Mitgliederkongress 2016

Freitag, 01. Juli 2016
Fotos: T. Schindel, S. Brückner

Warum die Zukunft nicht vorhersehbar ist: Die Welt wird immer komplexer, die Zukunft zu planen schwieriger. Warum es wichtig ist, auf unvorhersehbare Ereignisse gut vorbereitet zu sein, analysierte die MARKANT auf ihrem Mitgliederkongress.

 

 

 

 

Eine neue Herausforderung ist auch der demografische Wandel, vor allem, wenn es um den Nachwuchs in der Arbeitswelt geht. So sollten sich Unternehmen auf die Machtverschiebung hin zum Bewerbermarkt einstellen. Und zwar heute schon. So eine Aussage von Dr. Steffi Burkhart, professionelle Speakerin, Trainerin, Autorin und Dozentin an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln im Bereich Wirtschaftspsychologie. „Wir sollten aufhören, uns weiterhin an Traditionen wie Stechuhrsystem, reiner Präsenzarbeitszeit sowie einem negativ geprägten tayloristischen Menschenbild und starrem Organisationsmodell festzuklammern. Das lehnen viele junge Menschen ab“, so Dr. Burkhart. Aus ihrer Sicht braucht es neue Modelle, Methoden, Ideen und Ansätze, um als Arbeitgeber attraktiv auf den Nachwuchs zu wirken und die intrinsische Motivation – sprich die Lust und Leidenschaft sowie die Leistungsbereitschaft und Neugier der Mitarbeiter voll zu entfalten. Und da junge Menschen ein wichtiger Treiber für den Kulturwandel in der Gesellschaft und Arbeitswelt sind, ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung, statt über junge Leute zu reden und zu diskutieren, den Dialog zu ihnen zu suchen und gut zuzuhören.  

Mit dem Thema demografischer Wandel befasste sich auch Franz Müntefering, ehemaliger SPD-Vorsitzender und Bundesminister, in seinem Vortrag. „Wir müssen den Wandel aktiv gestalten. Die mögliche Fehlerhaftigkeit von Prognosen darf keine Entschuldigung sein, absehbare Entwicklungen zu ignorieren. Um sich auf die Zukunft einzustellen, muss man das Ziel kennen und wissen wohin man will. Dann kann man den Weg dahin suchen. Dabei liegt die Kraft für Innovationen natürlich immer bei der jüngeren Generation. Der Vorteil der Älteren: Sie kennen die Abkürzung. Wir brauchen dabei das Bewusstsein, dass die Generationen nicht gegeneinander wirken. Jeder ist verantwortlich für das, was in unserer Gesellschaft passiert. Auch die Älteren wollen und sollen sich einbringen. Demokratie hat eben keinen Schaukelstuhl.

Schwarze Schwäne und damit Unvorhersehbares gibt es überall – davor bleibt auch die Wirtschaftspolitik nicht verschont. So sieht Prof. Dr. Christoph M. Schmidt, Vorsitzender der Wirtschaftsweisen und Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) vor allem in der expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) wachsende Risiken für die Finanzstabilität. Einen Weg daraus seien Strukturreformen, die vor allem zu mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt beitragen sollen. „Jetzt ist die richtige Zeit, um in den noch immer schwächelnden Mitgliedsstaaten im Euro-Raum Strukturreformen durchzuführen. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten sind daher gefragt, endlich mehr Verantwortung zu übernehmen, statt alle Last und Kritik auf die EZB umzulenken“, so Prof. Dr. Christoph M. Schmidt.

Globale Spannungsfelder – was erwartet die Welt?

Die globalen Brandherde sind zahlreich und werden Folgen nach sich ziehen, die bisher noch nicht absehbar sind. So stand der zweite Tag des MARKANT Mitgliederkongresses auch unter dem Thema „Globale Spannungsfelder – was erwartet die Welt?“

Aus Sicht von Prof. Dr. Ulrich Herbert, Leitung des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, ist nichts weniger vorhersehbar als Einwanderung. Umso wichtiger sei es daher, Migration und die davon ausgehenden Auswirkungen nicht als Sonderfall, sondern als das Normale zu betrachten. „In Relation zu anderen Ländern Europas ist die Migrationsgeschichte Deutschlands seit der Nachkriegszeit trotz der vielen Probleme, die es gab und gibt, durchaus erfolgreich“, sagt Prof. Dr. Ulrich Herbert. Es gebe nach wie vor Anhaltspunkte, dass dies auch so bleibe. Voraussetzungen hierfür seien klare Prinzipien und kühle Abwägungen.

Was das weltumspannende Naturphänomen Wetter und eine Kunstgröße wie das Weltklima miteinander verbindet, darüber referierte Dr. Wolfgang Thüne, früher ZDF-Wettermoderator und Referatsleiter im Umweltministerium Rheinland-Pfalz. "Das Weltklima ist eine politisch-fiktive Größe, ein statistisches Konstrukt und kein natürlich ablaufender dynamischer Naturvorgang, der vom Menschen zu beeinflussen wäre“, erklärte der Meteorologe. Das Wettergeschehen ist weder lenkbar noch machbar und auch mit den besten numerischen Vorhersagemodellen ob des „Schmetterlingseffektes“ prinzipiell nicht berechenbar. Was beim Wetter nicht geht, geht noch weniger beim Klima. „Chaotisch-dynamische Systeme sind bei ständig wechselnden Anfangs- und Randbedingungen unberechenbar und unvorhersehbar. Der Blick in die Zukunft ist uns verwehrt. Das Wetter ist mit einem „grauen Schwan“ vergleichbar. Alle bisherigen Wetterextreme können jeder Zeit wieder eintreten. Nur wann, das lässt sich grundsätzlich nicht vorhersagen“, resümiert Dr. Thüne. 

Um Unsicherheit, Chaos und um eine multipolare schwierige Welt, geht es im Vortrag von Dr. Antonia Rados, Krisen- und Kriegsreporterin, Chefreporterin Ausland der RTL-Gruppe und Autorin. „Wir müssen uns darauf einstellen  dass wir in einer multipolaren schwierigen Welt leben, die nicht unbedingt gefährlicher ist, aber anders behandelt werden muss als noch vor 30 Jahren in der Zeit des Kalten Krieges“, so eine zentrale These der Reporterin. So gebe es keinen eindeutigen Konfliktherd, jeden Morgen tauche ein anderer auf. Das zeige uns, wie die Welt heute ist. Wir haben eine chaotische Situation und das sei die neue Ordnung, darauf gilt es, sich einzustellen.“ Die Politik muss proaktiver sein, das geschieht in der europäischen Union leider nur sehr selten. Es wird viel im Nachhinein gemacht. Der Flüchtlingsstrom ist ein Beispiel dafür, dass etwas geschehen muss. Aber es muss rechtzeitig geschehen“, so Rados.

Den globalen Herausforderungen widmete sich auch Prof. Dr. Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, in seinem Vortrag. „Wir sind mit einer neuen Grenzenlosigkeit von Krisen konfrontiert. So krisengebeutelt und gefährlich wie heute war die Welt seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr. Statt einer Schönwetterunion brauchen wir eine krisenfeste EU“, so Prof Dr. Ischinger. Denn nur ein starkes und handlungsfähiges Europa könne auf den Rückhalt seiner Bürger finden und den zahlreichen globalen und regionalen Herausforderungen wirkungsvoll begegnen.

 

Menschen als Manager des Wandels – welche Einflussmöglichkeiten bleiben noch

Im Themenblock „Menschen als Manager des Wandels – welche Einflussmöglichkeiten bleiben noch?“ steht vor allem der Faktor menschliches Verhalten im Fokus der Vorträge.

Entscheidungen, Spielregeln und Verhalten – diese drei Komponenten beleuchtet Prof. Dr. Axel Ockenfels, Mitglied der Europäischen, der Berlin-Brandenburgischen und der Nordrheinwestfälischen Akademie der Wissenschaften in seinem Vortrag zum Thema „Rationale Strategien und irrationales Verhalten“. Jeden Tag müssen Entscheidungen getroffen werden, die nicht nur die eigene Person, sondern auch andere betreffen. Dabei gilt es, bestimmte Spielregeln einzuhalten – egal ob beim Fußball oder in Unternehmen – und dabei gilt es rationale Verhaltensstrategien zu befolgen. Doch manchmal machen Menschen Fehler, die vermeidbar gewesen wären. Sie verhalten sich nicht chaotisch oder unvorhersehbar. So eine zentrale Aussage von Prof. Dr. Axel Ockenfels zum Thema „Rationale Strategien und irrationales Verhalten“. Das Fazit des Wissenschaftlers sieht dabei so aus: „Das Design von Märkten und Unternehmen muss die Eigenheiten menschlichen Verhaltens berücksichtigen. Dabei lässt sich durch cleveres Design menschliches Verhalten steuern“.

Von  Steinen  lernen,  heißt  liegen  lernen; sprich: es ist die klügere Option abzuwarten, als in puren Aktionismus zu verfallen. Das ist eine zentrale Aussage von Holm Friebe, Publizist, Dozent für Designtheorie und Geschäftsführer der Zentralen Intelligenz Agentur (ZIA) in Berlin in seinem Vortrag „Die Stein-Strategie – von der Kunst, nicht zu handeln. Nicht-Handeln, Stillhalten, Abwarten ist aus Sicht des Publizisten in vielen Situationen die bessere Wahl  – und eine Option, die in den Strukturen und Systemen, in denen wir stecken, allzu oft ausgeblendet und hinweggefegt wird von dem allgemeinen Drift zum Aktionistischen“. Dabei führe blinder Aktionismus oft ins Verderben, Ruhe und Gelassenheit seien hingegen der Garant langfristigen Überlebens. Die Stein-Strategie ist somit das Gegenprogramm zu blindem Aktionismus und überhastetem Handeln. Nicht-Handeln ist die mit Abstand erfolgreichste Strategie: ob an der Börse, wo Warren Buffett Geld nicht durch hektisches Zocken, sondern durch kluges Warten verdient, in der Politik, wo Angela Merkel durch Aussitzen Kanzlerin bleibt, oder in der Kommunikation, wo Schweigen die mächtigste Waffe ist. Damit besteht die Chance, aus dem Hype-Cycle auszubrechen und der „Neomanie“ zu entkommen. Denn jede Gesellschaft, die sich ihre Zukunft vorstellt, legt zu viel Gewicht auf die aktuellen Apps und unterschätzt die Rolle althergebrachter Technologien.

Zum Thema Schwarmdummheit – vom Intelligenzverlust in menschgemachten Systemen referierte Prof. Gunter Dueck, Mathematiker, Autor, ehemaliger Chief Technology Officer bei IBM. In dem von Unternehmen überzogenem Effizienzstreben, was Überbelastung, Stress und vor allem Meetings erzeugt, sieht der Wissenschaftler einen Schwarzen Schwan. Denn: Wenn selbsterzeugte Überkomplexität in komplexen Meetings bewältigt werden soll, dann entsteht Schwarmdummheit. Dabei treibe uns die "Schwarmintelligenz" ins Verderben. Statt einer Konzentration an Intelligenz regiert im Schwarm oft das Prinzip: Viele Köche verderben den Brei. Sinnlose Meetings, schmerzhafte Kompromisse, unausgereifte Ergebnisse trotz Teamarbeit sind in Unternehmen und Institutionen keine Ausnahme, sondern die Regel. Und: Jeder einzelne im Team entscheidet oft besser als das Team selbst.

Die Politik im aktuellen Spannungsfeld

Die Politik befindet sich in einem Spannungsfeld aus politischen, sozialen und kulturellen Herausforderungen. Dabei haben die beiden Themen Flüchtlingskrise und Integration eine Brisanz, die vor diesem Kontext Schwarze Schwäne ahnen lässt.  Darüber referierte Wolfgang Thierse, SPD-Politiker und ehemaliger Präsident des Deutschen Bundestages, und appellierte vor allem an den Integrationswillen aller.

„Deutschland ist nun endgültig ein Einwanderungsland geworden, der Kontinent Europa ist es schon längst – auch wenn viele Bürger und Staaten das nicht wahrhaben wollen. Eines ist dabei sicher. Integration wird nur dort gelingen, wo beide Seiten – sowohl die zu uns Kommenden wie auch die Aufnahmegesellschaft – dies auch wollen und das Notwendige dafür tun. Gegen die Mehrheit einer Gesellschaft kann Integration nicht gelingen und ohne die Integrationsbereitschaft und den Integrationswillen der zu uns Gekommenen auch nicht. An diesem Integrationswillen müssen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur arbeiten – und das mehr als bisher.“

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FIZ. Trotz Inflation und hoher Lebenshaltungskosten bleibt Fisch unverzichtbarer Bestandteil der deutschen Ernährung.

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