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Eine neue Sortenvielfalt bringt derzeit Bewegung in den deutschen Biermarkt, auch das Interesse der Verbraucher scheint wieder zu steigen. Dabei ist traditionelles Brauhandwerk besonders gefragt.
Bierspezialitäten, regionale Biere, Craft-Biere, Hell- und Schwarzbiere, trendige Importbiere mit internationalem Flair, neue Biermixgetränke, alkoholfreie Sorten: Keine Frage, im Biermarkt ist eine beeindruckende Angebotsvielfalt auf hohem Niveau entstanden, die frischen Wind in den Biergenuss bringt. Die neuen Biere sprechen probierfreudige Zielgruppen ebenso an wie Traditionalisten. Im schrumpfenden Biermarkt sei Kreativität gefragt, unterstreicht Rainer Emig, Vertriebsdirektor Handel bei der Brauerei Veltins. Man erlebe kreative Biere mit großer Sortentradition, aber auch brauhandwerkliche Newcomer. Das Gute daran: Die Sortenvielfalt sorgt für ein „neu erwachtes Interesse für das Produkt Bier über alle Altersgruppen hinweg“, so Andreas Reimer, Bitburger-Vertriebsdirektor Handel. Dies spiegelt sich auch in der aktuellen Entwicklung des gesamten Biermarktes wider: Er verzeichnete laut Nielsen in den vergangenen zwölf Monaten (bis einschließlich März 2014) einen leichten Umsatz- und Absatzzuwachs. Zu den Wachstumstreibern zählten laut Nielsen vor allem die hellen Sorten mit einem überproportionalen Plus von knapp sieben Prozent sowie Lager mit mehr als drei Prozent. Die volumenstärkste Sorte Pils blieb in der Mengenentwicklung stabil.
Großer Innovationsdruck
Der Innovationsdruck ist groß. Die Brauereien versuchen, die differenzierten Verbraucherwünsche mit weiteren Spezialitäten zu bedienen, um neue Zielgruppen zu erschließen. Nicht nur Krombacher hat sich dabei in den vergangenen Jahren von einer Monomarke zur Sortimentsmarke entwickelt. Auch Veltins als nationale Marke setzt auf eine ähnliche Strategie. Die Radeberger-Gruppe vertreibt zusätzlich große Importbiermarken exklusiv in Deutschland, und setzt gleichzeitig im regionalen Bereich auf die Wiederentdeckung fast vergessener, traditionsreicher Biere. Dazu gehören etwa Grüner Bier von der fränkischen Brauerei Tucher oder das mild-gehopfte M&O, benannt nach den Gründervätern der Hanseatischen Brauerei Rostock.
Zurück zu den Wurzeln
Überhaupt besinnt sich die Brauwirtschaft wieder auf das klassische Brauhandwerk – und liegt damit absolut auf der Höhe des Zeitgeistes. Die Wiederentdeckung der handwerklichen Tradition passt gut zum aktuellen gesellschaftlichen Wertekanon aus Regionalität, Nachhaltigkeit, Glaubwürdigkeit und Wertigkeit. Auch in geschmacklicher Hinsicht punkten die neuen süffigen Biere mit der leicht malzigen Note bei einer immer größer werdenden Zielgruppe. Die Geschmackspräferenz gehe in Deutschland seit Jahren in der Kernzielgruppe der 25- bis 35-Jährigen zu weniger herben Bieren, zitiert man bei Krombacher die Ergebnisse einer Opinion-Studie. Die Antwort auf diese Verbraucherwünsche sieht Krombacher in der Neuheit Krombacher Hell, der ersten Premiummarke, die im Segment Hell national auftritt. Mit der Marke lässt das Unternehmen eine schon über 100-jährige Brautradition in Krombach wieder aufleben. Schon damals wurde dort die Biersorte helles Lagerbier gebraut. Auch das neue Grevensteiner Landbier von Veltins beruft sich auf altehrwürdiges Brauhandwerk. Das bernsteinfarbene Bier, aktuell in der Markteinführung, wird unter Verwendung historischer Malzsorten gebraut und erhält dadurch seine malzig-süffige Prägung. Drittes im Bunde ist das Köstritzer Kellerbier von Bitburger, bei dem man sich ebenfalls auf altes Brauhandwerk besinnt.
Biermischgetränke als Hoffnungsträger
Weitere Hoffnungsträger im Markt bleiben – neben den alkoholfreien Varianten – auch die traditionellen Biermischgetränke, die vor allem bei sommerlichen Temperaturen eine willkommene Erfrischung bieten und weiter zulegen konnten. Die „szenigen“ Biermischgetränke hingegen zeigen derzeit eine leicht rückläufige Tendenz. Trotz aller Innovationen: Die Biervielfalt wird wenig daran ändern, dass Pils mit 55 Prozent Anteil an der Gesamtbierproduktion auf lange Zeit auch das wichtigste Produktsegment bleiben wird. „Neue Trends wie Helles und Dunkelbier haben das Potenzial, sich langfristig als saisonale Angebote zu etablieren“, heißt es aus Krombach. Nach Einschätzung von Inbev wird sich der negative Markttrend im Gesamtmarkt noch weiter fortsetzen. „Mittelfristig wird der Markt sicher noch rund 10-15 Millionen Hektoliter an Menge verlieren – die gleiche Menge hat die Brauwirtschaft in den vergangenen zehn Jahren verloren.“