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Neue Medien und exakte Datenanalysen bieten Lebensmitteleinzelhändlern die Chance, mit Verbrauchern individualisiert und zielgerichtet zu kommunizieren. Welche Erfolgsfaktoren beim One-to-One-Marketing zählen und wann sich diese Form der Werbung anbietet.
Anfang Mai hat der Einzelhandelsfilialist Globus sein Kundenbindungsprogramm erweitert. «Wir möchten allen ‹Mein Globus›-Mitgliedern einen zusätzlichen Service bieten, daher haben wir nun eine App entwickelt, die das Einkaufen in unseren Märkten einfacher und bequemer macht», sagt Daniel Richter, Leiter Multichannel Deutschland bei Globus. Die App ist dafür konzipiert, Kunden durchgängig bei ihrem Einkauf zu begleiten. «Durch das digitale Kundenprogramm haben sie die Möglichkeit, schon im Vorfeld ihren Einkauf besser zu planen», sagt Daniel Richter. Die App zeigt den Verbrauchern Faltblatt-Angebote, den aktuellen Punktestand ihrer Kundenkarte sowie individuelle Rabatte, beispielsweise zum Tanken. Ausserdem können die Nutzer per App direkt an der Kasse ihre Einkaufsgutscheine einlösen. Durch einen Feedback-Kanal kommen die Kunden bei Bedarf direkt mit den Globus-Mitarbeitern in Kontakt.
Individualisierte Werbung
Neben dem verbesserten Service für die Kunden haben Unternehmen mit derartigen Apps und digitalen Kundenkarten allgemein die Chance, möglichst viele relevante Informationen über den Bedarf und die Fragen ihrer Kunden zu sammeln – das Einverständnis der Nutzer vorausgesetzt. Die Erkenntnisse lassen sich zum Beispiel für eine individualisierte Werbung und Aktionen nutzen. Zum Vorteil für beiden Seiten: Die Kundenzufriedenheit steigt, die Kundenbindung verbessert sich. Einzelhändler erzielen eine vergleichsweise höhere Rückmeldung zu relativ niedrigen Kosten (s. Info).
One-to-One-Marketing ist nicht neu. Als einer der Urheber gilt Don Peppers, Experte für Kundenorientierung und Gründer einer darauf spezialisierten Unternehmensberatung in den Vereinigten Staaten. Bereits 1993 veröffentlichte er zum Thema einen Ratgeber. One-to-One-Marketing beinhaltet danach, Kunden zu identifizieren sowie zu differenzieren und interaktiv mit den Verbrauchern alle Kommunikationskanäle zu nutzen. Wer hat welche Bedeutung für das Unternehmen und wo liegt sein Bedarf?
Vernetztes Marketing im Aufbau
«Die Zukunft im Retail gehört dem One-to-One-Marketing», kommentiert Stephan Rüschen, Professor für den Lebensmittelhandel der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn. Konkret heisst das, beispielsweise ein vernetztes Marketing zwischen der eigenen Website, den sozialen Medien und mobilen Endgeräten aufzubauen. «Es geht künftig um die geschickte Übersetzung der Kundendaten in einen proaktiven Kundendialog mit dem Ziel, die Bedürfnisse der Kunden anzusprechen», beschreibt Martin Nitsche, Präsident des Deutschen Dialogmarketing Verbandes, (DDV) den Trend.
Auch Lidl ist bereits aktiv. Der Lebensmitteldiscounter startete im Mai mit seinem App-basierten Loyality-Programm «Lidl Plus» in Deutschland. Der Händler will aus dem Feedback dieses Kundenclubs Informationen generieren und sie für individualisierte Bonus- und Couponaktionen nutzen. Das Projekt läuft momentan als Pilot exklusiv und nur in Berlin und Brandenburg.
Dagegen steht die Vorteils-App in Österreich, Spanien, Dänemark und Polen bereits jedem Kunden offen. Im Prinzip handelt es sich ähnlich wie bei Globus um eine digitale Kundenkarte. Der Verbraucher registriert sich und profitiert automatisch von diversen Extras. Beispielsweise von den wöchentlichen Super-Gutscheinen, die an der Kasse eingelöst werden können.
Jeder neue App-Teilnehmer erhält einen Willkommensgutschein von 5 Euro, der ab einem Einkaufswert von 25 Euro relevant wird. Der Kunde sieht in der App, was er zu welchem Preis mit welchem Nachlass eingekauft hat. Ausserdem profitieren die Nutzer nach jedem Einkauf von einem Rubbellos, das weitere Rabatte bringt. «Jedes Los ein Gewinn», erklärt Lidl-Österreich in einem Video zur App.
Möglichkeiten nutzen
Die ermittelten Kundendaten will Lidl auswerten. Der Discounter zählt damit zu den Pionieren im professionellen Einsatz von Big-Data-Software. Nach einer Studie der Commerzbank vom vergangenen Jahr generiert nämlich die Mehrheit von 60 Prozent der Handelsunternehmen bisher keine Daten, die Wissen über einzelne Kunden und deren Konsum- und Kaufverhalten liefern. 97 Prozent der in der Studie befragten Firmen allgemein gehen aber davon aus, dass Big Data künftig weitreichende Auswirkungen auf das Geschäft in der eigenen Branche haben wird. Als wesentliche Gründe für die Zurückhaltung nennt die Studie Probleme mit dem Datenschutz, Fachkräftemangel und fehlende Bereitschaft der Führungskräfte. «Ein zentrales Ergebnis unserer Studie ist, dass viele Unternehmen im Mittelstand kein Erkenntnisproblem haben, sondern insbesondere aufgrund von internen Strukturen, Prozessen und auch mit Blick auf die Führungskultur noch nicht bereit sind für die Nutzung des riesen Potenzials von Big Data», meint Michael Reuther, Vorstand im Firmenkundengeschäft der Commerzbank. Zumindest Globus und Lidl scheinen damit kein Problem zu haben. Und Experten gehen davon aus, dass mittelfristig andere Lebensmittelfilialisten nachziehen werden.