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Trotz rückläufiger Statistiken wird im Handel gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist. Eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Diebstählen haben die Mitarbeiter.
Ein letzter Blick und schon verschwinden die Rasierklingen mit einer raschen Bewegung in der Hosentasche. Ein Diebstahl – und damit kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Mehr als 346.000 solcher Fälle wurden im vergangenen Jahr in der Polizeilichen Kriminalstatistik registriert. Hinzu kommen die knapp 20.000 Fälle an schwerem Diebstahl, bei denen die Täter besondere Sicherheitsvorkehrungen überwunden haben – beispielsweise, wenn die Spirituose aus einer Glasvitrine entwendet oder das Sicherheitsetikett vom Lippenstift beschädigt wurde. In Summe entspricht das einem Anstieg an Diebstahldelikten von 2,6 Prozent gegenüber 2013. Während die Zahl der einfachen Ladendiebstähle jedoch in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken ist, nehmen die schweren Ladendiebstähle gleichsam zu. Im Lebensmittelhandel werden vor allem Rasierklingen, Spirituosen, Tabakwaren, Parfüms sowie dekorative und pflegende Kosmetik entwendet. Das sind meistens kleine, leicht einsteckbare Artikel mit relativ hohem Wert, die sich gut zum Wiederverkauf eignen. Der durchschnittliche Diebstahlwert in Deutschland beträgt rund 81 Euro.
Mit hoher Dunkelziffer
Das EHI Retail Institute geht bei diesen Zahlen jedoch nur von der Spitze des Eisbergs aus. Frank Horst, Sicherheitsexperte beim EHI Retail Institute, rechnet: „Setzt man die rund 81 Euro in Relation zu den Inventurverlusten in Höhe von 2,1 Milliarden Euro, die den Kunden zugeschrieben werden, ergibt sich, dass jährlich mehr als 26 Millionen Ladendiebstähle unentdeckt bleiben oder aber nicht angezeigt werden.“ Das entspricht einer Dunkelziffer von 98 Prozent. Für den Handel bedeutet das vor allem eines: Er sollte unbedingt jeden Straftäter anzeigen. Denn „ohne Anzeige besteht erhöhte Wiederholungsgefahr. Und es ist die einzige Möglichkeit, Mehrfachtäter zu identifizieren“, sagt Frank Horst. Nur so werden diese aktenkundig. Außerdem kommt der Diebstahlprävention eine wichtige Rolle zu. Schon heute investieren die Einzelhandelsunternehmen in Deutschland jährlich rund 1,2 Milliarden Euro in Maßnahmen organisatorischer und technischer Natur. Dazu gehören zum Beispiel Kameraüberwachung, warenwirtschaftliche Datenauswertungen, Testkäufe, Bondatenanalysen, diebstahlhemmende Verkaufsträger, Warensicherungen bis hin zum Einsatz von Kaufhausdetektiven. Was im Einzelfall sinnvoll ist, wird in der Regel standortspezifisch entschieden.
Self-Checkout wirkt abschreckend
„Eine besondere Schlüsselrolle kommt aber der ständigen Aufmerksamkeit und der Sensibilisierung des Personals zu“, sagt Frank Horst. Das gilt vor allem in den Bereichen Kasse, Verkauf und Wareneingang. Sie müssen in regelmäßigen Schulungen dafür sensibilisiert werden, woran man Diebe erkennen kann und worauf es zu achten gilt. In diesem Zusammenhang ist genauso wichtig, wie im Ernstfall mit ihnen umgegangen werden muss. Und noch eine Maßnahme wirkt sich positiv auf die Reduzierung von Diebstählen aus: Self-Checkout-Kassen. „Interessanterweise verzeichnet der Handel hierbei fast ausnahmslos keine höheren Inventurdifferenzen, obwohl der Kunde selbst registriert und bezahlt“, sagt Frank Horst. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren, aber offenbar hat die ständig präsente Personalassistenz durch ihre Aufmerksamkeit und Kontrolltätigkeit einen maßgeblichen Einfluss. Händler begründen diese Beobachtung damit, dass der Kunde allein die Verantwortung für das vollständige Registrieren und Bezahlen trägt. Denn: „Bei Fehlern ist die Sachlage klar, während bei herkömmlichen Kassen die Schuld immer noch auf die Kassenkraft abgewälzt werden kann“, so Frank Horst weiter. Außerdem geschieht ein Diebstahl üblicherweise schon vorher im Verkaufsraum und nicht erst an der Kasse.