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Der europäische Tabakwarenmarkt ist eine Spielwiese von Kriminellen. Jede zwölfte Zigarette wird illegal verkauft und der OTP-Markt von Plagiaten überschwemmt. Hersteller und Behörden blasen zum Angriff – mit Erfolg.
Der Konsum illegaler Zigaretten wuchs im Jahr 2021 in der EU auf insgesamt 35,5 Milliarden Stück. Dies entspricht einem Anteil von 8,1 Prozent am gesamten Zigarettenmarkt und einem Steuerverlust von 10,4 Milliarden Euro. Jede dritte illegal gehandelte Zigarette ist keine aus Billigländern geschmuggelte Originalware, sondern wurde gefälscht. In Deutschland beläuft sich die Gesamtmenge auf 1,7 Milliarden Stück. Hier verlagerte sich der Konsumschwerpunkt illegaler Zigaretten 2021 von Ost nach West, und NRW hat Berlin als Hotspot abgelöst. Das sind die nüchternen Zahlen, die die KPMG aus unterschiedlichen Quellen in einem Bericht gesammelt hat. Hinzu kommt, dass Kriminelle selbst niedrigpreisige Markenprodukte im OTP-Bereich (Other Tobacco Products) wie Blättchen, Hülsen oder Feuerzeuge fälschen und in Verkehr bringen. «Diese werden grösstenteils in China hergestellt, kommen über unseriöse Pseudo-Grosshändler in den Umlauf und landen dann über diese oder eben freie Verkaufsfahrer im Einzelhandel», beschreibt Gizeh-Geschäftsführer Christian Hinz das Spiel. Zu beziffern ist der Schaden nicht, aber Verbraucherbeschwerden über die miserable Qualität reissen nicht ab und liefern den Herstellern Hinweise über die Verkaufswege.
Händler in der Haftung
Die Traditionsmarke BIC (25 Fabriken weltweit) hat in den vergangenen Monaten vor allem im Grossraum Köln-Düsseldorf zahlreiche Imitate ihrer Feuerzeuge entdeckt und als Herkunftsland China identifiziert. Diese Fakes kopieren zwar täuschend echt das BIC-Logo und andere typische Merkmale, enttäuschen beim Gebrauch aber auf ganzer Linie: Zündprobleme, kleine Flamme, schnell leer. Hinzu kommen Sicherheitsprobleme, weil sie die Standards ISO 9994 und EN 13869 nicht erfüllen, wofür auch die Inverkehrbringer (Kioske etc.) haftbar gemacht werden können. BIC tritt all dem energisch entgegen, arbeitet – sowohl zur Zerschlagung der Fabrikation als auch der Distribution – mit lokalen Behörden zusammen, informiert Händler wie Konsumenten und bittet diese um die Meldung von Fälschungen unter der email-Adresse biclighters@bicworld.com.
Plagiate auf dem Tresen
Die Riesenmengen an gefälschten Tabakwaren und OTP werden längst nicht mehr nur über den Strassenverkauf an den Mann gebracht, sondern auch über Kioske, Shisha- und Tabakläden. Hier gibt es dann stangenweise gefälschte Zigaretten, Displays mit Markenplagiaten stehen mitten auf dem Tresen. Die meisten Kunden erkennen das nicht und wechseln dann wegen der enttäuschenden Gebrauchseigenschaften die Marke – auch beim nächsten Einkauf im seriösen Handel. Immer öfter aber fliegen diese Machenschaften auf. So wurden Zollfahnder am 20. Juli 2022 in Göttingen in einer Lagerhalle fündig und stellten zwölf Millionen gefälschte Zigaretten (60 000 Stangen) sicher. Der Steuerschaden beläuft sich dabei auf 2,1 Millionen Euro.
«Göttingen zeigt, dass das Ausmass des illegalen Tabakhandels in Deutschland noch viel grösser sein dürfte als bislang angenommen», sagt Markus Schütz, Senior Manager Illicit Trade Prevention bei Phillip Morris Deutschland. Um das Problem an der Wurzel zu packen, wollen Philip Morris und andere Hersteller noch stärker mit den Ermittlungsbehörden kooperieren und einen grenzübergreifenden Informationsaustausch einbeziehen. Der seriöse Einzelhandel immerhin ist nicht schutzlos, er kann verhindern, dass ihm selbst und seinen Kunden Fakes untergeschoben werden. Gizeh-Chef Christian Hinz betont: «Wenn der Einzelhändler bei seriösen Quellen kauft, dann kann man dies praktisch ausschliessen.»