Lifestyle-Produkt Kautabak

Dienstag, 14. Juli 2020
Fotos: stock.adobe.com/Fxquadro, Uros Petrovic

Immer mehr Raucher suchen nach Alternativen zur Zigarette – und greifen zu Kautabak. In einigen skandinavischen Ländern wird schon mehr gekaut als gequalmt. Deutschland zieht nach.

Fussball-Nationalspieler Marco Reus (Borussia Dortmund) tut es. Ebenso wie Stürmer-Star Karim Benzema (Real Madrid) und viele andere Profi-Sportler: Sie konsumieren Kautabak und zeigen dies in sozialen Netzwerken wie Instagram oder auch in aller Öffentlichkeit. So wie sie suchen auch immer mehr Raucher nach Alternativen zur Zigarette – und greifen ebenfalls zum Kautabak. In Schweden wird bereits mehr Tabak gekaut als gequalmt. Ein ähnlicher Trend zeichnet sich in Dänemark ab. Auch in anderen europäischen Staaten wird Kautabak zunehmend nachgefragt. Deutschland macht da keine Ausnahme. Nach Schätzungen der Industrie gab es in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2018 zirka 260 000 Konsumenten. Mittlerweile sind es schon deutlich mehr: Laut den Marktforschern von Nielsen wurden zwischen Januar und November 2019 im Einzelhandel rund 45 Tonnen Kautabak abgesetzt. Dies entspricht einer Steigerungsrate von mehr als 100 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Diskrete Alternative zur Zigarette

«Die Gründe für das Wachstum liegen auf der Hand», sagt ein Sprecher von Reemtsma. «Erstens ist Kautabak eine diskrete Alternative zur klassischen Zigarette und kann immer und überall konsumiert werden, ohne Belästigung Dritter.» Auch in den zahlreichen Rauchverbots-Zonen. «Zweitens gilt Kautabak im Vergleich zu traditionellen Zigaretten als weniger schädlich, weil das Produkt weder verbrannt noch erhitzt wird. Das hat das Deutsche Krebsforschungszentrum bestätigt.»

Hinzu kommt, dass sich das Image von Kautabak grundlegend gewandelt hat. Anfang des vergangenen Jahrhunderts war das Kauen von Tabak vor allem in der Unterschicht verbreitet, die damit den Hunger unterdrückte. Ausserdem galt es als unappetitlich. Denn nach dem Kauen wurde der braune Sud ausgespuckt, was in Westernfilmen häufig zu sehen ist. In der Folgezeit verschwand Kautabak weitgehend von der Bildfläche. Inzwischen ist er aber wieder aus seiner Nische aufgetaucht. Allerdings erinnert inzwischen nichts mehr an «alte Zeiten». Abgesehen von seiner Bezeichnung. Aus Kautabak ist mittlerweile ein Lifestyle-Produkt geworden.

«Ein Genusserlebnis für trendbewusste Menschen», sagt Steffen Kahnt, stellvertretender Geschäftsführer vom Bundesverband des Tabakwaren-Einzelhandels. Im Gegensatz zu anderen Experten hält
sich Ralf Schneider zwar mit Prognosen zurück. Aber auch der Pressesprecher des Verbands der Deutschen Rauchtabakindustrie schliesst einen Hype des Kautabaks nicht aus. «Solche Entwicklungen, mit denen niemand gerechnet hat, gab es auch schon bei diversen anderen Produkten.»

Die Voraussetzungen dafür stehen gut, zumal die grossen Konzerne den Verkauf kräftig pushen. Die Einführung neuer Produkte wird regelrecht inszeniert. Beispiel BAT: Das Unternehmen, das mit «Epok» bereits im deutschen Kautabak-Markt vertreten ist, präsentierte beim letztjährigen Formel-1-Rennen auf dem Hockenheimring mit «Lyft» eine zweite Marke, die auch hierzulande kurz vor dem Launch stehen dürfte. Reemtsma, seit 2002 eine hundertprozentige Tochter der internationalen Imperial Tobacco Group, wiederum setzt bei ihrem Produkt «Skruf» auf breitangelegte Werbekampagnen in grossstädtischen Szenekneipen und Flughäfen. Mit frechen Slogans wie «Mach’s im Stehen» oder  «Mach’s im Flieger».

Damit wird eine Zielgruppe angesprochen, die meist jung und männlich ist und über ein gutes Einkommen verfügt. «Das sind im Kern die 20- bis 35-jährigen Konsumenten, die für besondere Momente den aussergewöhnlichen Kick suchen», erklärt dazu ein Mitarbeiter des Key Accounts Tankstelle von Arnold André, der neben Zigarren und Zigarillos auch Kautabak produziert. «Eine weitere grosse Gruppe sind Verbraucher, die täglich zu Nikotin-Pouches greifen, weil sie darin eine rauchfreie, genussvolle Alternative zur Zigarette sehen.» Am Zeitgeist orientiert sich auch der stylishe Look der Dosen. Ebenso der Konsum des Produkts: Verpackt ist der Kautabak in kleine weisse Beutelchen, Chewing-Bags oder Pouches genannt. Diese werden leicht angekaut, wodurch sich der Geschmack entfaltet, und dann unter die Oberlippe geschoben.

Stark gefragt ist das neue und gleichzeitig jahrhundertealte Kulturprodukt vor allem im Convenience-Bereich. Dort werden laut Reemtsma-Marktforschung 99 Prozent der Umsätze mit Kautabak generiert. Davon profitieren vor allem Tankstellen: mit einem Anteil von fast 70 Prozent. Peter Pütz, Director Category Tobacco bei Lekkerland, weiss, warum dieses Produkt so interessant für Stationäre ist: «Weil es wenig Stellfläche benötigt, kein Mindesthaltbarkeitsdatum hat und gute Margen verspricht.» Bei der Zusammenstellung des Sortiments empfiehlt Pütz den Tankstellen «stark beworbene Marken wie Epok und Skruf». Gleichzeitig sollten sie auf eine breite Auswahl achten. «Unterschiedliche Nikotinstärken sind in diesem Segment von grosser Bedeutung.» Ausserdem rät der Experte, «das Angebot möglichst zu bündeln und gut sichtbar zu präsentieren », zum Beispiel in Theken-Displays.

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Info

Kautabak
Grundlage des Kautabaks ist fast ausschliesslich Kentucky-Tabak. Er wird über Wochen in Tabaksossen getränkt, die Dutzende verschiedener Essenzen beispielsweise aus Zitronen, Pflaumen, Feige, Honig oder Lakritze enthalten. Kautabake werden entgegen ihrem Namen heutzutage nicht mehr gekaut, sondern im Mund zwischen Wange und Kiefer gelegt. Inzwischen hat sich Kautabak zu einem Nischenprodukt entwickelt.

Quelle: VdR Verband der deutschen Rauchtabakindustrie e.V.

Info

Wo und wie Kautabak am POS platziert werden sollte

  • Optimal ist eine eigene Kategorielösung mit Platzierung in einem gesonderten und gut sichtbaren Kautabakregal oder einem Kautabak-Kühlschrank.
  • Wo dies nicht möglich ist, ist eine Platzierung auf Augenhöhe im Tabakregal empfehlenswert. Denn für den erfolgreichen Abverkauf ist die Sichtbarkeit der neuen Produkte entscheidend.
  • Um die bestmögliche Aufmerksamkeit für die neuen Produkte zu erreichen, sollten nach Möglichkeit auch Zweitplatzierungen zum Einsatz kommen. Reemtsma empfiehlt hierbei eine Platzierung im «skruf Kautabak»-Kühlschrank oder im Thekentool.
  • Die Lagerung im Kühlschrank bietet darüber hinaus den Vorteil, dass die Produkte länger frisch bleiben.

Quelle: Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH