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Statt Alexa und Siri nun Pepper und Paul: Sind humanoide Service-Roboter ein nettes Spielzeug, ein medienwirksamer PR-Gag oder schon bald die Lösung für den Personalmangel im Handel? Die Fakten.
Die zunehmende Digitalisierung treibt im Handel auch das Thema Robotik voran. Und bietet – beispielsweise dem Elektrofachhandel – innovative Produkte wie mobile Saug- oder Rasenroboter. Immer mehr Verbraucher verlassen sich bereits auf dienstbare «Geister» wie Alexa und Siri. Bluetooth-Lautsprecher mit integrierten Chatbots (automatisierte KI-Sprachsysteme) können auf Zuruf etwa eine aktuelle Playlist vom Smartphone abspielen und vieles mehr. Auch am Point of Sale interagieren Mensch und Roboter: Branchenübergreifend mehren sich Pilotprojekte, bei denen humanoide Service-Roboter namens Pepper oder Paul den Welcome-Manager mimen, Kunden einladen, ein Selfie mit ihnen zu machen, kleine Interviews zur Kundenakzeptanz durchführen, einfache Service-Aufgaben als Wegweiser, Informationskiosk oder Spielpartner übernehmen. Die sprechenden technischen Helfer sind in Mode-Kaufhäusern, Elektrofachmärkten, im Convenience-Bereich ebenso anzutreffen wie in Baumärkten oder im filialisierten Lebensmittelhandel. Im letzt genannten Kanal hilft Pepper beim Einkauf, bietet Kostproben an oder geleitet die Kunden zu gesuchten Produkten. Wer die Kameraden beim Shoppen vor Ort antrifft, für den ist es meist der erste Livekontakt mit einem humanoiden Roboter, der mit seiner menschenähnlichen Physiognomie und seinem Unterhaltungswert für Sympathie und Emotionalisierung sorgt. Und dem Handelsunternehmen beschert er grosses mediales Interesse. Sowie natürlich steigende Frequenz: Vor allem für Kinder sei Pepper eine besondere Attraktion zum Spielen, hat Tim Schuster vom Service-Provider Humanizing Technologies festgestellt. Pepper ziehe an und mobilisiere die ganze Familie, entsprechende Märkte aufzusuchen.
Das Unternehmen kauft und vertreibt die Service-Roboter, die mit einer selbst entwickelten Softwareplattform ausgestattet sind, weltweit, unter anderem in verschiedenen Handelsbranchen. Neben der Implementierung in die handelseigenen IT-Strukturen bietet das Unternehmen intensive Trainingsmassnahmen für die IT- und Marketingfachkräfte des Händlers und befähigt sie, auch ohne Programmierkenntnisse den Roboter zu individualisieren, also den neuen Kollegen per Drag and Drop sowie mit eigenen Softwarelösungen für den Einsatz vor Ort technisch fit zu machen. Zudem liefert Humanizing Technologies auch den Support für den reibungslosen Betrieb auf der Fläche.
Derzeit liegt der Neuheitswert bei Pepper & Co. noch im vergleichsweise seltenen Auftritt im Handel, zumindest im deutschsprachigen Raum, dies bestätigt Schuster. Patrick Meyer, Consultant bei der Elaboratum Handelsforschung, München, beobachtet die aktuellen Entwicklungen von humanoiden Service-Robotern intensiv und hat 2018 die erste Akzeptanzstudie in einem Stuttgarter Einkaufszentrum in Zusammenarbeit mit der Uni Erlangen-Nürnberg durchgeführt (siehe Kasten). Zielsetzung war es, in Erfahrung zu bringen, wie Kunden am Point of Sale auf das neue Service-Angebot reagieren. Die Ergebnisse seien ermutigend, nun gilt es laut Meyer, Ansatzpunkte zu finden, Kunden, Mitarbeiter und Roboter durch sinnvolle und Nutzen stiftende Interaktion zu verbinden.
Letztlich, so unterstreicht der Unternehmensberater, müsse sich die Investition in Pepper & Co. auch betriebswirtschaftlich rechnen, entweder über ein gesteigertes Einkaufserlebnis der Kunden – durch die besondere Attraktion, durch Emotionalisierung, Entertainment, durch mehr Servicequalität und längere Aufenthaltsdauer, die dann auch zu mehr Umsatz führen. Ein Mehrwert kann sich für den Händler aber auch aus der Kostenreduktion ergeben, weil der Roboter in der Lage ist, einfache Service-Aufgaben der Mitarbeiter im Verkauf zu übernehmen und den menschlichen Kollegen damit von diesen Routinetätigkeiten zu entlasten. Dieser kann sich auf eine kompetente Beratung und Unterstützung seiner Kunden konzentrieren. Dies steigert die Servicequalität und kann ebenfalls zur Steigerung von Umsatz und Wertschöpfung beitragen.
«Der Handel tut gut daran, sich bei der Implementierung von Service-Robotern die Mitarbeiterakzeptanz zu sichern, sonst funktioniert das nicht», weiss Meyer. Er verweist auf mögliche Resistenzen bei den Mitarbeitern, weil so mancher hier fürchtet, auf Dauer seinen Job an den elektronischen Konkurrenten zu verlieren. Meyer rät den Handelsmanagern dazu, sein Verkaufspersonal als kreativen Ideengeber daran zu beteiligen, Aufgabenbereiche für das eigene Servicesystem zu identifizieren. Hier sei viel Fachwissen vorhanden, da die Mitarbeiter tagtäglich im Austausch mit den Kunden stehen. Auch dies ist eine weitere wichtige Quintessenz besagter Akzeptanzstudie.
Längerfristig hält Meyer sogar eine produktive Teamarbeit zwischen Mitarbeiter und Roboter für denkbar, Mensch und Roboter könnten sich in der Beratung des Kunden sehr gut ergänzen. Die Studienautoren wie auch Software-Provider Tim Schuster sehen im Einsatz von humanoiden Service-Robotern allerdings keine Gefahr für die Zukunft des menschlichen Verkaufspersonals: Der Mitarbeiter kann und soll nicht durch Roboter ersetzt werden, denn zwischen Mensch (Kunde) und Roboter kann keine Beziehung entstehen, die Kompetenz und persönliche Beratung, die angenehme Einkaufsatmosphäre und der aktive Erfahrungsaustausch, das menschliche Miteinander, die Interaktion – sie bilden ein echtes Alleinstellungsmerkmal des stationären Handels, das diesen klar vom Online-Geschäft differenziert, sind sich die beiden Experten sicher.