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Die Schweiz geht jetzt offiziell gegen Lebensmittel-verschwendung vor. Die Lebensmittelbranche, darunter viele Markant Partner, trägt den Aktionsplan aktiv mit. Die Zeit läuft, die Ziele sind ambitioniert.
Während die weltweite Versorgung mit Lebensmitteln an ihre Grenzen stösst, geht gleichzeitig ein Drittel der produzierten Lebensmittel verloren oder wird verschwendet. In der Schweiz entspricht das durchschnittlich 330 Kilogramm Abfall pro Kopf und Jahr. Zusätzlich zu den Folgen für die Lebensmittelversorgung trägt Food Waste erheblich zur Umweltbelastung bei. Denn wenn Lebensmittel hergestellt, aber nicht konsumiert werden, führt dies zu unnötigen CO2-Emissionen, Biodiversitätsverlust sowie Land- und Wasserverbrauch. 25 Prozent der Umweltbelastung des Ernährungssystems sind auf Food Waste (vermeidbare Lebensmittelverluste) zurückzuführen, so das Ergebnis der neuesten Studie zu Food Waste der ETH Zürich. Dies entspricht etwa der halben Umweltbelastung des motorisierten Individualverkehrs der Schweiz.
Um diese Probleme zu lösen, hat der Schweizer Bundesrat am 8. April 2022 den «Aktionsplan gegen die Lebensmittelverschwendung» verabschiedet. Ziel ist es, die vermeidbaren Lebensmittelverluste bis 2030 gegenüber 2017 zu halbieren. Zwar entfallen nur acht Prozent des Food Waste auf den Lebensmittelhandel, dieser wird aber wie alle anderen Teile der «Lebensmittelkette» in die Pflicht genommen.
Der Detailhandel zieht mit
Bereits fünf Wochen später, am 15. Mai, haben Bundesrätin Simonetta Sommaruga und 28 Führungskräfte von Unternehmen und Verbänden aus der Lebensmittelbranche in Bern eine Vereinbarung unterzeichnet, mit der sie sich auf konkrete Massnahmen verpflichten und jährlich über die erzielten Fortschritte Bericht erstatten werden. «Für uns als Schweizer Detailhandelsverband ist der verantwortungsbewusste Umgang mit Ressourcen eine zentrale Leitlinie», kommentiert Dagmar T. Jenni, Direktorin Swiss Retail Federation, ihr Engagement. «Wir unterstützen wirkungsvolle Massnahmen, die uns dem Ziel näherbringen, und sind mit Überzeugung Teil dieses Aktionsplans.»
Drei Stossrichtungen
Die drei zentralen Stossrichtungen des Aktionsplans sind: Initiativen und Innovationen der Wirtschaft, Massnahmen der öffentlichen Hand, Information und Bildung. Die Umsetzung des Aktionsplans erfolgt in zwei Phasen: von 2022 bis 2025 und von 2026 bis 2030. In der ersten Phase stehen die freiwilligen, eigenverantwortlichen Massnahmen der Wirtschaft im Zentrum. In der zweiten Phase kann der Bundesrat weiterführende Massnahmen ergreifen, falls dies nötig ist, um die Ziele zu erreichen. Konkrete Einzelschritte, die in Phase 1 zum Ziel führen, listet das Umwelt-Departement in einem Massnahmen-Katalog auf.
Digitale Werkzeuge
Eine Reihe von Massnahmen widmen sich der Optimierung entlang der Liefer- und Wertschöpfungskette. Es sei anzustreben, dass im Detailhandel vermehrt 2.-Klasse- oder 2.-Grösse-Produkte verkauft und die Kunden dafür sensibilisiert werden müssen. Dass das funktionieren kann, habe schon die erste Covid-19-Welle im Frühling 2020 gezeigt: Die Kunden hätten auch grössere und kleinere Gemüse und Früchte gekauft. Auch mit optimierter Planung und dem Einsatz von digitalen Hilfsmitteln können Verluste vermieden werden. So helfen digitale Werkzeuge bei der Planung, das Angebot besser auf die Nachfrage abzustimmen. Der Trend zu Smart- und Precision-Farming in der Landwirtschaft bringt weitere Potenziale mit sich.
Kraft der Innovation
Hinzu kommen konkrete Vorschläge, wie sich Überschüsse und Nebenprodukte in Wert setzen lassen. Ein Beispiel sind sogenannte Rettermärkte, wie sie in Deutschland von Einzelhändlern organisiert werden: Backwaren vom Vortag werden zum reduzierten Preis angeboten oder Aktionen des Handels kurzfristig auf witterungsbedingte Überproduktionen oder Qualitätsmängel ausgerichtet. Auch die Deklaration der Haltbarkeit soll verbessert werden. Der verbreitete Einsatz von Zusatzhinweisen – wie zum Beispiel die ergänzte Version «mindestens haltbar bis und oft länger gut» – kann die Konsumenten darauf hinweisen, dass Produkte auch nach dem Erreichen des MHDs oft noch geniessbar sind. Weitere Massnahmen setzen auf die Kraft von Innovation und Forschung. Neue Verpackungslösungen und -designs können die Qualität, Frische und Sicherheit von Lebensmitteln verbessern – und insbesondere eine Verlängerung der Haltbarkeitsdauer ermöglichen. In punkto Haltbarkeit könnten auch neue Technologien genutzt werden, beispielsweise intelligente Etiketten für Verpackungen, die auf eine pH-Veränderung in Lebensmitteln reagieren.
Zwischenbilanz im Jahr 2025
Im Jahr 2025 wird der Bund prüfen, ob die Massnahmen ausreichen. Um das Ziel einer Halbierung der Verluste bis 2030 erreichen zu können, müssten diese bis 2025 um rund 25 Prozent verringert werden. Sollte sich herausstellen, dass die bestehenden Massnahmen nicht ausreichen und die Lebensmittelverluste nicht rasch genug reduziert werden können, so kann der Bund in der zweiten Phase zusätzliche Massnahmen ergreifen.