Ganzheitliche Lösungen gefragt

Dienstag, 25. April 2023
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Mit dem am 30. November 2022 vorgelegten Entwurf einer Verpackungs-verordnung setzt die EU-Kommission darauf, die von Verpackungen und Verpackungsabfällen ausgehenden Umweltwirkungen entlang des gesamten Lebensweges zu mindern. Hersteller wie Händler sollten sich jetzt schon auf die anstehenden Anforderungen einstellen und die dafür notwendigen Schritte einleiten. Denn dies verschafft entscheidende Vorteile im Wettbewerb.

Im Durchschnitt fallen in Europa fast 180 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf und Jahr an. Für Verpackungsmaterialien werden die meisten Primärrohstoffe verwendet, da 40 Prozent der Kunststoffe und 50 Prozent des Papiers in der EU für Verpackungsmaterialien bestimmt sind. Wenn nicht gehandelt würde, käme es in der EU bis 2030 zu einem weiteren Anstieg der Verpackungsabfälle um 19 Prozent und bei Verpackungsabfällen aus Kunststoff sogar um 46 Prozent, so heisst es in einer Presseerklärung der EU-Kommission. Der Vorschlag der EU für eine Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (EU-Verpackungsverordnung) soll nun den Trend stoppen und verfolgt dabei folgende Zielsetzung:

1.    Die Förderung einer Kreislaufwirtschaft für Verpackungen
2.    Die Förderung der Verwendung von Recyclingmaterial in Verpackungen
3.    Die sinnvolle Verringerung des Aufkommens von Verpackungsabfällen

«Um diese Zielsetzung zu erreichen, enthält der Vorschlag der EU zahlreiche Bestimmungen und Vorgaben, an die sich Hersteller und Inverkehrbringer von Verpackungen halten müssen. Das stellt die Unternehmen vor wachsende Aufgaben und auch Herausforderungen», sagt Sabrina Goebel, Geschäftsführerin von RecycleMe. Denn die wesentlichen inhaltlichen Vorgaben betreffen Themen wie die Recyclingfähigkeit der Verpackung, den Rezyklateinsatz in Kunststoffverpackungen, die Reduzierung überflüssiger Verpackungen, die EU-weit harmonisierte Kennzeichnung der Materialzusammensetzung einer Verpackung sowie die Wiederverwertbarkeit von Verpackungen. «Im Rahmen dieser Vorgaben werden genaue Kriterien und Quoten genannt, die von den Unternehmen einzuhalten sind», so Goebel. So gibt es etwa Design-for-Recycling-Kriterien, Dokumentationspflichten, vorgegebene Rezyklatquoten oder Vorgaben zum Labelling einer Verpackung mit einem QR-Code.

Kreislauffähige Lösungen
Verpackungen, die die Ziele der Verordnung nicht erreichen, können ab 2030 nicht mehr vermarktet werden. Die Aufgabe besteht also darin, die Verpackung recyclingfähig beziehungsweise kreislauffähig zu machen. Die Unternehmensberatung RecycleMe aus Herborn hat sich auf den Schwerpunkt Circular Economy (Kreislaufwirtschaft) spezialisiert. In dem Kontext hat das Unternehmen unter anderem ein digitales Bewertungstool entwickelt, mit dem auf Basis des Mindeststandards der zentralen Stelle Verpackungsregister bestimmt werden kann, wie kreislauffähig die Verpackung und wie gut die Verpackung für das Recycling geeignet ist. Nachhaltigkeit dominiert zunehmend die Verpackungsbranche und wird auch künftig eines der bestimmenden Themen bleiben. «Dabei geht der Trend klar in Richtung kreislauffähige Lösungen», berichtet dazu Sandra Pechac, Koordinatorin der Plattform Verpackung mit Zukunft. Dabei spielt die 4R-Regel «Reduce, Reuse, Recycle» eine Schlüsselrolle hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Das heisst, dass zunehmend Materialien verwendet werden, die sich gut recyceln lassen. Dazu zählen sogenannte Monomaterialen, also Materialien, die nicht aus verschiedenen Komponenten untrennbar miteinander verbunden sind», so Pechac. Ausserdem werde auch beim Verpackungsdesign auf Kreislauffähigkeit geachtet, sprich: Erkennt der Konsument, um welches Material es sich handelt und in welche Tonne es zur Wiederverwertung entsorgt werden muss? Können die Maschinen in der Sortieranlage, die Verpackung den richtigen Materialströmen zuordnen? «Das sind sehr viele komplexe Details, aber gerade deshalb ist die Zusammenarbeit entlang der Verpackungswertschöpfungskette so wichtig. Verpackungen müssen ganzheitlich gedacht und auch die Konsumenten müssen miteinbezogen werden», erklärt Pechac.

Flexible Kunststoffverpackungen
Im Nahrungsmittelsektor ist es jedoch bislang so, dass flexible Kunststoffverpackungen dominieren. Um die Anforderungen hinsichtlich Recyclingfähigkeit zu erfüllen, wird anstelle von Mehrschichtverbunden zunehmend auf Monomaterialien gesetzt, die sich einfach recyceln lassen. «Monomateriallösungen können jedoch nicht alle an eine Verpackung gestellten Anforderungen abdecken, vor allem dann, wenn Eigenschaften wie besondere Barrierefunktionen oder auch Retortenfähigkeit gefordert werden», so Richard Clemens, Geschäftsführer VDMA Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen. So werde es auch künftig flexible Kunststoffverpackungen aus Multilayer-Material geben.

Faserbasierte Verpackungen
Zunehmend gefragt sind laut VDMA auch Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen. Hier gehe der Trend zu faserbasierten Verpackungen wie Papier und Karton. Bisher werden Papierverpackungen für trockene Füllgüter wie Mehl, Zucker, Nudeln etc. verwendet, nicht jedoch für feuchte sowie fetthaltige Lebensmittel. Papier selbst besitze keine Gas- und Wasserdampfbarriere, sei nicht fettdicht und siegelfähig. «Um also fetthaltige Lebensmittel sicher und haltbar zu verpacken, müssen Papierverpackungen mit entsprechenden Barriereschichten ausgerüstet sein, die sowohl die Verpackung selbst wie auch das darin verpackte Nahrungsmittel schützen, ohne die Recyclingfähigkeit der Verpackung zu beeinträchtigen», so Clemens. Bestehen die Barriereschichten heute noch überwiegend aus Kunststoff, gehen die Entwicklungen zu Barriereschichten aus nachwachsenden Rohstoffen, so eine Beobachtung von VDMA.

Einsatz von Rezyklaten
Der Vorschlag der EU sieht ebenfalls vor, den Bedarf an Primärrohstoffen zu senken und in dem Zuge, einen gut funktionierenden Markt für Sekundärrohstoffe zu schaffen, indem durch verbindliche Ziele der Anteil recycelter Kunststoffe in Verpackungsmaterialien erhöht wird. In Lebensmittelverpackungen soll der Rezyklatanteil ab 2030 rund zehn Prozent betragen und ab dem Jahr 2040 auf 50 Prozent steigen. «Im Zuge der vorgegebenen Quoten zum Einsatz von Rezyklaten wird die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Sekundärrohstoffen deutlich ansteigen und schon heute sind viele grosse Unternehmen bereits auf dem Rezyklatmarkt aktiv» so Goebel. Hier wird es laut RecycleMe darauf ankommen, Lösungen zu entwickeln, um diese Nachfrage bedienen zu können. «Innerhalb unserer Unternehmensgruppe sind wir bereits gut aufgestellt und können durch eine Kooperation zwischen Reclay und Borealis Rezyklate für High-End-Kunststoffanwendungen zur Verfügung stellen.»
Einen anderen Weg dazu beschreitet das Berliner Start-up Circleback. Das Ziel: Durch ein Pfandsystem einen geschlossenen Kreislauf für Kunststoffverpackungen aufzubauen und Herstellern von Kosmetik- und Körperpflegeprodukten damit Zugang zu hochwertigem recyceltem Kunststoff aus ihren eigenen Verpackungen zu verschaffen. Die Idee: Kunden können leere Kunststoffverpackungen im Circleback-Pfandautomaten zurückgeben und bekommen dafür 20 Cent. Teilnehmende Unternehmen bekommen wiederum ihr Rezyklat wieder.  

Keine Pauschallösungen
Was nachhaltige Verpackungen betrifft, gibt es keine Pauschallösungen. Davon ist Sandra Pechac fest überzeugt. «Es gibt nicht die «eine» Verpackung mit Zukunft. Alle Verpackungsmaterialien haben ihre Berechtigung.» Das heisst im Umkehrschluss, dass für jedes verpackte Produkt einzeln geprüft werden muss, welche Verpackungslösung die nachhaltigste ist. Der entscheidende Massstab dabei ist der ökologische Fussabdruck (die Ökobilanz) einer Verpackung, der ihren gesamten Lebenszyklus berücksichtigt: von der Gewinnung der Rohstoffe, über die Produktion und den Transport, bis zur Entsorgung und Wiederverwertung. Nicht zu vergessen ist dabei auch eine der Hauptfunktionen von Verpackungen, nämlich der Produktschutz. Bei Lebensmitteln sorgt die richtige Verpackung für eine längere Haltbarkeit, wodurch Lebensmittelabfälle vermieden werden, was sich positiv auf die Ökobilanz auswirkt.

Innovative Lösungen
Zum einen sollen Verpackungen recyclingfähig oder aus nachhaltigen Materialien hergestellt sein. Zum anderen sollen sie Lebensmittel schützen. Innovative Lösungen hierzu werden derzeit auf der Interpack in Düsseldorf (4. bis 10. Mai 2023) vorgestellt. So hat die allvac Folien GmbH etwa eine Elf-Schicht Polyamid/Polyethylen-Lebensmittelfolie entwickelt, die vollständig wiederverwertet werden kann und dafür die EU-weite Zertifizierung des Instituts cyclos-HTP bekam. Greiner Packaging setzt bereits Verpackungslösungen aus bis zu 100 Prozent PET-Rezyklat, so genanntes rPET, um und will damit zeigen, wie die Lebensmittelverpackung der Zukunft aussehen kann. Mithilfe des temperaturstabilen Materials rPET HTS ist demnach in Zukunft sogar der Einsatz von recyceltem PET für Produkte möglich, die eine Heisssterilisation benötigen.

«Wer sich jetzt intensiv mit den bereits geltenden und noch bevorstehenden Verpflichtungen auseinandersetzt und die relevanten Daten zu seinen Produkten und Verpackungen sammelt und aufbereitet, wird sich gegenüber dem Wettbewerb einen entscheidenden Vorteil verschaffen können. Denn recyclingfreundliche Verpackungen werden in Zukunft bessergestellt und kreislaufunfähige Verpackungen sanktioniert werden», so Goebel abschliessend.

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Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

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In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Biokunststoffe

Fakten: Biokunststoffe (BKs) bestehen aus einer grossen Bandbreite an Materialien mit unterschiedlichen Eigenschaften und Anwendungsgebieten. Nach der Definition von European Bioplastics handelt es sich um einen BK, wenn er biobasiert oder biologisch abbaubar ist oder beide Eigenschaften aufweist. Biobasiert bedeutet, dass das Material oder Produkt zumindest teilweise aus Biomasse (Pflanzen) besteht. Die Biomasse, aus der BKs hergestellt werden, stammt insbesondere von der Maispflanze, Zuckerrohr oder Zellulose. Die Eigenschaft der biologischen Abbaubarkeit hängt nicht von der Ressourcenbasis des Materials ab, sondern von dessen chemischer Struktur. Entsprechend gibt es einige Biokunststoffe, die zwar 100 Prozent biobasiert sind, aber nicht biologisch abbaubar sind. Dagegen gibt es auch Biokunststoffe, die zu 100 Prozent fossil basiert sind, aber biologisch abbaubar sind.    

Markt: Die globalen Produktionskapazitäten lagen 2022 bei 2,23 Millionen Tonnen. Bis 2027 wird erwartet, dass das Volumen auf voraussichtlich 6,3 Millionen Tonnen anwachsen wird.  

Trend: Im Lebensmittelbereich können BKs eine grosse Rolle spielen. Durch Lebensmittel stark verunreinigte konventionelle Verpackung kann nämlich weder mechanisch recycled, noch in der Kompostieranlage verarbeitet werden. Entsprechend wird dieser Kunststoffabfall entweder verbrannt oder landet auf einer Deponie. Dagegen kann eine verunreinigte Lebensmittelverpackung aus für die industrielle Kompostierung zertifizierten BKs zusammen mit dem Bioabfall gesammelt und in der Kompostieranlage verwertet werden. Im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoffen weisen BKs in vielen Fällen zusätzliche Barriere-Eigenschaften auf, was zu einer verlängerten Haltbarkeit von Lebensmitteln führen kann.