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Die Süsswarenbranche steht derzeit vor extremen Herausforderungen mit dramatischen Kostenexplosionen bei Rohstoffen, Energie und Logistik sowie einem nahezu unkalkulierbaren Verbraucherverhalten. Was die Branche unternimmt, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
Deutliche Mehrkosten bei Energie, Unsicherheiten bei der Rohstoffbeschaffung, verbunden mit weiteren massiven Kostensteigerungen im Jahr 2022 auf den Rohstoffmärkten, etwa für Zucker (bis zu +100 %), Kakao (+23 %), Mais (+19 %) oder Weizen (+9 %) – «die Spirale steigender Kosten und Unsicherheiten in den Lieferketten machen der deutschen Süsswarenindustrie stark zu schaffen», berichtet der Bundesverband der Deutschen Süsswarenindustrie (BDSI). Auf der Nachfrageseite skizziert sich dabei folgendes Bild: Die anhaltend hohe Inflation in Deutschland hat laut Statistischem Bundesamt (Destatis) im 3. Quartal 2022 erneut zu einem Reallohnrückgang geführt. Zwar war der Nominallohnindex im 3. Quartal 2022 nach vorläufigen Ergebnissen der neuen Verdiensterhebung um 2,3 Prozent höher als im Vorjahresquartal, allerdings stiegen die Verbraucherpreise im selben Zeitraum um 8,4 Prozent. Im Dezember 2022 lag der Verbraucherpreisindex bei Nahrungsmittel bei 20,7 Prozent. Die hohe Inflation zehrt also das Nominallohnwachstum auf. Sprich: Die Shopper haben immer weniger Geld in der Tasche.
Gewinner Handelsmarken
Laut Statista gaben 83 Prozent der Shopper in Deutschland bei einer Umfrage zum Thema «Kauf von Handels- und Herstellermarken bei gestiegenen Preisen im Jahr 2022» (KW09 bis KW10) an, dass sich die gestiegene Inflationsrate auch beim Lebensmitteleinkauf bemerkbar macht. Die Folge: Sie greifen zur Handelsmarke. Dabei sind 68 Prozent der Befragten der Meinung, dass Handelsmarken ein gutes Mittel sind, um beim Einkauf Geld zu sparen. Und das macht sich spürbar in den Märkten bemerkbar.
Die Handelsmarken gewinnen und die Herstellermarken Marktanteile verlieren, während ihre Promotionumsätze deutlich zulegen, so ein Fazit der GfK. Der Marktanteil der Herstellermarken ist laut GfK in den ersten sechs Monaten in 2022 im Vergleich zum Vorjahrszeitraum um 1,3 Prozentpunkte zurückgegangen und liegt damit wieder auf dem Niveau des ersten Halbjahrs 2020.
Zunahme des Promotionumsatzes
Was generell im FMCG-Markt zu beobachten ist, schlägt sich laut den Marktforschern auch bei der Süssware nieder: Die Handelsmarken entwickeln sich besser als die Marken. Im Monatsvergleich (Juni 22 vs. Juni 21) steigt laut GfK der Umsatz insgesamt um 1,9 Prozent, wobei hier die Handelsmarke fünf Prozent hinzugewinnen, die Marken dagegen nur 0,6 Prozent. Das leichte Plus bei den Marken kommt insbesondere durch eine starke Zunahme des Promotionumsatzes bei den Marken in der Süssware zustande (+16 %).
Stärkung des Markenwerts
Die grösste Herausforderung wird es für die Branche daher sein, im Spannungsfeld zwischen steigenden Herstellungskosten und sinkender Kaufkraft zu agieren. Aber auch anhaltende Themen rund um die Digitalisierung am POS sowie Nachhaltigkeit, Transparenz und Herkunft von Produkten und Zutaten spielen weiterhin eine zentrale Rolle. Resilienz und eine nachhaltige, ressourcenschonende Produktion von Süsswaren und Snacks sind mehr denn je gefragt.
Das bedeutet aber auch, dass Marken kontinuierlich an ihrem Markenwert arbeiten müssen, um weiterhin ihren Absatzerfolg zu erzielen. Dabei gilt es, Innovationen zu kreieren, die die Neugierde der Shopper erregen und damit die Kauflust der Shopper auslösen. Ferner gilt es, Produkte zu konzipieren, die die aktuellen Bedürfnisse – vor allem aber die Wertvorstellung der Konsumenten aufgreift. «Denn die Nachhaltigkeitsthemen bleiben auf der Agenda der Menschen weit oben. Sie werden an Relevanz eher noch gewinnen und zeigen sich natürlich auch im Kaufverhalten», erklärt Dr. Robert Kecskes, Insights Director bei der GfK.
Kaufmotiv Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit bleibe für die Menschen beim Einkauf von FMCG wichtig, verlagere sich jedoch im Kontext der grossen Verunsicherung von der Hersteller- zur Handelsmarke. Das hat zur Folge: «Die Eigenmarken der Händler werden in der heutigen Zeit grosser Verunsicherungen für die Menschen zusehends zu haltgebenden Sozialmarken, die helfen, die wertebezogenen Konsumbedürfnisse der finanziellen Situation beziehungsweise den finanziellen Erwartungen nicht vollkommen opfern zu müssen», so Kecskes. Getragen werden die Trends laut GfK von den Ethischen Ästheten, also der kreativen Mittelschicht, die versucht, Ethik und Ästhetik, soziale Verantwortung und individuellen Genuss zu vereinen.
Haltung zeigen
Für die Herstellermarken ist es laut den Marktforschern der GfK umso wichtiger, in dieser Zeit Haltung zu zeigen und gemeinsam mit den Ethischen Ästheten gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen. «Ohne soziales Engagement werden Herstellermarken die «Ethischen Ästheten» weder heute noch morgen an sich binden können. Bei allen akut wichtigen Fragen des Preises, sind für Herstellermarken in diesen Krisenzeiten vor allem Werthaltungen wichtiger denn je, um die kreative Mittelschicht der Zukunft für sich zu gewinnen», resümiert Kecskes.
Am Puls der Zeit
Inflation und weitere Preissteigerungen sorgen dafür, dass Eigenmarken weitere Marktanteile hinzugewinnen. Was die Branchen unternimmt, um die Treue der Verbraucher zu Marken zu sichern und ein Abwandern hin zu den Eigenmarken zu verhindern.
Chancen sehen wir in einer nachhaltigen Unternehmensführung. Lorenz wird inzwischen als nachhaltig agierender Snack-Anbieter wahrgenommen. Dies möchten wir weiter forcieren. Nachhaltigkeit und ein verantwortungsvolles Produktangebot sind Parameter, die längst auch als Kriterien für erfolgreichen Abverkauf im Handel angekommen sind. Wir wollen den Menschen mit unseren Snacks Freude bereiten und gleichzeitig Verantwortung übernehmen. Dies setzen wir konkret mit zahlreichen Massnahmen im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie bei unseren Marken um. So haben wir als erster Snack-Hersteller vor bereits zwei Jahren freiwillig den Nutri-Score auf unseren Produkten eingeführt. Mit dieser verbraucherfreundlichen Kennzeichnung sorgen wir für mehr Transparenz im Regal, indem wir über die Nährwertprofile unserer Produkte aufklären und so einen verantwortungsvollen Konsum unterstützen. Auch im Bereich Nutrition verfolgen wir konkrete Ziele: Hier optimieren wir die Nährwertprofile, indem wir zum Beispiel den Salzgehalt reduzieren, entwickeln aber auch neue Snackvarianten, die unterschiedlichen Bedürfnissen etwa nach einer glutenfreien oder veganen Ernährung entsprechen und zeichnen dies auf unseren Verpackungen mit gut sichtbaren Icons aus. Diesen Weg verfolgen wir auch 2023 konsequent weiter, indem wir unser Produktangebot weiter optimieren und passgenaue Neuprodukte für eine nachhaltigere Zukunft entwickeln.
Andrea Spielmann, Marketing Director bei The Lorenz Bahlsen Snack-World
Wer weiterhin erfolgreich sein will, muss flexibel bleiben und pragmatisch handeln. Pragmatismus und die damit einhergehende Flexibilität sind zum Glück grosse Stärken eines Familienunternehmens. Wir wissen ausserdem, dass Menschen gerade in schwierigen Zeiten Wert darauf legen kleine Genussmomente zu teilen. Unser Leitsatz «Vor allem Qualität» hat uns in den vergangenen 103 Jahren zum Weltmarktführer für Fruchtgummi gemacht. Wir fokussieren uns weiterhin auf das, was wir am besten können: Fruchtgummi, Lakritz, Schaumzucker und Kaubonbons von höchster Qualität herzustellen und unsere Marke konsequent in die Zukunft zu führen. Nicht umsonst zählt Haribo zu den bekanntesten und beliebtesten deutschen Verbrauchermarken. Die Verbraucher schätzen die gleichbleibend hohe Qualität und den einzigartigen Geschmack unserer Produkte seit Generationen. Heute steht unsere Marke für viele sogar als Synonym für die gesamte Kategorie: Wer im Supermarkt nach Fruchtgummi sucht, sucht nach Haribo. Und wer Haribo kauft, weiss, was er bekommt. Wir investieren weiterhin in unsere starke Marke und unsere Produkte und überraschen regelmässig mit neuen Ideen.
Holger Lackhoff, Geschäftsführer Marketing Haribo DACH
Bei allem was wir tun, stellen wir die Konsumenten in den Mittelpunkt. Uns ist es wichtig, ihre sich verändernden Bedürfnisse durch Innovationen zu adressieren und somit auch Wachstumsimpulse für die Kategorie zu geben. Eine starke Marke schafft es, die Herzen ihrer Zielgruppe(n) zu gewinnen, indem sie positive Gefühle, Momente und Erinnerungen mit ihr verknüpft. Zum Beispiel der besondere Moment, wenn wir uns ein Stückchen Milka Schokolade auf der Zunge zergehen lassen. So haben wir zum Beispiel 2022 eine weiterentwickelte Rezeptur bei unserer Marke Milka im Markt eingeführt: Durch den höheren Kakaoanteil ist Milka Alpenmilch jetzt noch schokoladiger. Dafür verwendet Milka wie bisher nachhaltig angebauten Kakao aus dem «Cocoa Life»-Nachhaltigkeitsprogramm von Mondelēz International. Für unsere Konsumenten ist dies sichtbar am «Cocoa Life»-Logo, das im Zuge des Relaunchs nun auf der Vorderseite der Verpackung der Milka Tafeln abgebildet ist.
Martin Kaufmann, SVP & Managing Director Mondelēz International Deutschland, Österreich & Schweiz
Krisen können auch ein Katalysator sein, eine Chance sich noch stärker, auf die eigenen Markenwerte zu besinnen. So ist zum Beispiel die enge Zusammenarbeit mit Fairtrade ein Herzensanliegen von Manner. Denn Kakao ist für Manner der wichtigste Rohstoff, er macht fast 30 Prozent des Rohstoffeinsatzes aus und ist somit eines der zentralen Themen der Manner Nachhaltigkeits-Strategie. Um die enormen Herausforderungen im Kakaoanbau anzugehen, von Armut über Kinderarbeit bis zum Klimawandel, setzt Manner für eine nachhaltig umgesetzter Produktverantwortung auf Fairtrade.
Josef Stollenwerk, Vertriebsleiter Manner Deutschland