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Naturkosmetik ist in der breiten Masse angekommen – bereits jeder dritte Shopper in Deutschland kauft entsprechende Produkte. Kaufkriterien sind neben natürlichen Inhaltsstoffen vor allem Nachhaltigkeit und das Einsparen von Ressourcen.
Naturkosmetik wird immer beliebter: In Deutschland – dem grössten Naturkosmetikmarkt Europas – stieg die Konsumentenreichweite im Jahr 2021 laut GfK um 1,6 Millionen Neukunden. «Jeder dritte Kosmetikkunde hat 2021 Naturkosmetik gekauft», berichtet Mirja Eckert, Herausgeberin des Naturkosmetik Branchenmonitors und Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens The New.
Als stärkste Warengruppe gilt die Gesichts- und Körperpflege. «Doch auch Daily-Care-Produkte wie Haar- oder Lippenpflege und Zero-Waste- Produkte gewinnen an Bedeutung», sagt Eckert. Bei den festen Produkten – Hauptvorteile sind etwa Wassereinsparung bei der Produktion, meist weniger Verpackung sowie erhöhter Komfort auf Reisen – gebe es neben Dusch-, Haar- oder Gesichtsreinigungspflegen auch immer mehr natürliche Mundpflegeprodukte wie Zahnpulver oder Mundziehöl. Auch bei Zusatzpflege wie Gesichtsmasken verbuche Naturkosmetik Erfolge. Zudem wächst Naturkosmetik-Männerpflege überproportional zum konventionellen Männerpflegemarkt, wie Zahlen von DM Extranet zeigen (2022 im Vergleich zum Vorjahr).
Funktionaler und besser
Gepusht wird die Entwicklung durch Trends wie Gesundheit, Digitalisierung sowie Nachhaltigkeit. «Das Geschäft mit Körper- und Schönheitspflege ist nachfragegetrieben», erklärt Mirja Eckert. Verbraucher würden immer sensibler. Bei Kosmetik hinterfragten sie Folgendes: «Was lasse ich auf meine Haut? Wie beeinflusst das Produkt die Umwelt und das soziale Umfeld?» Naturkosmetik biete hier die passenden Antworten. Beflügelt werde der Markt auch dadurch, dass die Funktionalität der Produkte besser geworden sei. So funktioniere Naturkosmetiksonnencreme mit mineralischen Filtern heute vergleichbar gut wie konventionelle Produkte. «Zudem haben sowohl Industriemarken als auch Eigenmarken des Handels ihre Sortimente ausgebaut. Naturkosmetik ist heute in allen Kanälen besser verfügbar, wodurch sie sichtbarer wird», resümiert Eckert.
Alle Formeln überarbeitet
Und längst sind auch die grossen, für konventionelle Kosmetik bekannten Hersteller in dem Segment unterwegs. So bietet Henkel mit der Marke «Nature Box» zertifizierte Naturkosmetik an. Der Verbraucherwunsch nach natürlichen Inhaltsstoffen beeinflusse auch die konventionellen Produktranges: «Wir haben einen Relaunch des gesamten Haarpflegeportfolios durchgeführt und alle Formeln überarbeitet», sagt Katharina Herzog, Geschäftsführerin Henkel Beauty Care Deutschland. «Uns ist es wichtig, Nachhaltigkeit voranzutreiben. Hier stärken wir unser Kernsortiment durch die Überarbeitung von Formeln oder die Optimierung von Verpackungen wie beim Relaunch der Marken GlissKur, Syoss, Taft und Fa.»
Gut für Haut und Umwelt
Die wichtigsten Kaufkriterien beim Kauf von Naturkosmetik sind nach Angaben von Weleda funktionale Produkteigenschaften wie «spendet Feuchtigkeit» oder «zieht schnell ein». Erst wenn diese Eigenschaften erfüllt seien, kämen Kriterien wie «Sicherheit», «keine Zusatzstoffe» oder «100 Prozent natürliche Inhaltsstoffe» ins Spiel», sagt Anke Kaffenberger, Marketingleiterin Naturkosmetik. Ludger Schalkamp, Marketing- und Verkaufsleiter bei Laverana, hat vor allem drei Gründe für die Verwendung von Naturkosmetik beobachtet: «Das sind zum einen konkrete Hautprobleme und Irritationen, die nach besonders verträglichen Produkten verlangen.» Zweitens könne die persönliche Einstellung zur Umwelt «Verbraucher veranlassen, nach besonders umweltverträglichen und umweltschonenden Produkten zu suchen». Und drittens würden Veränderungen in den Lebensumständen – etwa eine Schwangerschaft – die Shopper zum Umdenken bringen. «Verbraucher wollen umweltschädliche Inhaltsstoffe wie Mineralöle und Mikroplastik vermeiden», ergänzt Natalie Cohen, Business Category Manager Personal Care bei Share. «Besonders in der Haarpflege wird zudem auf Silikone geachtet, die Naturkosmetik grundsätzlich nicht enthalten darf.»
Die Moral kauft mit
Doch auch der Wunsch nach verantwortungsbewusstem Konsum und nachhaltige Verpackungen treiben den Markt. «Innerhalb der nachhaltigkeitsbezogenen Kaufkriterien beobachten wir, dass Produkteigenschaften wie tierversuchsfrei, vegan oder Fair Trade wichtig sind», so Anke Kaffenberger. «Ausserdem gewinnen möglichst nachhaltige Verpackungen – wie recyceltes PET, Glas, Refill, Unverpackt, plastik- oder wasserfrei – an Relevanz.» Verbraucher setzten auf grössere Verpackungen und Refill-Lösungen, hat auch Ebba Fürll, Managerin Product Trainings bei Kneipp, beobachtet. Ein Weg unnötige Verpackungen zu vermeiden seien zudem Kombi-Produkte, die neben Verpackungsmüll auch Zeit und Kosten sparten.
Mehr Spass, weniger Verzicht
Übermässig verzichten wollen Naturkosmetikkunden ohnehin nicht, sagt Birgit Huber, Bereichsleiterin Schönheitspflege beim Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW). «Früher waren Käufer von Naturkosmetik bereit, Abstriche bei Wirksamkeit oder der genussvollen Anwendung zu machen. Die heutige Generation der Shopper erwartet eine Auflösung dieses Widerspruchs: Nachhaltige Kosmetikprodukte sollen Genuss und Spass bieten und gleichzeitig hochwirksam und ästhetisch ansprechend sein.» Die GfK spreche bei diesem Käuferkreis auch von den «Glamour Greens». Marken, die diese Käufer ansprechen, träfen auf besonders grossen Zuspruch.
Durchblick durch Siegel
Um Naturkosmetik von anderen, auch mit Natürlichkeit beworbenen Produktkonzepten, zu unterscheiden, können Zertifizierungen und Siegel eine gute Orientierung bieten. Besonders verbreitet sind die Siegel «Natrue» und «Cosmos». Allerdings gibt es auch viele Naturkosmetikprodukte, die nicht zertifiziert sind. Vor allem Start-ups verzichten häufig auf diesen Prozess. Dazu kommen viele Produkte, die mit Natürlichkeit werben, aber trotzdem kritische Inhaltsstoffe enthalten. «Man muss als Konsument schon sehr gut informiert sein, um einschätzen zu können, wie hoch dieser Grad an Natürlichkeit ist», sagt Anke Kaffenberger. Siegel böten hier Unterstützung. Neben der Identifikation per Label könne auch die Platzierung helfen, ergänzt Ludger Schalkamp. «Einige Händler unterstützen die Orientierung am POS durch Naturkosmetikregale oder -flächen.»
Fakten
Begriff
«Naturkosmetik» ist weder in Deutschland noch in der EU gesetzlich geregelt oder verbindlich definiert. Zur Unterscheidung von herkömmlicher Kosmetik, naturnaher Kosmetik oder «clean Beauty» gibt es eine Reihe privater Naturkosmetikstandards und -siegel, die als Orientierung für die Verbraucher dienen. Die Standards beruhen auf selbstgewählten Anforderungen und unterscheiden sich von Siegel zu Siegel.
Inhaltsstoffe
Naturkosmetik basiert auf Stoffmischungen, die überwiegend aus weiterverarbeiteten Naturstoffen bestehen. Für die Gewinnung und Weiterverarbeitung sind nur bestimmte physikalische Verfahren (Trocknen, Pressen oder «sanfte» chemische Umwandlungen) erlaubt. Je nach Marke und Zertifizierung ist die Verwendung bestimmter Inhaltsstoffe nicht erlaubt. Naturkosmetik ist nicht gleich Bio-Kosmetik – bei letzterer müssen die Inhaltsstoffe aus biologischem Anbau stammen.
Label
Etablierte Naturkosmetiklabels bieten Orientierung. Eine entsprechende Zertifizierung garantiert dem Verbraucher, dass das ausgezeichnete Produkt die jeweiligen Anforderungen des Siegels erfüllt und dass es sich um echte Naturkosmetik handelt. Anhand der veröffentlichten Standards können Verbraucher die Anforderungen nachvollziehen. Die bekanntesten Siegel für zertifizierte Naturkosmetik sind: Natrue, Cosmos, BDHI und Ecocert.