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Welche Auswirkungen Ernährungsmuster in der Schweiz haben, war die Frage, der sich das FiBL im Projekt «Gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion» gewidmet hat. Aus den Daten haben die Forscher Zukunftsszenarien berechnet. Die Kernergebnisse im Überblick.
Bis zum Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung voraussichtlich auf zehn Milliarden Menschen anwachsen. So viele Menschen auf nachhaltige Art und Weise mit Lebensmitteln zu versorgen, ist eine grosse Herausforderung. Es wird erwartet, dass Landwirte die Lebensmittelproduktion verdoppeln werden, und zwar trotz der Auswirkungen des Klimawandels auf Ressourcen wie Wasser, Boden und Energie. Die Schweiz weist die Besonderheit auf, dass rund ein Viertel des Landes als landwirtschaftliche Nutzfläche definiert ist und etwa zwölf Prozent Alpwirtschaftsflächen sind. Die Produktion ist daher begrenzt, so dass ein grosser Anteil (50 %) der Nahrungsmittel in die Schweiz importiert werden müssen.
Das Programm «Gesunde Ernährung und nachhaltige Lebensmittelproduktion», das finanziert wurde vom Schweizerischen Nationalfonds und an dem das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) massgeblich beteiligt war, greift daher ein zentrales gesellschaftliches Thema auf: Wie soll ich mich ernähren? «Wir wissen, dass der Agrar- und Lebensmittelsektor einen Beitrag zu Klimawandel, Gewässerverschmutzung und Biodiversitätsverlust leistet. Wir merken aber auch, dass Verbraucher sich mit verschiedenen Ernährungsweisen und mit der Herkunft und Produktionsweise von Lebensmitteln beschäftigen», erklärt Dr. Christian Schader. Er ist einer der Experten, der innerhalb dieses Forschungsprogramms ein Projekt leitete, das auf Zielkonflikte und Synergien fokussiert war.
Empfehlungen für die Zukunft
Es sind Lösungen erforderlich, sodass die zukünftige Bevölkerung ernährt werden kann, ohne die Umwelt zu stark zu belasten. Schlagkräftige Argumente sprechen dafür, weniger tierische Nahrungsmittel zu essen. Die hohe Umweltbelastung infolge des Fleischkonsums ist eines davon. Ein zweites Argument sind die wachsenden Bedenken bezüglich des Tierwohls im Rahmen der industriellen Landwirtschaft. Zudem ist die Entwicklung von neuartigen Nahrungsmitteln in vollem Gang. Als Proteinlieferanten werden etwa Insekten eingesetzt. Nahrungsmittel, die pflanzliche Proteine als Fleischersatz nutzen, sind ebenfalls bereits auf dem Markt vorhanden. Ein weiterer Lösungsansatz ist die Verminderung von Nahrungsmittelverlusten und -verschwendung. In der Schweiz fallen jährlich 2,6 Millionen Tonnen Nahrungsmittelverluste an. Die Art und Weise, wie Nahrungsmittel produziert, verarbeitet und konsumiert werden, beeinflusst die Gesundheit und wirkt sich ebenfalls auf die Umwelt, die Wirtschaft und die Gesellschaft als Ganzes aus. Um diese Auswirkungen genauer abschätzen zu können, berechnete die Forschungsgruppe «Empfehlungen für eine nachhaltige und gesunde Ernährung» verschiedene Zukunftsszenarien. Ein Szenario basiert auf der Annahme, dass die Bevölkerung in der Schweiz bis zum Jahr 2050 die Empfehlungen der Schweizer Ernährungspyramide vollständig befolgen wird. Hierbei geht es um eine Kombination der Lebensmittel im richtigen Verhältnis, was eine ausgewogene Ernährung ausmacht. Ein weiteres Szenario «FeedNoFood» geht hingegen von veränderten Essgewohnheiten aus, die in erster Linie auf das Umweltbewusstsein zurückzuführen sind. Dieses Szenario setzt voraus, dass Nutztiere in der Schweiz im Jahr 2050 ausschliesslich mit Gras und Nebenprodukten der Lebensmittelherstellung ernährt werden. Die Szenarien Ernährungspyramide und «FeedNoFood» gehen beide davon aus, dass die Schweizer Bevölkerung bis 2050 weniger Fleisch und mehr Hülsenfrüchte isst.
Notwendige Transformation
«Um ein nachhaltiges Ernährungssystem zu erreichen, sind bedeutende Transformationen notwendig. Diese betreffen die Landwirtschafts-, Gesundheits-, Umwelt- und Wirtschaftspolitik. Die zuständigen Ämter formulieren ihre Ziele oftmals unabhängig voneinander, weshalb es zu widersprüchlichen Massnahmen und bedeutenden Zielkonflikten kommt.» Die Verantwortung sollte nicht alleine auf die Verbraucher abgewälzt werden. Es sei die Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass Landwirtschaft, Industrie und Verbraucher die richtigen Entscheidungen treffen können. Man dürfe von den Menschen nicht erwarten, dass sie altruistisch handeln und die teureren nachhaltigen Produkte wählen. Daher würden Informationsmassnahmen nicht ausreichen, die sogar kontraproduktiv sein könnten, da sie indirekt die nachhaltigeren Produkte verteuern könnten. «Die Preise müssen die wahren Kosten beinhalten, damit Verbraucher nicht zum Trittbrettfahren ermutigt werden. Die Kosten der Überdüngung, der Pestizidschäden und der Antibiotikakontamination müssen von den Käufern der Produkte getragen werden und nicht von den Steuerzahlern.»
Verbesserung der Nachhaltigkeit
Der wesentliche Hebel für Lebensmittelindustrie und Handel ist die Verbesserung der Nachhaltigkeit der Lieferketten. Davon ist der Experte fest überzeugt. «Der erste Schritt ist es, für Transparenz zu sorgen und sich über die Produktionsbedingungen bei Lieferanten und deren Lieferanten zu informieren, mögliche Hotspots zu identifizieren und gezielte Massnahmen umzusetzen, um die Ketten ökologisch und sozial zu verbessern.» Insbesondere der Handel hat dann auch noch einen erheblichen Einfluss darauf, was konsumiert wird, indem er gesündere und nachhaltigere Lebensmittel besonders bewirbt und problematische Ware auslistet.
Weitere Infos unter: www.fibl.org/de.