New Work: Mehr Sinn, mehr Effizienz

Montag, 02. November 2020
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Den Begriff «New Work» hat der Philosoph Frithjof Bergmann schon in den 1980er Jahren geprägt. Die Idee: Der Mensch soll nicht mehr Werkzeug zum Erfüllen einer bestimmten Arbeitsaufgabe sein. Stattdessen soll Arbeit der Selbstverwirklichung des Menschen dienen: Arbeiter sehnen sich nach Arbeit, die sie wirklich wollen. Schon vor der Coronakrise griffen New-Work-Konzepte diesen Gedanken auf, etwa mit flexiblen Arbeitszeitmodellen oder mobiler Arbeit. Doch vielerorts wurde traditonsgemäss auf Präsenzkultur und kontrollbasierter Führung beharrt. Damit ist nun Schluss. Durch die Pandemie muss sich praktisch jedes Unternehmen für neue Arbeitskonzepte öffnen, wie etwa eine Sonderstudie der Bertelsmann Stiftung zeigt. Grundsätzlich seien zwei wesentliche Tendenzen zu erkennen, heisst es dort: 1. Corona beschleunigt die digitale Transformation der Arbeitswelt. 2. Arbeitsweisen sind divers und Führung wird künftig auf Vertrauen basieren müssen.

Homeoffice künftig nicht mehr wegzudenken

Schon heute ist klar, dass «New Work» schrittweise die neue Normalität wird. Laut einer Randstad-Ifo-Befragung unter Personalleitern wollen etwa 73 Prozent der Unternehmen, die während der Krise verstärkt aufs Homeoffice gesetzt haben, dies auch in Zukunft tun. Und mehr als drei Viertel der Beschäftigten, die krisenbedingt ins Homeoffice versetzt wurden, wollen laut Umfrage der DAK diese Arbeitsform auch weiterhin, zumindest teilweise, nutzen. Werden Büros damit überflüssig? «Mitnichten», sagt Trendforscher Tristan Horx vom Zukunftsinstitut in Wien: «Die Entwicklung geht aber dahin Büroflächen zu reduzieren und zum sozialen Raum zu machen, als Orte der Begegnung und des Austauschs, die der Mensch als soziales Wesen braucht.» Das Homeoffice löse nicht alle Probleme. Es könne aber helfen fokussierter und damit produktiver zu arbeiten, wodurch etwa auch die wöchentlich festgelegte Arbeitszeit reduziert werden kann. «Unternehmen müssen Arbeitsmodelle für verschiedene Typen von Mitarbeitern entwickeln, damit jeder den Arbeitsraum findet, in dem er am effektivsten ist», sagt Horx. «Nicht jeder kann und möchte zu Hause arbeiten.»

Wer im Homeoffice oder mobil arbeitet, sollte jedoch vom Arbeitgeber entsprechend ausgerüstet und unterstützt werden. «Das geht von der technischen Ausstattung über schnelles Internet bis hin zu Zuschüssen zur Miete und Strom», sagt Trendforscher Horx. Auch der Staat muss eindeutige Regeln schaffen – denn Hauptverhinderer der Arbeit über Distanz trotz bestehendem Abstandsgebot seien fehlende Betriebsvereinbarungen, wie eine Studie des Fraunhofer Instituts feststellt. Bislang müssen nur Homeoffice-/Telearbeitsplätze im Arbeitsvertrag oder einer betrieblichen Vereinbarung geregelt sein, wodurch der Arbeitgeber durch die Arbeitsstättenverordnung auch für die komplette Ausstattung des Arbeitsplatzes verantwortlich ist. Bei mobiler Arbeit gilt diese Verordnung nicht, wodurch Mitarbeiter im Zweifel selbst für technische Geräte oder Möbel sorgen müssen.

Auf jeden Fall hat die coronabedingte Verlagerung von Beruf und Freizeit in den häuslichen Bereich laut Gfk in den entsprechenden Handelssparten für erfreuliche Umsätze gesorgt. So stieg im März 2020 die Nachfrage nach Computer Hardware und Equipment sprunghaft an. Vor allem Mäuse, Tastaturen, Headsets, Webcams, Monitore sowie Notebooks waren in der ersten Phase der Pandemie besonders gefragt. Im weiteren Verlauf stieg auch der Absatz von Gaming-Equipment und Fernsehgeräten. Zudem konnten Gefrier- und Kühlgeräte sowie Haushaltsgeräte zum Zubereiten von Essen (etwa Mikrowellen) stark zulegen, denn neben «Office at Home» ist auch «Eat at Home» aktuell die neue Normalität.

News

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Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

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Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

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Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

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Interview

Tristan Horx, Trendforscher am Zukunftsinstitut in Wien, zum Thema «Zukunft der Arbeit».

Herr Horx, der Trend zu neuen, digitalen Arbeitsmodellen wird durch Covid-19 regelrecht beflügelt. In welcher Arbeitswelt werden wir uns künftig bewegen?
Die Arbeitswelt wird fluider und vor allem aufgaben- und projektbezogener sein. Das Arbeitsumfeld passt sich künftig der Aufgabe an, die zu erledigen ist. Viele Tätigkeiten können etwa mobil erbracht werden, etwa zu Hause, in der Bahn oder im Hotelzimmer. Die aus Zeiten der Industrialisierung stammende Formel «Anwesenheit gleich Produktivität» funktioniert nicht mehr. Wir bewegen uns ins digitale-kreative Zeitalter.

Nicht jeder kann im Homeoffice arbeiten. Spaltet das Auseinanderdriften von Arbeitsmodellen nicht auf Dauer die Gesellschaft?
Im Grunde gibt es in jedem Beruf Prozesse, die sich digitalisieren lassen. Natürlich müssen bestimmte Tätigkeiten vor Ort ausgeübt werden, aber der klassische «Papierkram», den es in fast jedem Beruf gibt, lässt sich von zu Hause oder unterwegs oft besser erledigen, weil man die nötige Ruhe hat.

Wie steht es um unsere Work-Life-Balance, wenn Arbeit und Privatleben räumlich und zeitlich nicht mehr getrennt sind?
Allein der Begriff impliziert ja schon, dass man während der Arbeit nicht lebt – eine Vorstellung, die nicht nur die junge Generation abschreckt. Ein funktionsfähiger Begriff für die digitale-kreative Arbeitswelt nach Corona sollte daher eher «Work-Life-Blending», also das selbstbestimmte Vermischen von Arbeits- und freier Zeit, was letztlich auch zu besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie führt. Doch natürlich wird es auch weiter Arbeitnehmer geben, die Beruf und Privates strikt trennen wollen und permanent am Arbeitsplatz im Unternehmen arbeiten.

Wie muss Führung künftig aussehen, wenn Mitarbeiter physisch weniger greifbar sind?
Wichtig ist vor allem Vertrauen. Corona hat hier sehr deutlich gezeigt, dass die Produktivität nicht zwangsläufig sinkt, wenn Mitarbeiter ausserhalb des Kontrollbereichs ihrer Chefs arbeiten. Das Arbeitsumfeld wird künftig mehr dialogisch als hierarchisch sein. Um für die Zeit nach Corona gut aufgestellt zu sein, müssen Unternehmen jetzt ihre Strukturen und Prozesse denken und individuelle Modelle für die einzelnen Mitarbeiter schaffen. Wer genug Sinn und Freiraum im Job hat, arbeitet gerne, weil er den Drang dazu verspürt.

weitere Informationen
www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/2050-die-zukunft-der-arbeit