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Auf die bevorstehende Grillsaison ganz ohne Beschränkungen freuen sich Handel und Hersteller gleichermassen. Premiumgrillgut und Geflügelprodukte dürften bei den Konsumenten auch 2023 einen hohen Stellenwert geniessen. Unverzichtbar sind auch die pflanzlichen Grillalternativen, die gerade erst so richtig im Grillsegment ankommen.
Im vergangenen Jahr beendete ein verregneter September die Grillsaison mit negativen Vorzeichen. Laut Erhebungen des Marktforschungsinstituts GfK verzeichnete der Grillmarkt 2022 im Vergleich zu 2021 einen Rückgang von elf Prozent in der Einkaufsmenge (Basis: Grill-Rotfleisch, Grill-Geflügel, Bratwurst/Berner). Offensichtlich grillten wieder weniger Menschen zu Hause, was einerseits mit dem Ende der Corona-Beschränkungen und den häufigeren Restaurant- und Biergartenbesuchen zusammenhängen dürfte. Andererseits sahen sich viele Haushalte durch die enormen Preiserhöhungen bei Energie und Nahrungsmitteln veranlasst, den Gürtel enger zu schnallen.
Philipp Nahrmann, Head of Marketing bei The Family Butchers, kann die bescheidene Gesamtentwicklung bestätigen: «Der Markt für Bratwurst war 2022 rückläufig: Im Vergleich zum Vorjahr ist der Absatz 3,8 Prozent geringer ausgefallen. Neben einer inflations- und krisenbedingten Kaufzurückhaltung der Verbraucher hat auch die ungünstige Wetterlage zu absatzrelevanten Zeiten dazu beigetragen, dass die Grillsaison insgesamt eher schwach war.» Die im Vergleich zu Schweinefleisch, Geflügel und Bratwurst viel teureren Rindfleisch- und Fischprodukte entwickelten sich nach GfK-Angaben mit minus 20 Prozent (Fisch) und minus 28 Prozent (Rind) deutlich überproportional negativ in der Menge. Schweinefleisch, Geflügel und Bratwurst weisen dagegen im Mittel nur einen Rückgang um sieben Prozent auf.
Hohe Nachfrage nach Geflügel
Die Zahlen spiegeln auch den Rückgang des Fleischkonsums in Deutschland insgesamt wider. Der Pro-Kopf-Verzehr 2021 lag nach Angaben des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL) bei 55 Kilogramm und damit 2,1 Kilogramm unter dem Vorjahreswert. Dabei haben sich Schweinefleisch (– 4 %) und Rind- und Kalbfleisch (– 6 %) jeweils klar rückläufig entwickelt, während Geflügel nur ein leichtes Minus verzeichnete. Im Fünf-Jahres-Vergleich ist die positive Entwicklung von Geflügel mit einem Plus von knapp sechs Prozent deutlicher erkennbar; der Pro-Kopf-Verzehr von Rind- und Kalbfleisch hingegen reduzierte sich in diesem Zeitraum um vier Prozent, der von Schweinefleisch sogar um mehr als 15 Prozent.
Auf die anhaltend hohe Nachfrage nach Geflügelprodukten verweist auch Dr. Ingo Stryck, Leiter Marketing bei der PHW-Gruppe (Wiesenhof): «In unserer Range Chicken Schmiede haben wir insgesamt im Zeitraum März bis August 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Absatzplus von 11,4 Prozent erreicht.» Im gleichen Zeitraum ist allerdings der Geflügel-Bratwurstmarkt nach Erhebungen des Marktforschungsunternehmens IRI um 13,2 Prozent gesunken. Ungeachtet dessen ist davon auszugehen, dass die Bratwurstnachfrage insgesamt auch in dieser Saison – wie bereits in den vergangenen Jahren – wieder relativ hoch ausfallen wird.
Aufschwung für Qualität
Insgesamt zeigt sich die Branche optimistisch, dass die Grilllust in 2023 zurückkehren und wieder vermehrt Zuhause gegrillt wird. «Dann werden auch höherpreisiges Grillgut und Beilagen wieder einen Aufschwung erleben», prognostiziert Ulrike Fiedler, Director Marketing, Meggle Consumer Products West. Dem schliesst sich Claus Christmann, National Key Account Manager von Westland Kaasspecialiteiten an: «Die Menschen werden wieder häufiger mit grossen Gruppen von Freunden oder Familie grillen. Sie wollen gemeinsam eine schöne Zeit geniessen» Für den Handel ist es daher umso wichtiger, die aktuellen Trends sowie Bedürfnisse der Shopper zu kennen und die entsprechenden Produkte im Markt bereitzuhalten.
Aktuelle Trends
Einen spürbaren Aufwärtstrend in der Gunst der BBQ-Begeisterten erfährt der Bereich Grillspiesse. Dass die Nachfrage nach Grillspiessen zuletzt deutlich zugenommen hat, kann auch Rudolf Jaeger, Sprecher des Grillsportvereins sowie Grill- und BBQ-Weltmeister bestätigen: «Spiesse aller Art sind ein Riesentrend, ob mit Gemüse oder der klassische Russenspiess.» Ebenfalls beliebt sind Special Cuts. «Gerade das Flank Steak eignet sich sehr gut auch für Einsteiger, da es leicht zu grillen ist und immer lecker schmeckt. Zudem hat es wenig Fett und ist daher auch für gesundheitsbewusste Konsumenten interessant», erläutert Jaeger.
Bei der Auswahl des Grillguts ist allerdings keinesfalls davon auszugehen, dass es den Grillfans in erster Linie um eine einfache Zubereitung geht. Wenn es um Special Cuts geht, verfügen viele Shopper bereits über ein ausgeprägtes Basiswissen und möchten deshalb gut beraten werden. Das geht weit über das Schwenksteak und die klassische Bratwurst hinaus. Gefragt sind verschiedene Cuts von Rind und Schwein wie Teres Major, Flat Iron Steak, Cuscino, Secreto und das Tomahawk Steak. Dementsprechend ist neben der Wahl des Fleischguts die Wahl des Grills und des Zubehörs wie Grillmatten, -zangen bis hin zu -handschuhen von grosser Bedeutung. Händler können sich auch hier profilieren, wenn sie ihr Angebot entsprechend um Profi- und Premium-Equipment erweitern.
Traditionell und regional
Ferner spielt für den Shopper Herkunft, Qualität und Transparenz bei der Kaufentscheidung eine relevante Rolle. «Wir gehen davon aus, dass sich vor allem unsere regionalen sowie traditionellen Grillspezialitäten grosser Beliebtheit erfreuen werden», sagt Christian Wolf, Inhaber der Wolf Firmengruppe. Gerade für die junge Generation sei Bio nach wie vor wichtig. Aufgrund der Preisentwicklung habe sich der Nachfrageanstieg zwar etwas verlangsamt: «Insgesamt erwarten wir aber, dass hier die Nachfrage weiter steigen wird.» Dass bei Fleisch Hochwertigkeit Priorität hat, bestätigt auch Gabriele Weiss Brummer, Market Manager DACH bei Bord Bia: «Qualität wird hauptsächlich mit Tierhaltung/-wohl, Qualitätsnachweisen, Geschmack, Herkunft und nachhaltiger Produktion in Verbindung gebracht – wichtige Einflussfaktoren beim Fleischkauf». Skandale in der Fleischindustrie hätten die Verbraucher durchaus aufmerksamer werden lassen, «auch wenn die Inflation den Nachhaltigkeitstrend etwas abschwächt.»
Viel Potenzial
Bei der Rügenwalder Mühle beobachtet man, dass vegane und vegetarische Alternativen gerade erst so richtig im Grillsegment ankommen. «Im Vergleich zu anderen Bereichen liegen Fleischalternativen hier generell im Trend. Für uns zeigt sich daran, dass der Bereich der pflanzlichen Grillalternativen noch viel Potenzial bietet», sagt Claudia Hausschild, Leiterin Unternehmenskommunikation und Nachhaltigkeitsmanagement. Je jünger und weiblicher die Verbraucher, desto höher sei auch die Bereitschaft fleischlos zu grillen: «Laut einer Studie der GfK sind ein Drittel der Käufer von Fleischalternativen sogenannte Millenials». Um immer mehr und auch verschiedene Kundengruppen auf vegane Grillalternativen aufmerksam zu machen, gibt es die «Vegane Mühlen Bratwurst» seit diesem Jahr auch bei Erstligaspielen im Stadion von Borussia Dortmund an mehreren Ständen. Das Produkt sei beim ersten Mal schon vor dem Anpfiff ausverkauft gewesen.
Abwechslung und Klasse
Für Bastian Beie, Geschäftsführer der Block Handels GmbH, zeichnet sich schon seit einigen Jahren ab, dass die Verbraucher ernährungsbewusster einkaufen. «Der Vegan-Trend manifestiert sich vor allem bei den Kunden im Alter von 20 bis 40 Jahren. Auch Flexitarier greifen immer häufiger zu Fleischersatzprodukten.» Die beschriebene Zielgruppe schätze ein vielfältiges Angebot und sei sehr probierfreudig, solange die Preisschwellen noch akzeptiert würden.
Alternativen zu Fisch
Für Veganer sind beim Grillen zudem Fischalternativen wichtig, die zum Beispiel auf pflanzlichen Proteinen aus Reis, Erbsen und Ackerbohnen basieren können. Christophe Iwanski, Business Development bei Wunderfish, ist davon überzeugt, dass der Wunsch nach einem Ersatz von Fisch- und Meeresfrüchten beim Grillen grösser wird. «Diese müssen aber authentisch und lecker schmecken», sagt er. Das sei Voraussetzung dafür, dass eine breite Masse erreicht werden könne. So erzeugt das Unternehmen bei seinen Tu-Nah-Produkten unter der Marke bettaF!sh Aussehen und Geschmack von Thunfisch mittels Meeresalgen und Ackerbohnen.
Ausblick für 2023
Für die anstehende Grillsaison bleibt zu hoffen, dass insbesondere die hohe Inflationsrate und die damit einhergehende Verunsicherung der Verbraucher zurückgeht. Christian Wolf, Inhaber der Wolf Firmengruppe, rechnet indes damit, dass das Thema Grillen ganzjährig eine wichtige Rolle spielen wird: «Insgesamt sind wir optimistisch: Nicht nur eingefleischte Grillfans werden der beliebten Zubereitungsform treu bleiben. Die breitere Zielgruppe sorgt auch dafür, dass das Grillgut vielfältiger wird und weit über die üblichen Grillklassiker hinaus geht. Auf den Rost kommen daher neben Bratwurst und Steak immer öfter auch Grillkäse, aber auch vegane Produkte und daneben sind weiterhin Spezialitäten und regionale Produkte gefragt.»