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Die Pandemie hat gezeigt, dass die Resilienz der Lieferkette wichtig ist, um die Nachfrage bedienen zu können. Handels- und Konsumgüterunternehmen wollen daher ihre Lieferketten agiler aufstellen. Die Pandemie wirkte dabei als Beschleuniger der Digitalisierung.
Hindernisse bei der Beschaffung von Rohstoffen oder im grenzüberschreitenden Handel wirkten sich in einigen Fällen auf die Lagerbestände aus und könnten auch in naher Zukunft weiterhin die Preise und Verfügbarkeiten von Produkten beeinflussen. Die neue Studie von Capgemini «The wake-up call: Building supply chain resilience in consumer products and retail for a post-COVID world» hat die Beeinträchtigungen des vergangenen Jahres auf die Lieferkette untersucht. So haben 85 Prozent der Konsumgüterunternehmen und 88 Prozent der Einzelhändler angegeben, dass sie mit Beeinträchtigungen konfrontiert waren. 63 Prozent der Konsumgüterunternehmen und 71 Prozent der Einzelhändler sagten, dass es drei Monate oder länger dauerte, bis sich ihre Lieferketten von den Störungen erholt hatten. In Deutschland benötigten 72 Prozent der Unternehmen beider Bereiche diese Zeitspanne. Fast 60 Prozent der befragten Unternehmen (Lieferanten und Händler) gaben an, dass sie Schwierigkeiten bei der Bedarfsplanung hatten, weil ihnen genaue und aktuelle Informationen über die schwankende Kundennachfrage während der Pandemie fehlten.
Professionalisierung der Kompetenz
Infolgedessen bedarf es einer strategischen Anpassung der Lieferketten und des Fokus auf die Bereiche Bedarfsanalyse, Lieferkettentransparenz und Regionalisierung. «Es muss eine weitere Professionalisierung der Lieferkettenkompetenz erfolgen und das übersetzt in weitere Transformationen und Digitalisierungen», rät Jörg Junghanns, Vice President Europe Digital Supply Chain bei Capgemini. Eine höhere Genauigkeit der Bedarfsplanung fusst allerdings auf höchster Datenqualität. Das betrifft historische und aktuelle Auftragsdaten, aber auch historische und aktuelle Produktdaten sowie Kundendaten. «Die Königsdisziplin besteht darin, die Verkaufsdaten mit Nachfragemustern einzelner Konsumentengruppen in Verbindung zu bringen. Die Berücksichtigung weiterer Informationsquellen und Impulse ist ein nächster Schritt in der Bedarfsförderung», so Junghanns.
Daten sind sozusagen die Basis einer gut funktionierenden Lieferkette. Neben Vollständigkeit und Qualität der Daten kommt es auch darauf an, sie richtig und vollumfänglich zu nutzen. Hierfür braucht es hochwertige Planungstools, also die richtigen Algorithmen, die die Daten miteinander in Zusammenhang bringen, um so Muster zu erkennen. «All das sind Bausteine einer professionellen Bedarfsplanung», erklärt der Experte und verweist auf die aktuelle Capgemini-Studie. So geben 54 Prozent der befragten Unternehmen (Lieferanten und Händler) an,dass sie Künstliche Intelligenz beziehungsweise maschinelles Lernen für die Nachfrageprognose einsetzen wollen, um die Auswirkungen von Covid-19 zu meistern.
Regionalisierung statt Globalisierung
Indes beginnt eine gute Lagerbestandsoptimierung mit einer richtigen Bedarfsplanung. Denn nur, wenn Bedarf und Nachfrage bekannt sind, kann das Richtige entweder produziert oder das Richtige bestellt werden, um an den richtigen Orten den richtigen Lagerbestand vorzuhalten. Die Herausforderung des Handels liegt nun aber in der Beschaffung des bekannten Bedarfs und damit in der Sicherung der Lieferkette. Um Störungen in Zukunft zu vermeiden, wollen daher viele Konsumgüter- und Einzelhandelsunternehmen von der Globalisierung zur Regionalisierung ihrer Lieferanten- und Produktionsbasis wechseln. «Dies bietet eine bessere Sichtbarkeit auf die Lagerbestände und erlaubt eine höhere Flexibilität», erklärt der Experte. So wollen 65 Prozent aller befragten Konsumgüter- und Einzelhandelsunternehmen in die Regionalisierung ihrer Lieferantenbasis investieren, in Deutschland sind es 60 Prozent beider Bereiche. Entsprechend dieser Strategien werden globale Lieferanten in drei Jahren nur noch 25 Prozent der Einzelhandelskapazitäten ausmachen – gegenüber aktuell 36 Prozent. Bei den Konsumgütern wird der Anteil globaler Hersteller von heute 25 Prozent auf 17 Prozent sinken.
Supply Chain der Zukunft
Digitalisierung ist die Nummer-eins-Grundlage zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit einer Lieferkette – und schafft gleichzeitig eine Grundlage für höhere Flexibilität. Unternehmen haben laut der Studie festgestellt, dass neue Technologien die dringend benötigte Agilität ermöglichen – von der Verbesserung der Nachfrageprognose und der Beschleunigung der Auftragsabwicklung bis hin zu schnellen, kosteneffizienten Lieferungen auf der letzten Meile. Die Supply Chain der Zukunft ist daher nach Auffassung von Junghanns frictionless (reibungslos) und im höchsten Masse automatisiert. Der Weg führt künftig zu einem Touchless Order Management – einer berührungslosen, hochautomatisierten Verarbeitung von Daten und Informationen.