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Die Anforderungen der Konsumenten an den deutschen LEH sind vielfältig. Über allem aber steht der Preis, wie aus einer Studie hervorgeht. Diese liefert auch eine neue Sicht auf die vielzitierte Einkaufsmacht des Handels.
Für rund zwei Drittel der deutschen Verbraucher ist ein Produktangebot mit bestmöglichem Preis-Leistungs-Verhältnis das wichtigste Leistungskriterium im Lebensmittelhandel. Das geht aus dem «Handelsreport Lebensmittel 2024» hervor, den das Institut für Handelsforschung (IFH) Köln im Auftrag des Handelsverbands Deutschland (HDE) erstellt hat. Der Report beleuchtet auch viele andere Aspekte, etwa die Positionen, die der LEH in der «Wertschöpfungskette Lebensmitteln» einnimmt.
LEH muss sich ständig optimieren
Neben einem Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis, das 66,9 Prozent der befragten Verbraucher als die wichtigste Leistung des LEH betrachten, sind eine grosse Auswahl verschiedener Produkte (60,9 %), die immer hohe Qualität der Produkte (60,5 %) und eine gute Erreichbarkeit der Geschäfte (59,8 %) die Top-Kriterien, die der LEH erfüllen muss. Darüber hinaus sieht aber auch bereits ein Viertel der Befragten die Bequemlichkeit beim Einkauf durch Technologieunterstützung als relevante Leistung. Eine weitere Erkenntnis der Studie: Will der Handel die Kundenerwartungen erfüllen, muss er seine Leistungen ständig optimieren und neu ausrichten. Denn, wenn ihre Ansprüche nicht befriedigt werden, wechseln die Kunden das Geschäft. Das gilt für acht von zehn Kunden, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Qualität nicht stimmen. Fünf von zehn Kunden wechseln das Geschäft, wenn ihnen die Sortimentsbreite zu klein ist.
Angebote treiben den Kunden
Die Verbraucher haben ein Grundbedürfnis nach flächendeckender Versorgung, das der Handel allerdings auch nahezu lückenlos deckt. 87 Prozent der für den Report Befragten stimmen der Aussage zu, dass sie immer ein Geschäft gut erreichen können, nur drei Prozent geben an, kein gut erreichbares Geschäft zu haben. Entsprechend dieser Vielfalt an Einkaufsstätten erwarten auch 70 Prozent, dass sie die Wahl zwischen unterschiedlichen Geschäften haben. Neben der Erreichbarkeit ist die Sortimentsspreizung ein wichtiger Faktor. Denn Verbraucher bevorzugen One-Stop-Shopping, wollen ihren Lebensmittelkauf also möglichst auf einmal erledigen. Allerdings hat dieses Kriterium in den letzten Jahren an Gewicht verloren. Im Jahr 2018 suchten 84,5 Prozent der Befragten gerne Lebensmittelgeschäfte auf, in denen sie ihren gesamten Einkauf erledigen können.
Aktuell haben noch 80,5 Prozent diese Präferenz. Der Hauptgrund für die Wahl der LEH-Einkaufsstätte ist die Nähe zum Wohnort oder Arbeitsplatz. Aber: Jeder zweite Konsument weicht bei der Einkaufsstättenwahl davon ab und sucht anlassbezogen, etwa für besondere Lebensmittel oder Nonfoodartikel, auch andere Läden auf. Der wichtigste Anlass dafür sind aber Angebotsaktionen. So gehen 74 Prozent der Verbraucher, die sich zu den Discountkunden zählen, extra für Sonderangebote dorthin. Im Verbrauchermarkt liegt dieser Wert bei 51 Prozent. Bequemlichkeit und Preisaktionen sind also die Haupttreiber für die Einkaufsstättenwahl.
Frische zeigt sich preisresilient
Wie preissensibel die Konsumenten sind, zeigen auch ihre Reaktionen auf Preissteigerungen, deren Bandbreite von preisadaptierten Käufen über Kaufreduktion bis hin zum Kaufverzicht reicht. «Das schränkt den preispolitischen Handlungsspielraum des Handels ein», betonen die Autoren der Studie. 41,4 Prozent der Konsumenten kaufen bei Preissteigerungen in den LEH-Sortimenten (frische Lebensmittel, haltbare Lebensmittel, Getränke, Drogeriewaren) preisangepasst, das heisst, sie greifen auf Sonderangebote oder Handelsmarken zurück oder wechseln den Einkaufsort. Jeder Vierte (24,1 %) reagiert jedoch mit Konsumverzicht und kauft gar nicht oder weniger. Dabei ist die Tendenz zum Kaufverzicht bei Frischeprodukten (22,2 %) nicht ganz so stark ausgeprägt.
LEH treibt Bio
Der Handelsreport unterstreicht, dass der LEH nicht nur in Sachen Preis, sondern auch mit anderen Leistungen beim Verbraucher unter Beobachtung steht – und positiv wahrgenommen wird. So sei der klassische Lebensmittelhändler Treiber der Bio-Entwicklung. Das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Nach dem «BMEL-Ernährungsreport 2023» legen 74 Prozent der Verbraucher Wert darauf, dass ein Lebensmittel umwelt- und ressourcenschonend produziert, fair gehandelt (73 %) oder ökologisch erzeugt (72 %) wurde. «Alle diese Facetten bedient der LEH mit seinen Sortimenten und unterstützt Initiativen für die nachhaltige Produktion von Rohstoffen wie Kaffee, Kakao, Palmöl und Blumen sowie von Fisch oder Fleisch. Über seine Handelsmarken forciert der LEH zudem nachhaltige Sortimente», hält der Handelsreport anhand der Befragungsergebnisse fest. So werden Bio-Produkte vor allem im Supermarkt und beim Discounter gekauft. Reine Bio-Käufer kauften zuletzt verstärkt im Drogeriemarkt. Welche Bedeutung der Handel bei der Bio-Entwicklung hat, ist zudem an der Bekanntheit und dem Kaufverhalten von Bio-Handelsmarken zu sehen.
LEH ist wichtig, aber nicht dominant
Welche Positionen der deutsche LEH in der Wertschöpfungskette Lebensmittel einnimmt, schlüsselt der «Handelsreport Lebensmittel» ebenfalls auf. Bei Frische beispielsweise ist er nicht der wichtigste Verhandlungspartner der landwirtschaftlichen Erzeuger: Nur 40 Prozent der in Deutschland erzeugten Menge vermarktet der LEH. Auf der Ebene des Lieferantenangebotes der Lebensmittelindustrie, das heisst Produktion plus Import, dokumentieren sich die Ausweichoptionen der Hersteller. Neben dem LEH, der 37 Prozent der Menge distribuiert, sind die Weiterverarbeitung (16 %), Food-Service (8 %), andere Handelsformate (12 %) und schliesslich der Export (27 %) weitere wichtige Absatzmärkte für die Industrie. «Die Wertschöpfungskette des Lebensmittelhandels ist komplex. Der LEH hat eine wichtige Position, aber keine absolut marktbedeutende gegenüber den Produzenten und Erzeugern», kommentiert HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth dieses Ergebnis.