Handel im Wandel

Montag, 25. Oktober 2021
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Die Verlagerung des Konsums ins Internet wird sich nach der Corona-Krise fortsetzen. Die neuen Multi-Channel-Kunden kommen aus allen Zielgruppen und ihre Ansprüche richten sich an alle Händler, auch den LEH.

Covid-19 hat das Einkaufsverhalten grundlegend verändert. Der Omni-Channel-Einkauf, bei dem die Konsumenten situationsbedingt sowohl stationär als auch online einkaufen, ist in allen Handelsbranchen der neue Alltag geworden. Seine Bedeutung wird auch nach der Pandemie weiter zunehmen, und entsprechend aufgestellte Händler können davon mit diversen Verkaufs- und Vertriebskanälen profitieren. Das zeigt die Studie «Omni-Channel Management 2021» des Forschungszentrums für Handelsmanagement an der Universität St. Gallen (IRM-HSG) mit Blick auf Deutschland, Österreich und die Schweiz. Befragt wurden gezielt die Omni-Channel-Käufer, also die Verbraucher, die sowohl online als auch stationär einkaufen. Das war fast die Hälfte der ursprünglich zur Befragung rekrutierten Verbraucher. «Es handelt sich um Konsumenten, welche in der Mitte unserer Gesellschaft stehen und eine ausgeprägte digitale Affinität besitzen», charakterisieren die St. Gallener Wissenschaftler die Omni-Channel-Nutzer.

Nachhaltige Veränderungen
Die Ergebnisse der Befragungen deuten an, dass die Veränderungen im Kaufverhalten langfristig sind. So meiden 40 Prozent der Omni-Channel-Konsumenten, wenn möglich, ganz bewusst stationäre Läden und lassen sich Produkte und Dienstleistungen nach Hause liefern. Zum Zeitpunkt der Befragung (November 2020) waren alle Kontaktpunkte, auch stationäre Geschäfte, in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit Monaten wieder geöffnet. Daraus zieht die Studie den Schluss: «Die festgestellten Veränderungen im Kundenverhalten könnten somit dauerhaft ausfallen, da das Verhalten sich schon über mehrere Monate verfestigt hat.» Nur beim Food-Einkauf dominiert die Gruppe der stationären Käufer (Pure-Offline-Käufer), während bei Nonfood-Einkäufen bereits die Online-Käufer (Pure-Online-Käufer) am häufigsten vorkommen. Noch 2017 war der stationäre Handel für die meisten Verbraucher (56 %) der präferierte Einkaufskanal. Ende 2020 hatten nur noch 43 Prozent diese Präferenz. Sowohl die Kaufhäufigkeit als auch der Ausgabebetrag sind in den Online-Shops deutlich angestiegen.

Food legt online zu
55 Prozent der Omnichannel-Nutzer kaufen ein- bis zweimal im Monat Dinge für ihren persönlichen Bedarf im Internet. Bei dieser Einkaufsfrequenz liegen die Deutschen (54 %), Österreicher (57 %) und Schweizer (55 %) nah beieinander. Grosse Unterschiede gibt es aber bei den intensiven Online-Käufern: 25 Prozent der deutschen Shopper bestellen mindestens einmal pro Woche im Internet, in der Schweiz hingegen nur zwölf Prozent. Die Österreicher liegen mit 17 Prozent im Mittelfeld. 2017, als die Universität St. Gallen in einer Umfrage das Shopperverhalten ebenfalls untersucht hat, kauften im Schnitt der drei Länder nur zwölf Prozent wöchentlich im Internet – heute sind es 19 Prozent.

Auch der Einkauf von Lebensmitteln verlagerte sich spürbar ins Internet. 17 Prozent der befragten Deutschen sowie jeweils 28 Prozent der Österreicher und Schweizer bestätigten vermehrte Online-Bestellungen. Gleichwohl ist in allen drei Ländern der stationäre Lebensmittelhandel die Branche mit den treuesten Kunden. 78 Prozent der Konsumenten kaufen seit der Covid-19-Pandemie Lebensmittel in den selben Geschäften wie vorher ein. Bei Bekleidung und Medien sind es nur jeweils 46 Prozent.

Erlebnis treibt den Umsatz
Zahlreiche Händler haben auf den Umbruch schnell reagiert und innerhalb kürzester Zeit neue Vertriebskanäle aufgebaut oder bestehende verbessert. Es stellte sich heraus, dass «Click & Collect», also die Möglichkeit, Produkte online zu bestellen und im stationären Laden abzuholen, den Händlern ein erhebliches Umsatzsteigerungspotenzial bietet. So gaben Konsumenten, die in der Schweiz Click & Collect nutzen, im Vergleich zu reinen Online-Käufern 100 Prozent mehr aus. Das Omni-Channel-Management umfasst aber nicht nur den Auf- oder Ausbau der Kanäle (Online-Plattform, Heimlieferservice oder Click & Collect), sondern auch das Drumherum an kundenfreundlichen Services. Ein Beispiel ist die Bereitstellung einer mobilen Version des Webshops. Denn beim Online-Einkauf gewinnt das Smartphone als «Device» an Bedeutung: Der Anteil der Online-Bestellungen über Smartphones ist von neun Prozent im Jahr 2017 auf nunmehr über 30 Prozent gestiegen. Wichtig für ein erfolgreiches Omni-Channel-Management sind auch Kundenerlebnisse an möglichst vielen Kontaktpunkten. Hier schneiden Händler mit einem stationären Geschäft zusätzlich zu den Online-Schnittstellen besonders gut ab. Der Rat der Experten: «Aus einem besseren Kundenerlebnis entsteht die Chance, sich erfolgreich von reinen Online-Anbietern abzuheben.»

Agile Markant Partner
Das Ranking der bekanntesten Omni-Channel Händler hat sich im Vergleich zu 2017 kaum verändert. Allerdings machen Markant Partner eine gute Figur. In Deutschland und Österreich erreichte dm-drogerie markt erstmals eine Platzierung unter den Top-10 der bekanntesten Omni-Channel-Händler. In der Schweiz konnte Manor seine Bekanntheitswerte verdoppeln und sich von Platz 8 auf Platz 6 vorarbeiten.

 

News

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Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

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Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

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In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Die Studie

Omni-Channel-Management 2021
Prof. Dr. Thomas Rudolph, Dr. Kristina Kleinlercher und Nora Kralle am Forschungszentrum für Handelsmanagement der Universität St. Gallen (IRM-HSG) haben das Kaufverhalten von Omni-Channel-Käufern in Deutschland, Österreich und der Schweiz untersucht. Zum vierten Mal, nach 2011, 2014 und 2017, wurden 3019 Konsumenten zu ihren Einkäufen bei Händlern, die ihre Produkte und Dienstleistungen sowohl online als auch in stationären Ladengeschäften anbieten, befragt. Die Studie «Omni-Channel Management 2021» stellt für den Handel mit Bekleidung, Elektronik, Lebensmitteln, Kosmetik, Einrichtung und Unterhaltungsmedien repräsentative und detaillierte Ergebnisse zu den Veränderungen im kanalübergreifenden Kaufverhalten bereit. Die Datenerhebung wurde vom Handelsverband Swiss, der Boost Group AG, Retail Capital Partners und SAP finanziell unterstützt.

Fakten und Management

Neue Präferenzen
Noch 2017 führte der stationäre Handel als präferierter Einkaufskanal. 56 % der Befragten in DACH kauften damals in einem stationären Laden ein. 2021 fällt diese Präferenz auf nur noch 43 %. Prozentual betrachtet ist die Präferenz für den stationären Handel um mehr als 20 % im DACH-Raum gesunken. Auch bei Lebensmitteln hat die Einkaufshäufigkeit auf Online-Shops seit 2017 erheblich zugenommen. In Österreich und der Schweiz kaufen Konsumenten 2021 durchschnittlich doppelt so häufig Lebensmittel im Online-Shop ein als noch vor vier Jahren. In Deutschland waren es rund 30 % mehr Konsumenten.

Top-Services  
Die drei meist genutzten Omni-Channel-Services, welche stationäre Läden und Online-Shops verknüpfen, sind der Online-Storefinder, die Verfügbarkeitsabfrage in Läden und Click & Collect. Beim Kauf von Elektronik und Einrichtung hat die Hälfte der Konsumenten schon mal auf der Website des Händlers den nächstgelegenen Laden und die Verfügbarkeit bestimmter Artikel im Laden recherchiert. Click & Collect (im Online-Shop bestellt und im Laden abgeholt) ist beim Kauf von Unterhaltungsmedien und Elektronik besonders beliebt. Beim Kauf von Bekleidung führt der Online-Shop als Kaufkanal mit 61 %. Bei Lebensmitteln steht der stationäre Laden mit einer Präferenz von 63 % on Top, wobei diese vor vier Jahren noch 72 % betrug.