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Angesichts der wachsenden Zahl von Vegetariern und Flexitariern ist die Fleischbranche bemüht, Verbrauchervertrauen zurückzugewinnen. Die Initiative Tierwohl soll es jetzt richten.
Zahlreiche Skandale in der Nutztierhaltung und Fleischwirtschaft haben das Vertrauen einer wachsenden Zahl von Verbrauchern nachhaltig erschüttert. Kupierte Schwänze, verendete Ferkel oder Antibiotika für Zigtausende Hühner, die sich auf engstem Raum drängen – Nachrichten über den Alltag in deutschen Ställen verderben vielen Fleischessern zunehmend den Appetit auf billige Massenware. Dabei steht neben Gesundheitsaspekten auch das Thema Tierwohl in der Bevölkerung zunehmend im Fokus. „Immer mehr Verbraucher hinterfragen kritisch Herkunft, Aufzucht und Schlachtung der Tiere. Themen wie Werte und Verantwortung in der Lieferkette sind für die Zukunft ein wachstumsrelevantes Thema“, sagt Carsten Nicolaisen, Vorstand von Block Foods. Einer Umfrage des Bundeslandwirtschaftsministeriums zufolge finden es 89 Prozent der Deutschen wichtig, dass Lebensmittel aus tiergerechter Haltung stammen. In Kooperation mit der landwirtschaftlichen Stufe sind dabei nach Informationen aus der Fleischindustrie bereits große Fortschritte in Richtung eines verbesserten Tierwohls erzielt worden. Und dies wird auch kommuniziert. Für mehr Transparenz bei Herkunft und Tierhaltung sorgen etwa regionale Konzepte und QR-Codes auf den Produktverpackungen.
Die Fleischbranche will seit dem vergangenen Jahr mit einer Initiative zum Tierwohl bei Schwein und Geflügel ihr Bekenntnis zu einer nachhaltigen Fleischerzeugung unterstreichen und hat sich selbst dazu verpflichtet, die Haltungsbedingungen für Nutztiere weiter zu verbessern. Dazu zählen etwa ein erhöhtes Platzangebot oder organisches Nestbaumaterial. Aufgrund verschiedenartiger Marktstrukturen bei Schwein und Geflügel wurden für die Wertschöpfungskette unterschiedliche Umsetzungsvorgaben und Kriterienkataloge erarbeitet, so der zuständige Koordinators der Initiative. Beide Programme enthalten sogenannte Grundanforderungen, die von allen teilnehmenden Betrieben erfüllt werden müssen, sowie Wahlpflichtkriterien (siehe auch Interview mit Dr. Alexander Hinrichs von QS). Neben Erzeugern und Branchenverbänden unterstützen auch führende Vertreter aus dem Lebensmitteleinzelhandel die Initiative, darunter auch Kaufland. Finanziert wird diese unter anderem durch Zahlung eines Tierwohl-Beitrags für die gesamte Menge QS-gelabelter Ware im Handel. Damit soll der Mehraufwand der Tierhalter für die Umsetzung zusätzlicher Tierwohl-Kriterien honoriert werden.
Die Verbraucher müssten sich aber auch dessen bewusst sein, dass weitere gravierende Verbesserungen auf der landwirtschaftlichen Seite nicht zum Nulltarif zu haben sind, unterstreichen Branchenexperten und sprechen damit das sensible Thema Preis an. Der soziale Wunsch nach mehr Tierwohl führe noch nicht immer zu einem veränderten Kaufverhalten. Nach wie vor ist laut Fleischindustrie der Preis bei den meisten der Endverbraucher das wichtigste Kaufargument. Beim Konsumverhalten spielen der persönliche Anspruch, aber auch das individuelle Haushaltsbudget in Kombination mit dem Bildungsstatus eine wichtige Rolle. Das Produkt allein kann über Verpackung und Kommunikation nur zum Teil dazu beitragen, das Verbrauchervertrauen zu stabilisieren. Auch die Handelsunternehmen als Einkaufsquelle sind hier gefragt, sich erfolgreich als „Lebensmittelgeschäft des Vertrauens“ bei den Verbrauchern zu positionieren.
Auch der Deutsche Tierschutzbund und die Tierschutzorganisation Vier Pfoten bemühen sich um mehr Tierwohl: Sie wollen mit der Herausgabe von Siegeln die Transparenz von Herkunft und Tierhaltung verbessern. Der Tierschutzbund hat mit Unterstützung des Bundesverbraucherministeriums ein Siegel „Für mehr Tierschutz“ auf den Markt gebracht. Produkte mit diesem Siegel sowie dem „Vier-Pfoten-Label“ sind seit Januar 2013 bundesweit im Handel und sollen Verbrauchern im Supermarkt mehr Sicherheit beim Fleischeinkauf vermitteln. Gut zehn Prozent teurer soll etwa das mit dem höheren Tierschutz des Tierschutzbundes gelabelte Schweinefleisch sein. Dafür bekommen die Schweine mehr Platz, einen tiergerechten Stall sowie die Möglichkeit zur Beschäftigung und zum Auslauf. Außerdem gelten speziell bei diesem Siegel auch neue Regeln für Tiertransport und Schlachtung. Auch bei Masthühnern gibt es die neue Kennzeichnung. Wer die Kriterien erfüllt, darf sein Fleisch mit dem Ein-Stern-Label versehen. Schon bei der „Einstiegsstufe“ seien die Anforderungen deutlich höher als die gesetzlichen Regelungen, erklärt der Tierschutzbund. Noch mehr Tierschutz verspricht der Premium-Doppelstern. Die Fleischwirtschaft hält dagegen weitere Siegel angesichts der schon bestehenden Siegel-Flut nicht für zielführend (siehe Hersteller-Statements).