie nur dann annehmen, wenn damit ein Mehrwert verbunden ist und die Nutzung relevant, bequem und einfach ist. Bereits jetzt lassen sich einige höchst interessante Anwendungsgebiete im E-Commerce ausmachen. Mit Datenbrillen können etwa virtuelle Shopping Malls besucht werden, was dem Kunden zusätzliche Einkaufsmöglichkeiten bietet.

Wo liegen Unterschiede zum Einkaufen via Smartphone?
Wearables haben für den Handel das gleiche Potenzial wie Smartphones. Was ich heute mit dem Smartphone erledige, könnte morgen das Wearable übernehmen. Sollten sich Wearables durchsetzen, wird das daher zu Lasten der Smartphone-Nutzung gehen.

Kann auch der stationäre Handel von Wearables profitieren?
Wearables können Datenprofile verbessern, weil allgemeine Aktivitäten, wie Einkauf, Bewegung, aber auch Gesundheit und Geokoordinaten getracked werden – alles kontextbezogene Daten, die für den Einkauf relevant sind. Der große Vorteil von Wearables ist, dass man sie immer am Körper trägt und somit eine Rund-um-die-Uhr-Datensammlung möglich wäre. Wenn der Handel die Daten richtig nutzt, kommt er seinen Kunden sehr viel näher und kann individuell auf sie eingehen.

Bislang nutzen nur wenige Kunden Wearables. Heißt das für Händler: erst einmal abwarten?
Unternehmen sollten Innovationspotenziale nicht verpassen – sich dem Wandel zu verschließen, wäre fahrlässig. Wer sich in der veränderten Medienwelt künftig durchsetzen will, muss aber auch die passenden IT- Anwendungen haben. Es gilt Online und Offline, also die virtuelle und die dingliche Welt, effektiv miteinander zu verzahnen.

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