Fleisch: Neue Wege

Mittwoch, 02. Juli 2014
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Angesichts der wachsenden Zahl von Vegetariern und Flexitariern ist die Fleischbranche bemüht, Verbrauchervertrauen zurückzugewinnen. Die Initiative Tierwohl soll es jetzt richten.

Zahlreiche Skandale in der Nutztierhaltung und Fleischwirtschaft haben das Vertrauen einer wachsenden Zahl von Verbrauchern nachhaltig erschüttert. Kupierte Schwänze, verendete Ferkel oder Antibiotika für Zigtausende Hühner, die sich auf engstem Raum drängen – Nachrichten über den Alltag in deutschen Ställen verderben vielen Fleischessern zunehmend den Appetit auf billige Massenware. Dabei steht neben Gesundheitsaspekten auch das Thema Tierwohl in der Bevölkerung zunehmend im Fokus. „Immer mehr Verbraucher hinterfragen kritisch Herkunft, Aufzucht und Schlachtung der Tiere. Themen wie Werte und Verantwortung in der Lieferkette sind für die Zukunft ein wachstumsrelevantes Thema“, sagt Carsten Nicolaisen, Vorstand von Block Foods. Einer Umfrage des Bundeslandwirtschaftsministeriums zufolge finden es 89 Prozent der Deutschen wichtig, dass Lebensmittel aus tiergerechter Haltung stammen. In Kooperation mit der landwirtschaftlichen Stufe sind dabei nach Informationen aus der Fleischindustrie bereits große Fortschritte in Richtung eines verbesserten Tierwohls erzielt worden. Und dies wird auch kommuniziert. Für mehr Transparenz bei Herkunft und Tierhaltung  sorgen etwa regionale Konzepte und QR-Codes auf den Produktverpackungen.

Die Fleischbranche will seit dem vergangenen Jahr mit einer Initiative zum Tierwohl bei Schwein und Geflügel ihr Bekenntnis zu einer nachhaltigen Fleischerzeugung unterstreichen und hat sich selbst dazu verpflichtet, die Haltungsbedingungen für Nutztiere weiter zu verbessern. Dazu zählen etwa ein erhöhtes Platzangebot oder organisches Nestbaumaterial. Aufgrund verschiedenartiger Marktstrukturen bei Schwein und Geflügel wurden für die Wertschöpfungskette unterschiedliche Umsetzungsvorgaben und Kriterienkataloge erarbeitet, so der  zuständige Koordinators der Initiative. Beide Programme enthalten sogenannte Grundanforderungen, die von allen teilnehmenden Betrieben erfüllt werden müssen, sowie Wahlpflichtkriterien (siehe auch Interview mit Dr. Alexander Hinrichs von QS). Neben Erzeugern und Branchenverbänden unterstützen auch führende Vertreter aus dem Lebensmitteleinzelhandel die Initiative, darunter auch Kaufland. Finanziert wird diese unter anderem durch Zahlung eines Tierwohl-Beitrags für die gesamte Menge QS-gelabelter Ware im Handel. Damit soll der Mehraufwand der Tierhalter für die Umsetzung zusätzlicher Tierwohl-Kriterien honoriert werden.

Die Verbraucher müssten sich aber auch dessen bewusst sein, dass weitere gravierende Verbesserungen auf der landwirtschaftlichen Seite nicht zum Nulltarif zu haben sind, unterstreichen Branchenexperten und sprechen damit das sensible Thema Preis an. Der soziale Wunsch nach mehr Tierwohl führe noch nicht immer zu einem veränderten Kaufverhalten. Nach wie vor ist laut Fleischindustrie der Preis bei den meisten der Endverbraucher das wichtigste Kaufargument. Beim Konsumverhalten spielen der persönliche Anspruch, aber auch das individuelle Haushaltsbudget in Kombination mit dem Bildungsstatus eine wichtige Rolle. Das Produkt allein kann über Verpackung und Kommunikation nur zum Teil dazu beitragen, das Verbrauchervertrauen zu stabilisieren. Auch die Handelsunternehmen als Einkaufsquelle sind hier gefragt, sich erfolgreich als „Lebensmittelgeschäft des Vertrauens“ bei den Verbrauchern zu positionieren.

Auch der Deutsche Tierschutzbund und die Tierschutzorganisation Vier Pfoten bemühen sich um mehr Tierwohl: Sie wollen mit der Herausgabe von Siegeln die Transparenz von Herkunft und Tierhaltung verbessern. Der Tierschutzbund hat mit Unterstützung des Bundesverbraucherministeriums ein Siegel „Für mehr Tierschutz“ auf den Markt gebracht. Produkte mit diesem Siegel sowie dem „Vier-Pfoten-Label“ sind seit Januar 2013 bundesweit im Handel und sollen Verbrauchern im Supermarkt mehr Sicherheit beim Fleischeinkauf vermitteln. Gut zehn Prozent teurer soll etwa das mit dem höheren Tierschutz des Tierschutzbundes gelabelte Schweinefleisch sein. Dafür bekommen die Schweine mehr Platz, einen tiergerechten Stall sowie die Möglichkeit zur Beschäftigung und zum Auslauf. Außerdem gelten speziell bei diesem Siegel auch neue Regeln für Tiertransport und Schlachtung. Auch bei Masthühnern gibt es die neue Kennzeichnung. Wer die Kriterien erfüllt, darf sein Fleisch mit dem Ein-Stern-Label versehen. Schon bei der „Einstiegsstufe“ seien die Anforderungen deutlich höher als die gesetzlichen Regelungen, erklärt der Tierschutzbund. Noch mehr Tierschutz verspricht der Premium-Doppelstern. Die Fleischwirtschaft hält dagegen weitere Siegel angesichts der schon bestehenden Siegel-Flut nicht für zielführend (siehe Hersteller-Statements).

 

 

News

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Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

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Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

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Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

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In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Interview

Interview mit Dr. Alexander Hinrichs, QS Qualität und Sicherheit, Bonn, über die konzertierte „Initiative zum Tierwohl“ von Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und LEG.

Welche Bedeutung hat die Initiative?
Mit der Initiative zum Tierwohl bringen Vertreter aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und LEH eine Branchenlösung auf den Weg, die mit dem Konzept Tierwohl erstmalig eine marktweite Verbesserung des Tierwohls ohne Wettbewerbsnachteile ermöglichen soll.

Worin besteht das Ziel?
Der Konsument soll wissen, dass er mit dem Kauf der Produkte eine gute Sache unterstützt. Um den Mehrwert der Initiative zum Tierwohl gegenüber der Öffentlichkeit deutlich zu machen, wird es eine Kommunikation geben, die Verbraucher durch die richtige Ansprache motiviert, die Anstrengungen der Tierhalter anzuerkennen.

Wo wird der Hebel angesetzt?
Gemeinsam mit Experten aus Wissenschaft und Tierschutz wurden weitreichende und belastbare Kriterien entwickelt, deutlich über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Teilnehmende Schweinehalter müssen alle einheitlichen Grundanforderungen erfüllen. Darüber hinaus wählen sie aus einem Katalog weitere Kriterien aus, wie zum Beispiel ein erhöhtes Platzangebot oder organisches Nestbaumaterial.
 

 

Statements

Vossko
„Verbraucher nutzen Gütesiegel  als Orientierungshilfe, ganz besonders beim Einkauf von Nahrungsmitteln. Je besser sie verstehen, wie die Tester zu ihren Urteilen kommen, je mehr sie von deren Objektivität überzeugt sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie für Fleisch und Geflügel ein neues Siegel akzeptieren und Produkte mit ihm im LEH nachfragen“.

Block Foods
„Leider gibt es, nicht nur in der Fleisch- und Wurstwarenbranche, eine Inflation an Siegeln. Das ist nicht unbedingt vertrauensbildend. Gut fänden wir eine Vereinheitlichung der Siegel. Ebenfalls glaubhaft erscheint uns, wenn ein Unternehmer über ein Siegel mit seinem Namen für Qualität, Sicherheit und Werte bürgt.“

Rügenwalder
„Um größtmögliche Produktsicherheit zu garantieren, untersucht neben unserem eigenen Labor regelmäßig auch das renommierte SGS Institut Fresenius die Waren. Es gehört zu den bekanntesten Siegeln in Deutschland. Man darf jedoch die Vielfalt der Siegel nicht überschätzen. Hier gilt: Weniger ist mehr.“

Höhenrainer
„Das Vertrauen der Verbraucher und der Absatzmittler ist nicht mit Siegeln zu gewinnen, nur mit schnellen, offenen und kompetenten Reaktionen auf die Krisenthemen. Schnell und dabei kompetent ist allerdings nicht immer leicht miteinander zu vereinbaren.“

 

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Das neue tiefgefrorene Carpaccio 2x80 Gramm von Block Foods ist hauchzart und küchenfertig und kann nach 20 Minuten Tauzeit angerichtet und serviert werden. UVP: 4,39 Euro.

Die Höhenrainer Puten-Weißwurst ist ein Klassiker aus reinem Putenfleisch.

Die Klassiker von Vossko gibt es jetzt auch ohne Fleisch: Soja- Nuggets, Soja-Schnitzel und unpanierte Soja-Streifen sollen wie Hähnchenprodukte aussehenund schmecken.

Das Unternehmen hat sein Snack- und Convenience-Angebot weiter ausgebaut. Neu sind die Mühlen Currywurst und Mühlen Frikadellen in Currysauce in der typischen Imbissbuden-Schale.