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In den vergangenen zehn Jahren sind die Umsätze mit Fairtrade-Produkten stark gewachsen. Der HDE zählt sie sogar mittlerweile zum Standard-Sortiment.
Immer mehr Verbraucher legen dem Handelsverband Deutschland (HDE) zufolge Wert auf sozial und ökologisch verantwortlichen Konsum. „Somit wächst auch das Umsatzpotenzial in dieser Warengruppe weiter“, sagt Kai Falk, Geschäftsführer des HDE. Wie zum Beweis vermeldet Fairtrade Deutschland (Transfair e.V.) pünktlich zu seinem 25-jährigen Bestehen zum ersten Mal Umsätze mit Fairtrade-gesiegelten Produkten von über einer Milliarde Euro in Deutschland. Zum Vergleich: Zehn Jahre zuvor waren es noch 142 Millionen Euro gewesen. „Hierzulande verzeichnen Fairtrade-Produkte jährlich zweistellige Zuwachsraten“, berichtet Monika Vogelpohl von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Dabei zählen Kaffee, Bananen, Rosen und Schokolade laut Dieter Overath, geschäftsführender Vorstandsvorsitzender von Fairtrade Deutschland zu den meist gefragten Waren. Kaffee ist hierbei mit einem Umsatz von rund 416 Millionen Euro der Spitzenreiter, gefolgt von Bananen mit einem Umsatz vom rund 130 Millionen Euro, Blumen mit einem Umsatz von circa 117 Millionen Euro und Kakao mit rund 110 Millionen Euro Umsatz.
Verbraucher interessieren sich für Herstellungsbedingungen
Als Begründung für die steigende Nachfrage nach Fairtrade-Produkten sagt Vogelpohl: „Immer mehr Verbraucher legen Wert darauf zu wissen, unter welchen Bedingungen Lebensmittel produziert werden und woher sie kommen.“ Das stellt unter anderem auch MARKANT Mitglied Kaufland fest. Die Handelskette spricht von einem „festen Kundenstamm“, der die Fairtrade-Produkte nachfrage. Ferner werde mit jedem Jahr die Nachfrage größer. „Da wir unser Sortiment daran ausrichten, haben wir das Angebot an Fairtrade-Artikeln entsprechend ausgebaut.“ Bis zu 115 Fairtrade-Artikel führt das Handelsunternehmen mittlerweile, darunter auch Wein, Rohrzucker, Gebäck und Honig . Auch MPreis führt seit Jahren fair gehandelte Erzeugnisse. Damals sei man der erste in Österreich gewesen, vermeldet das Unternehmen.
Längst stehen Supermärkte, die Fairtrade-Produkte listen, nicht mehr alleine da: „Die Produkte gehören jetzt zum Standard-Sortiment, es gibt sie in Deutschland mittlerweile flächendeckend, auch in vielen Supermärkten oder Discountern“, sagt Falk.
Bereitschaft, mehr zu zahlen
Hinsichtlich der Kernzielgruppe handelt es sich laut Fairtrade Deutschland um Familien. Dieter Overath spricht zudem von sehr breiten potenziellen Käuferschichten, seit Fairtrade-Produkte flächendeckend verfügbar sind. Nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) haben im Jahr 2015 etwa 18,3 Millionen und damit fast die Hälfte aller deutschen Haushalte Fairtrade-Produkte aus dem Bereich Fast Moving Consumer Goods (FMCG) gekauft.
Grundsätzlich seien deutsche Konsumenten bereit, mehr Geld für Produkte auszugeben, die den Erzeugern ein besseres Leben ermöglichen, meint Overath. Rund sechs bis zehn Prozent mehr würden sie dann bezahlen. Dennoch bleibe Deutschland „ein sehr preissensibler Markt.“ Voraussetzung für die höhere Zahlungsbereitschaft ist laut Falk, dass die Kunden sicher sein können, dass die Produkte tatsächlich unter besonders sozialverträglichen Bedingungen hergestellt wurden.
Verkaufskriterium Siegel
Dementsprechend wichtig ist es, beim Verkauf auf die richtigen Siegel zu setzen. Das Fairtrade-Siegel etwa hat Overath zufolge bei den deutschen Verbrauchern einen Bekanntheitsgrad von 84 Prozent, 95 Prozent davon vertrauen ihm, wie eine aktuelle Auswertung des internationalen Meinungsforschungsinstituts Globescan zeigt. Hilfreich hierfür ist sicherlich auch, dass „Stiftung Warentest Fairtrade jüngst eine hohe Glaubwürdigkeit bestätigt hat“, wie Overath berichtet.
Neben dem Fairtrade-Siegel gibt es laut Monika Vogelpohl noch das Siegel Naturland Fair, das ebenfalls auf für den LEH relevanten Produkten zu finden ist. Darüber hinaus tragen viele Produkte die Siegel „Rainforest Alliance Certified“ und „Utz Certified“, die bei Stiftung Warentext jedoch schlechter abgeschnitten haben als die anderen beiden. Zudem bewerten sie vordergründig, wie nachhaltig die Produkte erzeugt wurden, und gar nicht oder nur am Rande, wie fair sie gehandelt und erzeugt wurden.
LEH startet eigene Nachhaltigkeitsinitiativen
Alle sechs Siegel sind nicht zu verwechseln mit den Labeln der Fairhandelshäuser gepa, El Puente und dwp. Diese vergeben keine Siegel, sondern vertreiben selbst Ware, die „internationalen, von den verschiedenen Akteuren gemeinsam erarbeiteten Standards zugrunde liegt“, wie Vogelpohl sagt. Vor allem gepa nutzt dabei auch den konventionellen Handel als Vertriebskanal.
Doch der LEH setzt selbst immer öfter „auf eigene Nachhaltigkeitsinitiativen und Siegel, um die steigende Nachfrage nach Fair-Trade-Ware zu bedienen“, wie Kai Falk sagt. Als Beispiele nennt er unter anderem das Siegel „Pro Planet“ von Rewe und „Fair Globe“ von Lidl.
Parallel dazu bringen immer mehr konventionelle Lebensmittel-Produzenten Innovationen auf den Markt, die das Fairtrade-Siegel tragen dürfen. „Dabei ist das Spektrum vielfältig“, sagt Overath. Etwa bezögen Süßwarenhersteller wie Ferrero, die Confiserie Riegelein, oder Lambertz fair gehandelten Kakao über das Fairtrade-Rohstoffprogramm. Auch Zotter biete ein breites faires Schokoladensortiment und „neben J.J. Darboven ist Tchibo der größte Markenanbieter von fairem Kaffee.“
Fairtrade Deutschland hilft bei Vermarktung
Fairtrade Deutschland empfiehlt, fair gehandelte Produkte aufmerksamkeitsstark zu präsentieren. „Breite Verfügbarkeit und Sichtbarkeit sind wichtige Voraussetzungen, damit Kunden ihr Bewusstsein im Einkauf auch tatsächlich umsetzen.“ Sonderplatzierungen und Aktionen etwa seien positive Ansätze. Nicht zuletzt aber dienen Fairtrade-Produkte in den Regalen dem LEH auch der Imagepflege. Er hat hier die Möglichkeit, sich „deutlich von den Mitbewerbern abzuheben", wie es in der Informationsbroschüre von Fairtrade Deutschland heißt. Darüber hinaus werden laut Vogelpohl 70 Prozent der Fairtrade-Produkte in Bio-Qualität angeboten, womit sie zusätzlich die Verbraucher erreichen, die Produkte aus biologischer Erzeugung bevorzugen. Dadurch vergrößert sich die Käuferreichweite ebenfalls.
Um die Vermarktung von Fairtrade-Ware am Point of Sale zu optimieren, bietet Fairtrade Deutschland individuell abgestimmte Promotionkonzepte, die neben dem Markt auch den Online-Auftritt erfassen. „Konkrete Maßnahmen können etwa eine Verköstigungstheke, eine App sowie ein abgerundeter Online-Auftritt sein.“
Interview
Interview mit Dieter Overath, geschäftsführender Vorstandsvorsitzender von TransFair e.V. (Fairtrade Deutschland), über die Marktdurchdringung von Fairtrade-Produkten
Wie haben Sie es in den letzten 25 Jahren geschafft, den Handel davon zu überzeugen, Fairtrade-Produkte zu listen?
Der Erfolg von Fairtrade war anfangs nur möglich über das breite zivilgesellschaftliche Engagement und natürlich eine gewisse Hartnäckig¬keit. In den Anfangsjahren mussten wir Klinken putzen und viele Türen von Unterenhemen blieben vorerst verschlossen. Inzwischen ist Fairtrade als Handelsalternative im Bewusstsein von Konsumenten und Wirtschaft anerkannt. Trotzdem fehlt uns bei vielen Produkten noch die Marktdurch¬dringung.
Welchen Mehrwert haben Produkte mit Fairtrade-Siegel für den Handel?
Die Verbraucher folgen einem eindeutigen Trend: Längst machen sie ihre Kaufentscheidungen nicht mehr ausschließlich von individuellen Faktoren abhängig, sondern beziehen auch Aspekte der Nachhaltigkeit und sozialen Verantwortung in ihre Wahl mit ein. Dazu gehört auch ein gesteigertes Bewusstsein für die Arbeits- und Lebensbedingungen der Produzenten am Anfang der Lieferkette. Um dem Bedürfnis der Konsumenten nach bewussten Kaufentscheidungen nachkommen zu können, werden glaubwürdiges soziales Engagement und die Integration von Nachhaltigkeit in die Wertschöpfungskette immer wichtiger. An dieser Stelle greift Fairtrade als wichtiger Baustein der Coporate Social Responsibility-Strategie von Unternehmen und als konkrete Handlungsoption für Verbraucher, denn 84 Prozent der Konsumenten kennen das Siegel, 95 Prozent davon vertrauen ihm, so eine aktuelle Auswertung des Globescan Instituts. Stiftung Warentest bestätigte dem Fairtrade-Siegel eine hohe Glaubwürdigkeit. In der test-Ausgabe vom Mai 2016 bewertete die deutsche Verbraucherorganisation verschiedene „Nachhaltigkeitssiegel“. Drei Standards schnitten besonders positiv ab: darunter Fairtrade.
Mittlerweile arbeiten namhafte Hersteller mit Ihnen zusammen, denen Sie das Fairtrade-Siegel verleihen. Können Sie hier Beispiele nennen? Sind weitere Kooperationen geplant?
Das Siegel verleihen wir nicht den Unternehmen, sondern nur spezifischen Produkten, wenn diese nachweislich nach den international gültigen Fairtrade-Standards produziert und gehandelt wurden. Mittlerweile bieten 345 Händler und Hersteller Produkte mit dem Fairtrade-Siegel an. Das Spektrum unserer Partner ist vielfältig: Seit April 2017 gibt es beispielsweise in ICs und ICEs der Deutschen Bahn fairen Kaffee von Dallmayr sowie fairen Tee und Kakao von J.J. Darboven. Süßwarenhersteller wie Ferrero, die Confiserie Riegelein oder Lambertz beziehen über das Fairtrade-Rohstoffprogramm fair gehandelten Kakao, Zotter bietet ein breites, hochwertiges und faires Schokoladensortiment und neben J.J. Darboven ist Tchibo der größte Markenanbieter von fairem Kaffee. Rewe ist langjähriger Partner mit einem breiten Sortiment an Fairtrade-Produkten von Blumen über Schokolade bis hin zu Tee und Kaffee – auch mit zertifizierten Eigenmarken-Produkten. Das gilt auch für Discounter, die für ihre Zusammenarbeit mit dem fairen Handel Eigenmarken kreiert haben, deren Produkte allesamt mit dem Fairtrade-Siegel ausgezeichnet sind.
Ist der Verkauf der Ware saisonabhängig, etwa dass die Verbraucher zu Weihnachten verstärkt zu „fairen“ Produkten greifen?
Bei manchen Produkten, wie beispielsweise Schokolade, gibt es natürlich Peaks, die sich ähnlich zu den konventionellen Waren zeigen – also etwa zu Ostern und Weihnachten. So geht beispielsweise auch bei Fairtrade-Rosen die Hochsaison mit konventioneller Ware einher, also im Frühjahr, zu Valentins-, Weltfrauen- oder Muttertag.
Welche Produkte fehlen Ihrer Meinung nach noch in den Regalen?
Es gibt bereits eine große Auswahl an Fairtrade-Produkten, aber bei vielen der verfügbaren Waren ist die Marktdurchdringung noch nicht gegeben. Kaffee beispielsweise – der Klassiker unter den Fairtrade-Produkten – hat im letzten Jahr einen Marktanteil von 3,8 Prozent erreicht. Bei Kakao sind wir nach langer Zeit im Promille-Bereich inzwischen bei sechs Prozent Marktanteil gelandet und Bananen haben einen Marktanteil von rund zehn Prozent. Das sind positive Entwicklungen, die wir uns auch für andere Produkte wünschen: beispielsweise bei Produkten wie Reis, Tee oder Säften, wo wir noch in einer kleinen Nische stecken und auch bei fairen Textilien fehlen uns Markenhersteller, die mit uns zusammenarbeiten.
Wie wird sich der Handel mit fair gehandelten Produkten in den nächsten Jahren entwickeln?
Der Trend zu nachhaltigem Konsum ist ungebrochen. Damit fairer Handel aber Alltagshandel werden kann, brauchen wir politische Rahmenbedingungen, die das ermöglichen. Das Bewusstsein ist da, die Marktdurchdringung und das konkrete, flächendeckende Handeln fehlen aber nach wie vor. Politik und Wirtschaft sind hier gefragt.
Sind Sie der Meinung, dass der LEH Produkte mit Fairtrade-Siegel optimal vermarktet? Wo sehen Sie hier Verbesserungsbedarf?
Breite Verfügbarkeit und Sichtbarkeit sind wichtige Voraussetzungen, damit Kunden ihr Bewusstsein im Einkauf auch tatsächlich umsetzen. Gute Sichtbarkeit am Regal, Sonderplatzierung und Aktionen sind positive Ansätze.
Inwiefern steht Transfair Deutschland dem LEH bei der Vermarktung von Fairtrade-Produkten zu Seite?
Wir unterstützen beispielsweise durch maßgeschneiderte Promotionskonzepte, dazu gehören die umfassende Vor- und Nachbereitung von Promotionsaktionen wie der Service rund um die Konzepterstellung für Markt und Online-Auftritt. Konkrete Maßnahmen sind beispielsweise Promotions direkt am Point of Sale, wie eine Verköstigungstheke, außerdem eine App und Online-Auftritt.