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Immer mehr Unternehmen – auch Markant Partner – nutzen Klimakompensationsmodelle, um ihre CO2-Ziele zu erreichen. Bei der Auswahl ist Vorsicht geboten: Stichwort «Greenwashing».
Egal, was hergestellt, gehandelt und konsumiert wird: Es entstehen klimaschädliche Emissionen. Diese können zwar reduziert, aber nie ganz vermieden werden. Um ihre CO2-Ziele dennoch erreichen zu können, nutzen immer mehr Unternehmen das Instrument der
Klimakompensation. Die Grundidee ist, die im eigenen Unternehmen angefallenen CO2-Emissionen mit der Finanzierung von Klimaschutzprojekten andernorts zu kompensieren. Anfangs bei Flugreisen angewendet, erfasst dieser Markt jetzt in schnellen Schritten die verschiedenen FMCG-Produktgattungen bis hin zu ganzen Unternehmensprozessen, deren nicht vermeidbaren Emissionen auszugleichen sind. Der Erwerb von Kompensationszertifikaten kann die unternehmenseigenen Massnahmen nur ergänzen, aber nicht ersetzen. Das stellt auch tegut in seinem 2021 veröffentlichten ersten Nachhaltigkeitsbericht ausdrücklich klar: «Klimazertifikate leisten Abhilfe, sind jedoch kein Ersatz für die Senkung der eigenen CO2-Emissionen.» Vielmehr komme es zuerst darauf an, die technischen Möglichkeiten auszunutzen.
Weltweite Projekte
Das Prinzip der Kompensation beruht auf der Überlegung, dass es für das Klima nicht darauf ankommt, an welcher Stelle Treibhausgase vermieden oder reduziert werden. Bei der Kompensation werden daher Emissionen, die an einem Ort verursacht werden, in gleicher Höhe an anderer Stelle weltweit eingespart. Entscheidend ist, dass die jeweilige Klimaschutzleistung ohne den Verkauf zertifizierter Emissionsreduktionen nicht stattgefunden hätte. Dieses Prinzip der «Zusätzlichkeit» ist ein Qualitätskriterium für seriöse Zertifikate. Grundlage für die Berechnung der Kompensationshöhe bildet dabei nicht nur die tatsächliche Menge des verursachten CO2-Ausstosses, sondern der Umfang des gesamten Leistungspakets. Die Preise der verschiedenen Anbieter bewegen sich bei zehn bis 25 Euro pro Tonne CO2.
Transparente Projekte
Die Klima- oder Emissionszertifikate bescheinigen, dass Emissionen in exakt bezifferter Höhe in Klimaschutzprojekten reduziert werden. In Schwellen- und Entwicklungsländern können solche Projekte neben dem Klimaschutz auch Beiträge zum technologischen Fortschritt und zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen leisten. Ein solches Modell nutzt beispielsweise ROSSMANN für den Ausgleich von unvermeidbaren CO2-Emissionen bei verschiedenen Marken wie «Alterra» oder «Isana». Dabei arbeitet das Unternehmen mit dem Zertifikate-Anbieter ClimatePartner zusammen. Ein konkretes Projekt ist der Betrieb eines Windparks in der Provinz Süd-Sulawesi in Indonesien, das den Anteil erneuerbarer Energien im Land erhöht und gleichzeitig die Abhängigkeit von Stromimporten reduziert. Die Entwicklung und der Fortschritt der ROSSMANN-Projekte können auf der Website von ClimatePartner anhand der ID-Nummer 14712-2006-1001 verfolgt werden. Am 4. Februar 2022 hatte sich das eingesparte CO2 der ROSSMANN-Projekte auf 51 779 Tonnen summiert.
Soziale Belange zählen auch
Kaufland nutzt ebenfalls für den Ausgleich seiner bislang unvermeidbaren CO2-Emissionen anerkannte und nach internationalen Massstäben wie dem «Gold Standard» zertifizierte Klimaschutzprojekte. Der Gold Standard wurde vom WWF und anderen Umweltverbänden entwickelt. Seine Projekte berücksichtigen zusätzlich zur CO2-Kompensation soziale und Umweltaspekte. Bei Kaufland ist das zum Beispiel die Unterstützung des Wasserkraft-Projekts «Nam Hong Hydropower» in Vietnam, das nicht nur zur Reduktion von Treibhausgasen beiträgt, sondern gleichzeitig etwas für die sozialen Belange der Bevölkerung tut. Auch die Metro Group arbeitet mit Zertifikaten nach dem Gold Standard und fördert damit ein grosses Windenergieprojekt in Pakistan sowie eine Biomasseanlage in Bulgarien, die Methangas aus der Holzvorbereitung einer Papierfabrik zur regenerativen Wärmeerzeugung nutzt. Ausserdem unterstützt Metro in Deutschland Aufforstungen. Die Coop Schweiz kompensiert unvermeidbare CO2-Emissionen in ihren Handels- und Produktionsbereichen mit der Unterstützung von verschiedenen Klimaschutzprojekten nach dem Gold Standard.
Wirksame Projekte
Kritiker von Kompensationszertifikaten führen ins Feld, dass Unternehmen, aber auch die Verbraucher ihr Gewissen reinwaschen und mögliche eigene Reduktionsbemühungen durch Kompensation ersetzen. Bei den oben genannten Projekten weisen die Unternehmen aber ausdrücklich auf vorangegangene CO2-Reduktionen entlang ihrer Produktions- und Distributionsketten hin. Die Kompensation kommt also on top. Auch das Umweltbundesamt (UBA) beobachtet den Zertifikate-Markt genau und spart bei bestimmten Modellen nicht mit Kritik. Es stellt aber seriösen Projekten ein gutes Zeugnis aus. Ein Beispiel dafür findet das UBA in Nepal, einem der ärmsten Länder der Welt. Vor allem im ländlichen Raum kochen die Menschen dort mit Holz auf offenem Feuer, was zum Rückgang der Wälder führt und viel gesundheitsschädlichen Qualm erzeugt. Mit den Mitteln aus einem Kompensationsprojekt werden Kleinbiogasanlagen gebaut, die Agrarabfälle und Fäkalien durch anaerobe Vergärung in Biogas umwandeln, welches zum Kochen genutzt wird. Laut UBA «eine rauchfreie, bezahlbare und dezentrale Energiequelle insbesondere für ärmere Haushalte auf dem Land». Eine einzige Anlage spart rund drei Tonnen CO2 oder 2000 Kilogramm Feuerholz pro Jahr gegenüber der Nutzung eines traditionellen «Drei-Steine-Feuers» ein. Dieses Kompensationsmodell erfüllt auch ein weiteres entscheidendes Qualitätskriterium: Ohne seine finanziellen Mittel wäre das Projekt nicht entstanden.