Der Bierkonsum sinkt seit Jahren und an dieser Entwicklung wird sich nichts ändern, sind sich Experten einig. Für die Brauer gilt es, sich neu aufzustellen und die sich veränderten Konsumgewohnheiten als Chance zu nutzen.
Der Konsum von alkoholischen Getränken in Deutschland, auch von Bier, ist seit vielen Jahren rückläufig. Ein Trend, der sich weiter fortsetzen wird. «Die demografische Entwicklung und die sich wandelnden Konsum- und Lebensgewohnheiten der Menschen sowie das wachsende Gesundheitsbewusstsein der Gesellschaft sprechen dafür, dass der Konsum von Wein, Sekt, Spirituosen und Bier in der Tendenz noch weiter zurückgehen wird», so Nina Göllinger, Pressesprecherin beim Deutschen Brauer-Bund e. V.
Grosse Herausforderungen
Ein Hauptgrund für den Rückgang der Produktion insbesondere im vergangenen Jahr war nach Auskunft des Deutschen Brauer-Bundes neben dem kühlen und durchwachsenen Wetter vor allem im Frühling und Sommer die massive Konsumzurückhaltung der Verbraucher, die nicht nur dem Handel zu schaffen macht, sondern auch der Gastronomie und damit den Brauereien. «Wegen steigender Lebenshaltungskosten und hoher Inflation halten sich viele Menschen erkennbar mit Ausgaben im Handel und in Gaststätten zurück, auch im Inlandstourismus hinterlässt die Konsumflaute ihre Spuren», so Göllinger.
Der Biermarkt wird herausfordernd bleiben, zumal eine rückläufige Entwicklung sich weiter fortsetzen wird. Eine Prognose, die die gesamte Bierbranche teilt. Doch die veränderten Bedürfnisse bieten auch Chancen. «Die veränderten Konsum- und Lebensgewohnheiten der Verbraucher und das wachsende Gesundheitsbewusstsein sorgen dafür, dass alkoholfreie Biere und Biermischgetränke immer beliebter werden – ohne, dass dies den Absatz klassischer alkoholhaltiger Biere schmälert», erklärt Göllinger.
Alkoholfreie Konzepte
Dem zunehmenden Gesundheitsbewusstsein und aktiven Lebensstil begegnet Krombacher unter anderem mit dem «Krombacher NaturRadler o,0%». «Damit treffen wir genau den Geschmack der Verbraucher, die immer häufiger nach alkoholfreien Erfrischungen mit geschmacklicher Vielfalt suchen. Damit bauen wir unser Angebot an natürlichen und alkoholfreien Produkten für eine neue Zielgruppe weiter aus», erklärt Lars Dammertz, Leiter Marketing Bier bei Krombacher. Weitere positive Kaufimpulse will die Brauerei mit «Krombacher AlmRadler» setzen. «Das ist eine absolute Innovation im Radler-Segment. Hier trifft Deutschlands beliebtestes Pils auf Österreichs Kultmarke und Kräuterlimonade Almdudler», so Dammertz. Damit will das Unternehmen die aktuellen Vorlieben vieler Verwender treffen, die immer häufiger nach weniger alkoholhaltigen und süssen Getränken greifen sowie eine natürliche Erfrischung und Abwechslung suchen.
Neue Konsumentenkreise
Gerade jüngere Konsumenten greifen immer öfter zur alkoholarmen beziehungsweise alkoholfreien Alternative, dies hat Paulaner beobachtet. «In den vergangenen Jahren ist der Marktanteil an alkoholfreien Bieren oder alkoholfreien Biermischgetränken deutlich gestiegen und wir gehen weiter davon aus, dass er wächst», so Henner Höper, Marketing Director bei der Paulaner Brauerei Gruppe. Gerade forciert das Unternehmen besonders seine alkoholfreien Produkte wie beispielsweise das «Paulaner Weißbier 0,0%» oder auch das «Paulaner Spezi».
Und natürlich spielt das Wetter eine wichtige Rolle bei der Nachfrage. Allerdings ist in der warmen Jahreszeit ein Radler aus der Flasche oder ein Russ im Biergarten ein äusserst beliebtes Getränk. Dazu bemerkt Höper: «Gerade mit unseren alkoholfreien Biermischgetränken wie ‹Paulaner Natur Radler Alkoholfrei› oder ‹Paulaner Weißbier-Zitrone Alkoholfrei› haben wir alternative Durstlöscher zu Saftschorlen oder Softgetränken kreiert. Diese werden auch wetterunabhängig gerne getrunken.»
Alkoholfreie Biere und Biermischgetränke sind längst zu Lifestyle-Getränken geworden. «Wir erreichen und erschliessen mit alkoholfreien Bieren völlig neue Konsumentenkreise – dazu zählen Verbraucher, die eigentlich zuvor kein oder kaum Bier konsumiert haben», so Göllinger. Viele alkoholfreie Biere sind mineralisch und isotonisch, sodass der Körper die Inhaltsstoffe besonders leicht verarbeiten und nutzen kann – ein Vorteil, den gerade Sportler schätzen. Darum sind die Alkoholfreien bei verschiedenen Sportevents wie Marathons, Stadtläufen oder Radrennen besonders beliebt.
Trend Hell-Biere
Was die Biertrends angeht, so konnten nicht nur die alkoholfreien Biere leicht zulegen. Dazu bemerkt Henner Höper, Marketing Director bei der Paulaner Brauerei Gruppe: «Nachdem das Hellbier vor ein paar Jahren einen regelrechten Hype erlebt hat und heute nicht nur in Bayern, sondern auch im Rest Deutschlands getrunken wird, entwickelt sich der Markt für uns deutschlandweit immer noch sehr gut. Wir blicken auf eine 125-jährige Hellbiertradition zurück und sind mit unserem ‹Paulaner Münchner Hell› aktuell die wachstumsstärkste Hellbiermarke.» Auch das Allgäuer Brauhaus aus Kempten sieht einen wachsenden Erfolg der Hell-Biere. «Bei den Sorten können neben internationalen Lagerbieren insbesondere Helles und alkoholfreie Biere leicht zulegen. Die von uns produzierten Hellbiere ‹Allgäuer Büble Edelbräu›, ‹Bayerisch Hell› sowie ‹Oberdorfer Helles› entwickeln sich sogar besser als der Markt», sagt Heinz Christ, Vorstand Allgäuer Brauhaus AG. Weiter fügt er hinzu: «Ein klassisches Helles oder erfrischendes Alkoholfreies liegen in ihrer Gunst weiterhin vorne. Das ist für uns entscheidender als ‹hippe› Geschmacksrichtungen herzustellen, die letztlich ein Nischendasein führen würden.» Rund 200 Hopfensorten, 40 Malzsorten und 200 Hefestämme erlauben den Braumeistern durch immer wieder neue Kombinationen, eine unglaubliche Bandbreite zu erzeugen. Allein in Deutschland gibt es rund 7000 verschiedene Biere, die nach dem Reinheitsgebot gebraut werden. Die Frage wie innovativ Bier heute sein kann, beantwortet Heinz Christ, Vorstand Allgäuer Brauhaus AG wie folgt: «So innovativ wie es Konsumenten schmeckt. Und angesichts der grossen Biervielfalt sollte wirklich für jeden Geschmack etwas dabei sein.»
Innovative Getränkehersteller
Die gesellschaftlichen Veränderungen führen dazu, dass Brauereien ihre Angebotsvielfalt erweitern, weit über klassische Biere hinaus. Die Unternehmen bauen ihr Portfolio kontinuierlich aus und entwickeln sich mehr und mehr zu innovativen Getränkeherstellern. Seit Februar präsentiert Krombacher seine Fassbrause-Range in einem modernen und natürlich-fruchtigen Design mit neuem Slogan «Wie ne Limo. Aber anders». Ausserdem ist Krombacher’s Fassbrause Himbeere seit diesem Monat fester Bestandteil der Fassbrause-Familie. Damit wächst der Marktführer im Fassbrause-Segment auf inzwischen neun Sorten an. «Unser neuer Slogan «Wie ne Limo. Aber anders» zielt darauf ab, Verbrauchern das Fassbrause-Segment noch näher zu bringen. Denn nicht alle Deutschen kennen Fassbrausen. Wir bieten Erfrischung wie andere Limonaden, aber mit echtem Fruchtsaft und schmecken durch unsere Malznote nicht zu süss», erklärt Alexandra Limberg, Leiterin Marketing Alkoholfreie Getränke bei Krombacher. Im Mai 2023 hat die Brauerei «Krombacher Spezi» an den Start gebracht, basierend auf der Original-Rezeptur von 1956.
Auch Paulaner stellt sich immer breiter auf – mit Fokus auf alkoholfreie Konzepte. «Paulaner Spezi» und «Paulaner Spezi Zero» sind laut der Brauerei erfolgreich im Markt etabliert, nun wurde die AfG-Range um ein weiteres Mitglied erweitert. Im März wurde die «Paulaner Limo» unter dem Motto «Die Welle geht weiter» gelauncht, die sich durch eine leicht herbe Orangennote auszeichnet und im unverkennbaren ikonischen Wellen-Look der Spezi-Familie präsentiert.
Fussball-EM im Juni
Vom 14. Juni bis 14. Juli wird hierzulande die Fussball-Europameisterschaft ausgetragen, an insgesamt zehn Standorten. Dieses sportliche Grossereignis kann durchaus positive Effekte auf den Bier- und Getränkeabsatz haben, zumal Deutschland als Gastgeber viele Sportfans aus ganz Europa begrüssen darf. Denn Bier und Fussball gehören seit jeher zusammen. «Grosse Fussball-Events in der Vergangenheit haben gezeigt, dass während der Turnierdauer mehr Bier getrunken wird als sonst in den Sommerwochen üblich», sagt Göllinger. Allerdings relativiert die Pressesprecherin des Deutschen Brauer-Bunds etwas ihre Aussage: «Wir müssen jedoch ehrlich sagen, dass eine verlässliche Prognose im Moment nicht möglich ist. Mit Blick auf die aktuellen geopolitischen Herausforderungen, sehen wir viele Unsicherheitsfaktoren.» Denn nicht nur die Inflation, sondern auch das Wetter und das Abschneiden der deutschen Mannschaft bei der Fussball-Europameisterschaft hätten einen grossen Einfluss auf den Bierkonsum.
Bleibt die Hoffnung auf viele Tore der deutschen Elf und schönes Sommerwetter für eine Neuauflage des «Sommermärchens» aus 2006.