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Zum ersten Mal in der Geschichte der Fussball-Weltmeisterschaft wird das Turnier im Winter stattfinden. Dann rollt der Ball ab dem 21. November in Fussballstadien im Ausrichterland Katar. Für den Handel stellt sich hierbei die Frage, auf welche Produkte er sich fokussieren sollte.
Die WM ist eine der wenigen Ereignisse der modernen Welt, die Menschen nahezu weltweit gleichzeitig zusammenbringt. Während immer mehr Bereiche des Lebens sich voneinander trennen, so überwindet der Fussball diesen gesellschaftlichen Trend für einen kurzen Augenblick. Davon ist Prof. Dr. Oliver Errichiello, Geschäftsführer Büro für Markenentwicklung überzeugt. In diesem Sinne sei die Fussball-WM viel mehr als ein Sport. Es ist ein Fest der Gemeinschaft. «Vor diesem Hintergrund sind alle Produkte gewinnbringend, die wir mit Familie, Freunden oder Gleichgesinnten «teilen» können: Süssigkeiten, Tiefkühlwaren und Getränke sind inzwischen gelernte Begleiter zu einem Fussballspiel.»
Produkte zur Winter-WM
In Bezug auf die Weltmeisterschaft sollte der Handel neben den gewohnten Fan-Artikeln verstärkt auf Süsswaren und Snacks setzen, dazu rät die BBE Handelsberatung GmbH. Diese würden in den heimischen Wohnzimmern mehr konsumiert als bei einer Sommer-WM mit vielen Public Viewings. Ebenso wird der heimische Bedarf an Bier und Erfrischungsgetränken steigen. Für zusätzliche POS-Impulse können Sammelkarten oder andere WM-nahe Aktionen des Handels sorgen.
Auch bei der Winter-WM liegen Bier und Snacks ganz vorn in der Gunst der LEH-Kunden, dies hat die aktuelle Shopper-Studie von POSpulse und UGW «WM 2022 – ein Wintermärchen?» herausgefunden. Indessen wird Grillkost an Relevanz verlieren. Der Anteil der Barbecue-Freunde sinkt laut den Autoren der Studie von knapp 60 Prozent bei einer normalen WM auf gut 22 Prozent im November/Dezember. Potenzial sehen die Marktforscher bei warmen alkoholischen Getränken (19,79 %) sowie bei Nüssen (23 %), die für die Befragten zum WM-Fussballabend im November/Dezember dazu gehören.
Positives Weihnachtsgeschäft
Deutliche Auswirkungen auf das Weihnachtsgeschäft sieht die BBE Handelsberatung GmbH nicht. «Der Promotiondruck steigt zusätzlich, in Summe wird das Weihnachtsgeschäft noch positiver ausfallen als ohne WM. Verglichen mit entgangenen Zusatzumsätzen einer Sommer-WM wird der Anteil jedoch deutlich geringer ausfallen», erklärt Geschäftsführer Dr. Johannes B. Berentzen. Die Intensität der Überschneidung werde ausserdem ganz entscheidend vom sportlichen Erfolg der deutschen Nationalmannschaft abhängen.
Fakt ist: Die neue Erfahrung einer WM zur Weihnachtszeit wird interessante Eindrücke hervorbringen. «Gerade in unserem grösstenteils reglementierten und überplanten Alltag suchen wir nach Nischen, zum Beispiel den Einkauf, wo wir in einem kontrollierten Rahmen witzige, spannende oder interessante Erfahrungen machen können», bemerkt dazu Prof. Dr. Oliver Errichiello. Mit den Feldern Weihnachten, Kuwait und Fussball-WM würden sich überraschende Aktionen, Motive und Produkte inszenieren lassen. «In diesem Sinne werden eher Spontankäufe angeregt, die uns Spekulatius und Chips gleichzeitig in den Einkaufswagen legen lassen.»
Ansätze der Vermarktung
Neben der Platzierung der richtigen Produkte, steht der Handel auch vor der Herausforderung, WM und Weihnachtsgeschäft erfolgreich unter einen Hut zu bringen. Ausser Frage steht, dass sowohl im Weihnachtsgeschäft als auch zur WM Zweitplatzierungen starke Umsatztreiber sind. Insofern ist eine zeitliche und inhaltliche Abstimmung in der Belegung dieser Flächen notwendig. Ebenso müssen sich beide Themen die Werbeflächen teilen, sowohl offline im Handzettel als auch online. Dazu bemerkt Dr. Berentzen: «Eine inhaltliche Verknüpfung halte ich für schwierig. Auch hier gilt: das Weihnachtsgeschäft kommt so oder so, für das zusätzliche WM-Geschäft empfiehlt sich in Abstimmung mit den Industriepartnern ein agiler Ansatz, der je nach sportlichem Erfolg kurzfristig anpassbar ist.»
«Indem das Ungewohnte zelebriert wird», darin sieht Dr. Errichiello eine Lösung beide Events miteinander zu verknüpfen. «In der Markenführung spricht man von sogenannten «Wunderstrukturen»: Wunder sind Kombinationen von Erfahrungen, die «normalerweise» nicht zusammengehören. Wein aus Dänemark zum Beispiel. Dies kennen wir nicht und haben in der Regel andere Erfahrungen gemacht. Das macht uns neugierig und ruft Aufmerksamkeit hervor.» Vor diesem Hintergrund sollten sich Händler nicht scheuen, so viel «Wunder» wie möglich am POS zu planen. «Das ist eine unglaubliche Chance, sofern man bereit ist, in ausgewählten Bereichen unsere Erwartungshaltungen gezielt durcheinander zu bringen und Gewohntes mit einem Augenzwinkern zu irritieren», resümiert Markenprofessor Oliver Errichiello.
Die Studie
POSpulse hat zusammen mit UGW die Shopper-Studie «WM 2022 – ein Wintermärchen? Eignet sich die Fussball-WM in Katar als Vermarktungsanlass» herausgebracht. Dazu wurde eine repräsentative Anzahl an LEH-Shoppern über die App Streetspotr interviewt, um ihre Einstellungen, Sichtweisen und Vorhaben rund ums Sport- und Medienereignis Fussball-WM kennenzulernen. Die nationale Befragung fand im Februar deutschlandweit statt und deckt Altersgruppen ab 18 bis über 50 Jahre ab. Hier einige Auszüge der Ergebnisse:
- Für mehr als 40 % der befragten LEH-Kunden passt die Fussball-WM nicht zur Vorweihnachtszeit.
- Ungefähr ein Fünftel der Befragten findet es gut, dass das Sportereignis im Winter stattfindet, da es mal etwas anderes ist.
- Für ein gutes Fünftel der Shopper kann Weihnachtsstimmung und Fussball-WM gut miteinander kombinieren.
- 34,56 % der Befragten plant ein WM-Treffen mit Freunden zuhause auf dem Sofa.
- 40,47 % der Studienteilnehmer können sich vorstellen, den WM-Abend am TV mit weihnachtlichen Snacks und Getränken zu verbringen.
- Bei WM-Aktionsdisplays sehen sich lediglich 14 % der potenziellen Käufer zugreifen. Immerhin knapp ein Fünftel kann sich einen Kauf von kombinierten Weihnachts-/WM-Platzierungen vorstellen.
- Die Mehrheit (46,72 %) findet es nicht gut oder weniger gut, wenn Marken zur WM in Katar Werbeaktionen im Supermarkt durchführen. Nur knapp jeder fünfte Shopper findet ein WM-Engagement von Marken in Form von WM-Kampagnen gut.
- Fast 30 % der LEH-Shopper wünschen sich kombinierte Sondereditionen aus Weihnachten und Fussball-WM.