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„Management bei Wetter“ macht Schule im deutschen Handel. Die wetterdatengestützte Sortimentsplanung erhöht die Absatzchancen zahlreicher Artikel und verringert auf diese Weise Out-of-stocks.
Kühles, windiges Schmuddelwetter: perfektes Wetter für Sauerkraut! Dumm, wenn der Marktleiter dann nicht rechtzeitig den höheren Bedarf an Weinsauerkraut bei der Disposition berücksichtigt hat. Out-of-stocks vermiesen dem Kunden vor dem Gemüsekonservenregal die Laune und dem Händler das Geschäft. Zu wissen, wie das Wetter wird und welchen Einfluss es auf das Konsumverhalten hat, ist ein klarer Wettbewerbsvorteil. Man muss dazu keine Glaskugel bemühen. Aber der prüfende Blick morgens gen Himmel reicht auch nicht aus, um am POS optimal auf das Einkaufsverhalten der Kunden vorbereitet zu sein. Tatsächlich kann aber ein ausgefeiltes Analyse- und Prognosesystem auf Basis von Wetterdaten für den Filialort oder die Region bereits im Vorfeld exakt vorhersagen, wie viel mehr oder weniger Artikel einer Warengruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt im Regal sein sollten, damit das Geschäft rund läuft.
Komplexe Datenanalyse
Klar: Akoholfreie Erfrischungsgetränke, Eis und Fleisch sind besonders wetterabhängig, da kann der Händler vielleicht noch auf sein Bauchgefühl vertrauen – und schließt Bedarfslücken rechtzeitig, wenn Wetterfee Claudia Kleinert warme Temperaturen vorhersagt. Doch die Zusammenhänge zwischen Nachfrage und Wetter sind bei vielen Warengruppen und auf Artikelebene sehr viel komplexer und auch nicht unbedingt immer logisch nachzuvollziehen. Welcher Händler käme denn auf die Idee, dass bestimmte Wetterphänomene eine höhere Nachfrage nach Sauerkirschen aus dem Glas, Sauerkraut, Räucherlachs, Zigaretten oder Hunde-Leckerli generieren – oder der Eierspätzle-Absatz um 25 Prozent einbricht, wenn die Tagestemperatur um vier Grad höher liegt, als die normale Durchschnittstemperatur zu dieser Jahreszeit erwarten lässt? Doch genau dies waren einige der zahlreichen „Überraschungsartikel“, die im Laufe eines Projekts bei MARKANT Mitglied tegut als besonders wetterabhängige Warengruppen identifiziert wurden – und mittels einer wetterdatengestützten Disposition zu signifikanten Absatzsteigerungen führten.
Die Wetterprognose für einen begrenzten Raum in der Zukunft erfolgt dabei auf Basis einer umfassenden Analyse von Verkaufsdaten auf Artikelebene aus den zurückliegenden drei bis vier Jahren; diese werden verknüpft mit den damaligen Wetterbedingungen: „Auf diese Weise können wir zuverlässig voraussagen, dass zu einem festgelegten Zeitpunkt das Wetter beispielsweise eine Verdrei- bis Vervierfachung der Buttermilchabsätze erwarten lässt“, sagt Sebastian Glink, Business Unit Manager Retail bei MeteoGroup, einem der größten europäischen privaten Wetterdienste.
Zuverlässige Voraussagen
Dabei lässt sich auch genau prognostizieren, wann der Nachfrageschub nach bestimmten Artikeln zu erwarten ist. Bei Grillfleisch etwa ist entscheidend, wie das Wetter in einigen Tagen sein wird, bei Mineralwasser dagegen entscheidet, wie das Wetter in den letzten drei Tagen war. Die Erklärung dafür: Bei Mineralwasser als typischem Vorratsartikel greifen die Verbraucher bei warmem Wetter zunächst auf ihre Bestände zurück, bevor für Nachschub gesorgt wird. Ein weiteres Ergebnis der systematisierten Wetterprognose: Filialen in der Innenstadt reagieren auf das Wetter anders als solche auf der grünen Wiese oder in der Nähe der Universität, hat man bei tegut festgestellt. Dort ist die MeteoGroup-Softwarelösung seit dem vergangenen Herbst als fester operativer Bestandteil in die automatische Dispositions-Software SAP F+R (Forcecast and Replenishment) integriert. Der tägliche Wetterfaktor wird dabei für die wetterelastischen Artikel an die betreffenden Filialen ausgeliefert und ins tegut System eingelesen. Die Anpassung der automatischen Disposition nimmt ihren Lauf.
Aus Standard-Softwarelösungen zur Analyse und Vorhersage von Wetter lassen sich noch viele weitere Vorteile generieren. Ortsgenaue Wetter-Informationen können den gesamten Einkaufsprozess optimal ausrichten – von der Parkplatzbewirtschaftung über die Gebäudereinigung, das richtige und ausreichende Warenangebot, reduzierte Lagerbestände, die zielgerichtete Werbung bis zur Einsatzplanung des Verkaufspersonals. Die Drogeriemarktkette dm zum Beispiel optimiert Medienberichten zufolge ihre Personaleinsatzplanung seit Jahren europaweit unter Einbeziehung von Wetterprognosen. Diese werden mit weiteren Analysemodulen der Big-Data-Software kombiniert – beispielsweise Ferienterminen, Warenlieferungen oder Baustellen auf den Zufahrtsstraßen der Filialen. Jeder Filialleiter erhält dann den jeweils auf die Vor-Ort-Situation zugeschnittenen Personalplan; die Prognosen der Mitarbeitereinsatzplanung sind bis zu acht Wochen in die Zukunft möglich.
Weitere Infos unter www.meteogroup.com