Erfolgsfaktor Innovation

Montag, 07. August 2017
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Das Segment Obst und Gemüse ist ein verlässlicher Frequenzbringer und entwickelt sich zunehmend zum Differenzierungsfaktor. Wie der Handel mit innovativen Angeboten die Wertschöpfung erhöhen kann.

Mindestens einmal in der Woche kaufen die Deutschen Obst und Gemüse wie aktuelle Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zeigen. Im Jahr 2016 wurde dabei ein Umsatzwachstum von rund fünf Prozent erzielt, der Absatz ist dagegen leicht rückläufig. «Nach wie vor sind wir von den Konsummengen, die Ernährungsexperten empfehlen, weit entfernt», erklärt Andreas Brügger vom Deutschen Fruchthandelsverband. Doch auch wenn viele Deutsche die empfohlenen «Fünf am Tag» nicht schaffen, wächst das Ernährungsbewusstsein – wovon auch das Obst-und-Gemüse-Segment profitiert. «Das Interesse an gesundem, frischen Essen ist eine Chance», sagt Jürgen Bruch, Geschäftsführer bei Cobana Fruchtring. So profitierten etwa Exoten wie Avocados oder Granatäpfel vom Trend der so genannten Superfruits. «Das fördert nicht nur deren Beliebtheit, sondern kommt der gesamten Kategorie zugute. »

Dem Wettbewerbsdruck standhalten

Demgegenüber stehe jedoch «der enorme Wettbewerbsdruck», erklärt Andreas Brügger vom Deutschen Fruchthandelsverband. «Die Preise sind deutlich niedriger als etwa in den südeuropäischen Produzentenländern, was vermutlich sowohl am Verdrängungswettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel als auch der geringen Wertschätzung für Lebensmittel liegt.» Obst- und Gemüse würden zu 85 Prozent in Supermärkten und Discountern gekauft, auch wenn viele Verbraucher in Umfragen den Einkauf auf Wochenmärkten oder direkt beim Bauern bevorzugten – laut Brügger eine «romantische Fiktion.»

Um die Preissensibilität der Konsumenten zu mindern, setzen die Hersteller verstärkt auf hohe Qualität und konstant guten Geschmack. Das gelingt zum Beispiel mit Sorten-Innovationen, etwa im Bereich Äpfel. «Die so genannten Clubäpfel wie Pink Lady, Jazz oder Kanzi begeistern Konsumenten mit besonderen Geschmackseigenschaften. Standardsorten wie Golden Delicious werden dagegen diesem Anspruch nicht mehr gerecht und verlieren Marktanteile», sagt Gerhard Dichgans, Direktor des Verbands der Südtiroler Obstgenossenschafen (VOG). Wichtig sei: «Das Preis-Leistungsverhältnis muss stimmen.» Das billigste Angebot am Point of Sale nütze nichts, wenn es nicht schmecke. «Ein etwas teureres, gut schmeckendes Produkt zu essen, ist auf jeden Fall sparsamer als ein schlechtes wegzuwerfen.»

Umsatz generieren mit Bio, Regionalität und Innovationen

Dieses Premiumpotenzial zeigt sich auch bei Gemüse-Innovationen. Der Marktanteil von Bimi, einer Kreuzung aus Chinakohl und Brokkoli, sei etwa in den vergangenen fünf Jahren jährlich um 25 Prozent gestiegen, berichtet Coregeo. Die britische Marketingagentur für Frischobst und Gemüse hat vor Bimi bereits Pink Lady zum Durchbruch auf dem Markt verholfen. «Das gelingt nur, wenn echte Verbraucherbedürfnisse befriedigt werden», erklärt Michelle Toft, Marketingleiterin bei Coregeo. Bimi lasse sich etwa einfach und schnell zubereiten und biete konstant hohe Qualität. «Verbraucher haben dadurch weniger Abfall beim Gemüseputzen und mehr Genuss. Durch diese Produktvorteile funktionieren höherpreisige Premium-Sorten auch in gesättigten Märkten mit hohem Wettbewerbsdruck.»

Weitere Treiber sehen die Hersteller im Ausbau der Bio- und Regional-Range sowie Convenience- und Snacking-Produkten. «Vor allem bei jungen Menschen und Familien sind Bio-Produkte sehr gefragt», hat etwa Enrique Clavel von Iberiana Frucht beobachtet. Um Obst und Gemüse als leicht verzehrbaren Snack in den Alltag zu integrieren, setzen die Hersteller verstärkt auf «Mini-Formate», etwa Mini-Gurken und Mini-Paprika, Mini-Bananen oder kleine Wassermelonen. «Erhebliches Potenzial sehen wir zudem im «Vorgereift»-Trend, etwa bei Avocados oder Mangos», heisst es bei Cobana Fruchtring.

Wie bei allen Frischeprodukten spielt aber auch das Einkaufserlebnis in der Kategorie eine entscheidende Rolle. «Obst- und Gemüseabteilungen sollten die Themen Frische, Regionalität, Nachhaltigkeit und Anbaubedingungen inszenieren», rät Sonja Schulze, Marketingleiterin bei Dole Europe. Die Digitalisierung biete hier gute Chancen mehr über die Produkte und Erzeuger zu erzählen. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine von der Fruit Logistica zusammen mit dem Gottlieb Duttweiler Institute herausgebrachte Studie. Danach interessiere sich der «rund-um-die Uhr-vernetzte Verbraucher» zunehmend für Transparenz und Informationen zu den Produzenten. Mit modernen Kommunikationsmedien, etwa per App oder Touchscreens am Point of Sale, könne der Einzelhandel diesem Bedürfnis durch erfolgreiches Storytelling-Marketing nachkommen.

 

Interview

«Qualität und Geschmack setzen sich durch»

Interview mit Enrique Clavel, Geschäftsführer Iberiana Frucht, über Trends und Chancen bei Obst und Gemüse

Welche Trends beobachten Sie aktuell im Obst- und Gemüsemarkt?
Eine wichtige Entwicklung ist, dass Menschen immer abwechslungsreicher und gesünder essen möchten. Viele Verbraucher beginnen mehr Wert auf Qualität und Geschmack zu legen. Auch Bio-Produkte werden immer beliebter. Zudem liegt Beerenobst derzeit sehr im Trend.

Wie kann der Handel das Potenzial von Obst und Gemüse noch besser ausschöpfen?
Verbraucher sollten über die Vorteile des Obst- und Gemüseverzehrs informiert werden. Viele Menschen möchten sich bewusst gesünder ernähren und auch in der Gastronomie ist ja ein Wandel spürbar. Hier setzen sich immer mehr Healthy- oder Veggy-Restaurants durch.

Welche Zielgruppen und Konsumentenbedürfnisse muss ein erfolgreiches Obst- und Gemüsesortiment heute ansprechen?
Wir wollen natürlich alle Zielgruppen ansprechen, denn eine gesunde Ernährung tut jedem gut. Herausragende Bedeutung haben aus unserer Sicht jedoch die Kinder: Sie werden durch Erziehung geprägt und lernen am Vorbild, auch wenn es um die Ernährung geht. Es ist deshalb wichtig, dass man bereits von klein auf lernt sich gesund zu ernähren. Dazu kommt: Ein gesundheitsbewusstes Kind wird ein gesundheitsbewusster Erwachsener sein. Iberiana Frucht fördert deshalb schon bei Kindern aktiv eine gesunde Lebenseinstellung und unterstützt etwa Sportvereine mit Sponsoring von frischem Obst und Gemüse während Sportveranstaltungen in allen Altersklassen.

Welche Kriterien entscheiden beim Kauf von Obst und Gemüse?
Lebensmitteleinkäufe haben durch die relativ dichte Einkaufsfrequenz einen hohen Anteil an Impulskäufen. Entscheidend beim Kauf sind aber eine attraktive Verpackung sowie ein gutes Erscheinungsbild. Ebenso spielen Preis, Werbung und Präsenz am Point of Sale eine wichtige Rolle.

Die Deutschen sind sehr preisbewusst. Können sich im Segment Obst- und Gemüse trotzdem höherpreisige Produkte durchsetzen?
Verbraucher suchen Produkte mit hoher Qualität und gutem Geschmack. Finden
sie das in einem Produkt, möchten sie, wenn möglich, dieselbe Marke mit derselben hohen Qualität im Supermarkt bei jedem Einkauf wiederfinden. Ist diese Wiedererkennung der Ware gegeben, können sich auch höherpreisige Produkte durchsetzen.

News

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Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

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Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

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Nach einem Einbruch zu Jahresbeginn stabilisiert sich die Konsumstimmung in Deutschland jetzt wieder.

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In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Info

5,4 %

Umsatzwachstum konnten frisches Obst, Gemüse und Kartoffeln im Zeitraum Mai 2016 bis einschliesslich April 2017 gegenüber dem Zeitraum von Mai 2015 bis einschliesslich April 2016 erzielen. Gemüse wuchs mit 6,8 % am stärksten, Obst mit genau der Hälfte am schwächsten. Kartoffeln liegen mit 4 % Zuwachs dazwischen. In allen drei Kategorien kommt das Plus durch steigende Preise zustande, die ein leichtes Mengenminus mehr als ausgleichen. Beim Obst, das im Übrigen 55 Mal pro Jahr eingekauft wird, waren wertmässig nur die Zitrusfrüchte (und hier die Orangen) leicht rückläufig. Alle anderen Segmente gewannen Umsatz hinzu. Trendsegment sind dabei insbesondere Exoten wie Mango, Granatapfel, Kiwi oder Avocado, die im Wert um 15 %, mengenmässig um 12 % zulegen.

Gemüse wird noch häufiger eingekauft als Obst, nämlich 59 Mal pro Jahr.   Top-Kategorien sind hier Tomaten mit einem Wertanteil von 20 %, bei Paprika liegt diese bei 11 %, bei Spargel 9 % und bei Gurken 7 %. Die beiden letzteren sind dabei ausgesprochene Wachstumssegmente mit zweistelligem Umsatzplus, das vor allem bei den Gurken durch einen kräftigen Preisanstieg zustande kommt. Bei den Tomaten sind dem Snacking-Trend entsprechend weiterhin die kleinen Sorten im Aufwind. Sie machen inzwischen 54 % des Tomaten-Umsatzes aus, auch weil sie pro Mengeneinheit einen doppelt so hohen Preis erzielen wie grosse Tomaten.
Ungebremst ist auch weiterhin das Wachstum der Fresh Cut Salate, die den Trend zu frischer Convenience bedienen. Mit einem Kilo-Preis von 6,32 Euro (ggü. 2,18 Eruo bei der Rohware) stellen sie ein weiteres Segment mit hohem Wertschöpfungspotenzial für den Handel dar.

Quelle: GfK

 

Tipps

  • Wie eine erfolgreiche Frischepräsentation aussieht, erklärt Gerhard Dichgans vom VOG: «Der erste Eindruck zählt: Am Eingang platziert wird die Obst- und Gemüseabteilung zur  aussagekräftigen Visitenkarte des Verkaufspunktes. Durch eine saubere, gepflegte und übersichtlich gestaltete Präsentation kann sich der Markt von der Konkurrenz abheben und positive Stimmung bei den Kunden erzeugen. Mit gut geplanten Verkostungsaktionen und schön inszenierten Zweitplatzierungen lässt sich der Umsatz signifikant steigern. Gelegenheitskäufer werden durch Regalstopper auf die Produkte aufmerksam. Auch Informationsbroschüren oder Flyer mit Rezepten zum Mitnehmen, sowie nützliche Beipackartikel, etwa Apfelteiler, können den Verkauf zusätzlich ankurbeln.»
  • Tipps zum optimalen Sortiment und der Bedeutung von Verpackungen, gibt Cobana Fruchtring: «Ein erfolgreiches Sortiment spricht Zielgruppen von Jung bis Alt an. Von kleineren Snackprodukten für Kinder, über hochwertige Verpackungen, die weiterführende Informationen und Rezepthinweise für junge und wissbegierige Kunden vermitteln, bis hin zu klassisch etablierten Produkten und Sorten für Ältere.
    Insbesondere neue und aussergewöhnliche Verpackungen steigern den Anreiz, ein Produkt zu kaufen und auch einmal etwas Neues auszuprobieren. Aktuell wird jedoch die Möglichkeit, über die Verpackung weitere Informationen zu vermitteln, wie Schälhinweise, Rezepttipps oder Angaben zum Produzenten, aus unserer Sicht erst unzureichend genutzt.»
  • Marken steigern die Wertschöpfung, unterstreicht Dole Europe: «In Zeiten der Informationsüberflutung bieten Marken eine feste und verlässliche Komponente. Ob Herkunft, Anbau oder Nachhaltigkeit: Wenn eine Marke überzeugt, sorgt sie beim Handel für nachhaltige Wertschöpfung.»
  • Mehr fertige oder halbfertige Gerichte in den Fokus zu rücken, empfiehlt die Marketingagentur Coregeo: «Viele Verbraucher möchten mit verschiedenen Lebensmitteln und Länderküchen experimentieren, aber gleichzeitig weniger Zeit für Vorbereitung und Kochen aufwenden. Eine grosse Auswahl und conveniente Angebote erfüllen dieses Bedürfnis. Ausserdem legen Verbraucher grossen Wert auf Qualität – frisch gekaufte Produkte müssen das halten, was sie versprechen.»

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