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GS1-Geschäftsführer Thomas Fell über die Relevanz valider Daten für die FMCG-Branche und die neue Offensive für geprüfte Qualität von Artikelstammdaten.
Herr Fell, Handel und Industrie erleben turbulente Zeiten. Wie bewerten Sie die aktuellen Herausforderungen?
Ich finde es sehr beeindruckend, was derzeit geleistet wird. Zumal die Anforderungen an die Industrie und speziell an den Handel, prinzipiell an die Liefernetzwerke, gerade jetzt sehr hoch sind. Da freuen wir uns natürlich, dass die GS1 Standards, die seit über 40 Jahren die Lieferketten absichern, auch in dieser herausfordernden Zeit die Prozesse vollumfänglich unterstützen. Vom Phänomen «Hamsterkäufe» waren wir allerdings alle überrascht.
Mit Data Quality Excellence (GS1 DQX) bieten Sie der Food- und FMCG-Branche einen Prüfservice für Artikelstammdaten. Wie gross ist der Bedarf?
Der Bedarf ist gross und deckt sich mit den Ansprüchen an ein effizientes Datenmanagement. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Qualität und Quantität der Artikelstammdaten. Alle Beteiligten sind sich in einem wesentlichen Punkt einig: Qualitätsgesicherte und vollständige Artikelstammdaten sind elementar für reibungslose Prozesse. Deshalb haben Handels- und Industrieunternehmen gemeinsam mit uns eine zentrale Qualitätssicherung entwickelt. Die bislang häufig bilateralen und aufwendigen Abstimmungen zwischen Händlern und Dateneinstellern sowie inkonsistente Artikelstammdaten werden mit GS1 DQX deutlich verringert.
Wo liegen die wesentlichen Defizite der Daten?
Eine überraschende, wenngleich auch wenig erfreuliche Erkenntnis aus der Pilotphase war, dass der Grossteil der Abweichungen bei LMIV-relevanten Attributen auftrat. Vorgeschriebene Hinweise auf Inhaltsstoffe und Allergene fehlten oder waren nicht korrekt. Deshalb ist aus meiner Sicht ein Abgleich zwischen Datensatz und Produktbild mittels Sichtprüfung unabdingbar, was durch den Service GS1 DQX erfolgt.
Welche Rückmeldungen haben Sie bisher dazu vom Handel erhalten?
Das Feedback ist durchweg positiv: «gewünscht, gewollt, lange überfällig», um nur einige Rückmeldungen zu nennen. Der Handel erhält jetzt valide Artikelstammdaten, die zentral durch eine neutrale Instanz geprüft wurden. Weitere Prüfungen auf Handelsseite können somit eingespart werden.
Wie geht es mit diesem neuen Standard weiter? Wo gilt es Ihrer Meinung nach noch zu justieren?
Der Standard ist in Bezug auf Vollständigkeit, Richtigkeit und Konsistenz der Artikelstammdaten definiert und somit branchenweit anwendbar. Gleichwohl kann ein Standard nur dann seine Wirkung vollends entfalten, wenn Viele ihn anwenden. Die Hausaufgaben sind gemacht, es steht mit dem Datenqualitätsservice allen Marktteilnehmern zunächst für FMCG-Food und Near-Food eine neutrale Prüfinstanz zentral zur Verfügung. Jetzt gilt es, den neuen Service gemeinsam als feste Grösse zu etablieren. Ergänzend möchte ich betonen, dass GS1 DQX stetig weiterentwickelt wird und die Marktbedürfnisse gespiegelt werden. Vor allem die Konsumenten rücken stärker in den Fokus: Sie wollen immer mehr wissen und natürlich auf die ihnen zur Verfügung gestellten Informationen vertrauen können. Wir sind davon überzeugt, dass der Datenqualitätsservice dabei hilft, die Kundenzufriedenheit zu steigern. Und zwar unabhängig davon, ob stationär oder online.
In der Konsumgüterbranche beschreiben 450 Attribute ein Produkt. Gleichwohl sehen sich Handelsunternehmen noch gezwungen, die speziellen Daten für ihren Online-Kanal aufwendig inhouse zu erstellen, weil sie nur so die erforderliche Qualität erreichen könnten. Wie sehen Sie das?
Online-Kanäle und der stationäre Handel verschmelzen zu «one reality». Wir haben die Herausforderungen erkannt – sie sind ein allgegenwärtiges Thema. Der nächste Schritt ist die Vervollständigung des Zielmarktprofils. Um den Anforderungen des Online-Business gerecht zu werden, sollen die Daten ebenfalls 1:1 übernommen werden können. Daran wird parallel intensiv gearbeitet. Aber auch hier gilt, dies gemeinsam zu entwickeln.
Vielen Start-ups wird allein bei dem Gedanken an das geforderte Datenmanagement schwarz vor Augen. Wie muntern Sie diese Kunden von morgen auf?
Seit der Einführung von «SmartStarter10» – ein Offering, das mit zehn GTINS den kleinen Bedarf bedient – erfahren wir einen hohen Zulauf von jungen Unternehmen und kreativen Online-Shop-Betreibern, die genau wissen, was sie wollen. Damit Start-ups sich auf ihr Kerngeschäft fokussieren und gut haushalten können, haben wir es uns bei GS1 Germany zur Aufgabe gemacht, Start-ups gezielt zu unterstützen, beispielsweise mit dem für alle unseren Kunden frei zugänglichen «GTIN-Manager». Mit dessen Hilfe lassen sich Artikelstammdaten einfach und strukturiert aufbereiten und online verwalten. Unabhängig davon, ob Start-up oder Konzern: Das Kooperationsengagement ist in diesen turbulenten Zeiten sehr beeindruckend. Genau diese Art der Kollaboration ist für mich der Schlüssel zum Erfolg: vor 40 Jahren, im Heute und in Zukunft.